Dem Internet der Dinge wird im Rahmen der Digitalisierung eine große Zukunft vorhergesagt. Was dies für den Bereich Finanzdienstleistung bedeutet, hat mir Dr. Daniel Diemers von PWC/Strategy& in einem exklusiven Interview erläutert.

Banking Internet of Things

Das Internet der Dinge hat auch im Bereich Banking eine hohe Relevanz

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Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) ist das digitale Internet-Netzwerk von physischen Objekten, Dingen und Sachen, die mit Elektronik, Software, Sensoren und Netzwerkkonnektivität ausgestattet sind und es durch deren Vernetzung ermöglicht, Daten zu sammeln und auszutauschen. Experten gehen davon aus, dass bis 2020 25 Milliarden derartiger Devices im Umlauf sind, was im Durchschnitt bedeutet, dass jeder Mensch auf der Erde zwischen vier und sechs dieser Geräte bei sich trägt.

Interview mit Dr. Daniel Diemers, PwC/Strategy& zum Internet der Dinge

Über die Bedeutung des „Internet of Things“ und dessen Zusammenhang mit anderen Technologien habe ich mich ausführlich mit Dr. Daniel Diemers unterhalten. Er befasst sich seit vielen Jahren mit digitalen Technologien und ist seit 2005 Mitglied des Financial Services Team von PwC Strategy& In dieser Funktion berät er Kunden in Europa und im mittleren Osten in Fragen zu Strategie, Risk & Regulation und Digital Innovation. Als Autor zahlreicher Bücher, Artikel und Studien hat er sich früh mit der digitalen Transformation der Wirtschaft auseinandergesetzt und ist seit 2013 Teil des globalen FinTech-Expertennetzwerks innerhalb von PwC. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf strategischen Projekten zur Digitalisierung unter Einbezug neuer Technologien.

Dr. Daniel Diemers ist Geschäftsführer von Strategy&, der Strategieberatung von PWC

Im ersten Teil des Interviews geht es um das Potential des Internet of Things für Banken und die technologischen Möglichkeiten, dieses zu nutzen.

Das IoT wird in Zukunft so selbstverständlich wie heute Elektrizität

Der Bank Blog: Können Sie uns eine kurze Definition zum Internet der Dinge geben?

Daniel Diemers: Ich verstehe unter dem Internet der Dinge alle Devices, die – auf welche Art auch immer – mit dem Internet verbunden sind. Autonome Fahrzeuge oder Smart Homes wären konkrete, alltagsbezogene Anwendungsbeispiele dafür.

Einen Teil dieses Internets der Dinge werden wir Menschen gar nicht aktiv wahrnehmen. Es wird Dinge geben, die vergleichbar mit dem elektrischen Licht heutzutage ganz natürlich immer „fully connected“ und „online“ geschaltet sein werden. Darüber werden wir dann gar nicht mehr nachdenken.

Der Bank Blog: Wann werden diese Technologien im Alltag der Menschen angekommen sein?

Daniel Diemers: Aus heutiger Sicht werden bestimmt noch drei bis fünf Jahre vergehen, bis es soweit ist. In einigen Bereichen könnte es jedoch schneller gehen.

In den USA sind z.B. Technologien für das Smart Home bereits heute weiter verbreitet als bei uns. Auch intelligente, mit dem Internet verbundene Lautsprecher wie Amazons Echo (Alexa) oder Microsofts Cortana findet man dort schon in vielen Haushalten.

Die Entwicklung wird durch die zahlreichen Praxisbeispiele beschleunigt werden, die Unternehmen aller Branchen derzeit für sich entdecken und auf- und ausbauen. Es wird ja vor allem deshalb in diesen Bereich investiert, weil man sich davon einen wirtschaftlichen Nutzen verspricht.

Der Bank Blog: Welche Relevanz und Potentiale hat das Internet der Dinge für den Markt für Finanzdienstleistung im Allgemeinen und für Banken im Besonderen?

Daniel Diemers: Zum einen ist es aus strategischer Sicht ein interessantes Geschäftsfeld. Banken werden hoffentlich über die verschiedenen Kapitalisierungs- und Finanzierungslösungen, die sie anbieten, an den Investitionen in das IoT beteiligt sein und so direkt davon profitieren. Investment Banken und andere Kapitalgeber haben dies bereits verstanden und ich gehe davon aus, dass die anderen bald nachfolgen werden.

Zum anderen werden sich durch das Internet der Dinge vielfältige neue Schnittstellen ergeben, aus denen sich neue Geschäftsmodelle entwickeln lassen, die für Finanzdienstleister interessant sind. Dabei gilt es, die durch das IoT entstehende Datenkomplexität beherrschbar zu machen. Mit klassischen Bank-IT-Lösungen wird dies eher schwierig werden.

Blockchain-Technologien werden zum Tor für das IoT

Der Bank Blog: Auf welche IT-Lösungen sollten die Banken denn beim IoT setzen?

Daniel Diemers: Eine Technologie, die für das Internet der Dinge sinnvoll genutzt werden kann, ist die Blockchain. Blockchains sind als dezentrale Netzwerke stabil, sicher und kostengünstig. Sie können gut als Registrierungsstellen für die im IoT vorhandenen Devices und deren Daten genutzt werden. Es gibt eine Vielzahl interessanter Lösungsansätze, innerhalb derer sich die Nutzung von Blockchain zügig von einer reinen Registrierungsfunktion in die Welt der Smart Contracts weiterentwickeln wird.

Um dies am Beispiel eines Smart Homes zu verdeutlichen: Einzelne Teile wären über die Registrierungsfunktion in das IoT eingebunden, z.B. ein Heizkörper oder eine Lüftung. Mit Smart Contracts ließen sich dann der Energiehaushalt einer ganzen Wohnung und auch entsprechende Geschäftsmodelle abbilden, wie z.B. der Verkauf überschüssiger Energie. Über Smart Contracts und die dabei ausgetauschten Tokens stößt man dann in Banking-relevante Funktionen vor. Wenn man z.B. beginnt, Smart Contracts für Zahlungsvorgänge zu nutzen, ist man schnell im Lending-Bereich und damit bei Themen, die bislang Banken vorbehalten waren.

Im Firmenkundenbereich ist die Logistik ein gutes Beispiel. Wenn Unternehmen aus diesem Bereich ihre Prozesse mit der Blockchain-Technologie abbilden, eröffnen sich schnell Schnittstellen zum Bereich Handelsfinanzierung. Im Bank Blog wurde ja vor kurzem über Blockchain zur Akkreditivabwicklung berichtet. Hier ergeben sich disruptive Ansätze, wenn Logistik-Unternehmen eigene Finanzierungsmodelle entwickeln, die auf vorhandenen Daten in Form von Zahlungsströmen aufbauen, die bislang den Banken einen Informationsvorsprung gesichert haben.

Der Bank Blog: Sehen Sie hier private oder öffentliche Blockchains im Fokus?

Daniel Diemers: Im Industriebereich werden dies vor allem private Blockchains mit entsprechenden Zugangs- und Nutzungsrechten sein. Public Blockchains, wie z.B. bei Bitcoins eigenen sich nicht für IoT-Lösungen, da es insbesondere auf Transaktionsvolumina und -geschwindigkeit ankommt.

Der Bank Blog: Wie beurteilen Sie das Thema Schnittstellen in diesem Zusammenhang?

Daniel Diemers: Schnittstellen werden in Zeiten der Digitalisierung in vielen Bereichen immer wichtiger. Wir erleben das ja aktuell im Banking im Zusammenhang mit PSD2.

Schnittstellen sind wichtige Basis des IoT und müssen definiert werden, auch um die Interoperabilität der einzelnen Komponenten und Lösungen sicherzustellen. Es gilt, entsprechende offene API-Lösungen zu finden, damit die Vorteile der Technologien möglichst umfangreich und von allen Beteiligten genutzt werden können.

Token-Management wird zur neuen Bankdienstleistung

Der Bank Blog: Wo sehen Sie neben Payments und Consumer Loans weitere Möglichkeiten für neue Bankprodukte und -Services durch das Internet der Dinge?

Daniel Diemers: Aus meiner Sicht ist das Token-Management ein wichtiges neues Geschäftsfeld. Wann immer ich Blockchain-Technologien im IoT nutze, sind Tokens involviert. Diese können auf der einen Seite dabei helfen, dass die Transaktionen und Smart Contracts im IoT funktionieren. Auf der anderen Seite können sie selbst als Krypto-Währung fungieren.

Wir erleben ja gerade eine Explosion in diesem Bereich mit weltweit über 800 Krypto-Währungen – und die Entwicklung dürfte sich exponentiell fortsetzen. Ich verfolge dies – wie vermutlich auch Sie und Ihre Leser – genauso  fasziniert wie auch skeptisch. In fünf Jahren haben wir entweder gar keine Tokens mehr oder sehr viele. Ersteres halte ich für unwahrscheinlich. Die Anzahl und Vielfalt dieser Tokens dürfte stattdessen deutlich zunehmen. Um nur ein Beispiel zu nennen, wohin dies gehen könnte: Vielleicht erhalten Privatpersonen ja zukünftig Tokens dafür, dass jemand deren Bilder auf Social Media Kanälen liked. Und irgendwo müssen diese Tokens gespeichert und gemanagt werden.

Um in diesem Dschungel den Überblick zu behalten, muss jemand Hilfestellung bei der Verwaltung leisten. Da spielen Speicherung und Wechselkurse bis hin zu Kauf- oder Verkaufsempfehlungen eine Rolle. Hier lassen sich Ansatzpunkte für Asset Storage und Asset Management finden. Sofern die Tokens entsprechende Werte repräsentieren, bewegen wir uns in Bereichen bis hinein ins Wealth Management. Und das sichere Verfahren von Wertgegenständen ist ja ein natürlicher Bestandteil der DNA einer Bank.

Der Bank Blog: Setzt das nicht voraus, dass Krypto-Währungen zukünftig eine ganz andere Rolle spielen müssen als heute?

Daniel Diemers: Durchaus und genau hier kommt wieder das Internet der Dinge ins Spiel. Die meisten Use-Cases, die ich gesehen habe, gehen über ein reines Registrierungsnetzwerk hinaus. Dann reden wir von Transaktionen und Smart Contracts. Und dort haben wir es mit Tokens zu tun. Die daraus erwachsende Komplexität nimmt auf jeden Fall zu.

Tokens sind ein automatisches Nebenprodukt der Blockchain-Welt. Sobald diese erschaffen sind – unabhängig davon, wie dies geschieht – haben wir es mit Krypto-Währungen zu tun. Tokens sind letztlich nur eine andere Bezeichnung dafür. Eine andere Frage ist, ob und wenn ja, welchen Wert sie haben.

Die Datenmengen werden im Internet der Dinge explodieren

Der Bank Blog: Welche weiteren IoT-basierten Geschäftsmodelle im Retail Banking sehen Sie?

Daniel Diemers: Das Internet der Dinge wird zu einer Datenexplosion führen. Aus der Fülle dieser Daten und ihrer Analyse ergibt sich ein weites Feld von Nutzungsmöglichkeiten. Kombiniert mit Künstlicher Intelligenz lassen sich Persönlichkeitsprofile erstellen und Konsumpräferenzen ableiten. Daraus könnten unmittelbar Bedarfe für Finanzprodukte ermittelt werden und mittelbar könnten Banken ihre Leistungen in die Wertschöpfungsketten von anderen Anbietern einbauen. All diese Ansätze tragen dazu bei, den Kunden individueller und bedarfsorientierter anzusprechen und so seine Abschlussakzeptanz zu erhöhen.

Nehmen wir die nächste Urlaubsreise als Beispiel: Themen, die damit im Zusammenhang stehen, wären etwa Bezahlung, Fremdwährungstausch, Reisezahlungsmittel und zur Reise passende Versicherungsleistungen wie Unfall- und Reiserücktrittsversicherung oder der Auslandskrankenschutz.

Finanzinstitute können so ein „antizipatives Banking“ aufbauen, indem sie die Vielzahl von Daten nutzen, um Kundenbedarf bereits im Entstehen zu erkennen und proaktiv passgenaue Angebote unterbreiten zu können. Kunden müssten dann nicht mehr zwischen Reisebüro, Bank und Versicherungsvertreter pendeln, sondern erhalten eine individuell maßgeschneiderte Komplettlösung am digitalen Point-of-Sale.

Ein weiterer Bereich, der für Banken spannend werden könnte, ist Augmented Reality. Das Thema wird in der Konsumwelt von Verbrauchern an Bedeutung gewinnen und auch hier ist es für Finanzinstitute interessant, sich in ein solches System einzuklinken, z.B. um Beratung via AR durchzuführen. Statt in eine Filiale zu gehen oder eine Videoberatung in Anspruch zu nehmen, könnte so an jedem beliebigen Ort persönliche Beratung stattfinden.


Im zweiten Teil des Interviews erläutert Daniel Diemers, wie das IoT den Alltag privater Konsumenten verändern wird und wie Banken sich auf die Nutzung der Technologie vorbereiten sollten.