Wie Banken verlorenes Vertrauen zurückgewinnen können

Pixelio.de / Rainer Sturm

Banken leiden nach wie vor unter einem enormen Vertrauensverlust seitens der Kundschaft. Interessant ist, zu beobachten, ob und wie die Banken darauf reagieren und ob sie vielleicht Anleihen bei anderen Wirtschaftszweigen nehmen können.
Ein Hinweis auf den Umgang und das Geschäftsgebaren liefern Geschäftsgrundsätze bzw. Leitbilder. In einem Vergleich wird untersucht, wie es hier um die Banken bestellt ist.

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Wie schon an anderer Stelle geschildert, leiden Banken nach wie vor unter einem enormen Vertrauensverlust seitens der Kundschaft. Interessant ist, zu beobachten, ob und wie die Banken darauf reagieren und ob sie vielleicht Anleihen bei anderen Wirtschaftszweigen nehmen können.

In einem sehr interessanten und lesenswerten Artikel für die Financial Times hat Lucy Kellaway über die finnische Einzelhandelskette Stockmann und deren Geschäftsgrundsätze berichtet. Sie bildete eine Analogie zu den vor kurzem veröffentlichten Geschäftsgrundsätzen von Goldmann Sachs, die ich sehr gelungen fand.

Geschäftsgrundsätze einer Nichtbank

Wie sehen die Geschäftsgrundsätze dieser finnischen Einzelhandelskette aus? An erster Stelle steht folgender Grundsatz:

„Wir sind im Geschäft, um Geld zu verdienen, alle unsere Aktivitäten sollten dieses Ziel unterstützen.“

Verwerflich? Nein. Vielmehr einfach und ehrlich. Keine Kunde glaubt an altruistische Ziele von gewinnorientierten Unternehmen, egal ob Banken (schon gar nicht Investment  Banken) oder andere Branchen. Was die Kunden aber aufregt, ist, wenn Banken so tun, als ob „Geld verdienen“ nicht das oberste Ziel ist und hinterher dabei erwischt werden, etwas anderes zu tun als vorher gesagt zu haben. Ehrlichkeit und dazu stehen, erscheint mir eine der wichtigsten vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen Kunden und Unternehmen zu sein.

Der nächste Grundsatz des Einzelhändlers lautet:

„Wir verdienen Geld nur durch das Anbieten von Leistungen, die der Kunde als ehrlich und besser als die unserer Wettbewerber wahrnimmt.“

Auch hier wird eine weitere allgemeingültige Wahrheit einfach und direkt ausgesprochen, insbesondere, indem auf die Wahrnehmung durch die Kunden abgestellt wird. Objektivierbar sind die Dimensionen ohnehin nicht, die Kundensicht ist entscheidend und dies hat Stockmann erkannt.

Die Einzelhandelskette hat noch vier weitere Grundsätze:

  • Effizienz,
  • Engagement,
  • Respekt für die Mitarbeiter und
  • soziale Verantwortung.

Auch dieser letzte Grundsatz ist klar und schnörkellos formuliert:

„Die Art und Weise wie wir arbeiten, ist ethisch und gerecht.“

Goldman Sachs‘ neue Geschäftsgrundsätze

Wie schaut es nun bei Goldman Sachs aus? Als führende internationale Investmentbank geriet Goldman in letzter Zeit immer wieder aufgrund von Zweifeln an der ethischen Grundhaltung in die Schlagzeilen. Dies mag einer der Gründe für das neu geschaffene Leitbild mit insgesamt 14 Geschäftsgrundsätzen sein.

Im ersten Grundsatz steht zu lesen:

„Die Interessen unserer Kunden stehen immer an erster Stelle.“

Aber erscheint dieser Grundsatz an erster Stelle wirklich glaubwürdig? Mir scheint, dass die meisten Kunden ein anderes Gefühl haben, wenn sie an Banken und insbesondere an Investmentbanken denken …

Erst an dritter Stelle bekennt sich Goldman Sachs zum Gewinnziel:

„Unser Ziel ist es, überdurchschnittliche Renditen für unsere Aktionäre zu erzielen.“

Das klingt noch sehr altruistisch. Die Erläuterung liest sich dann schon klarer. Dort wird auf die Gleichgerichtetheit der Interessen von Mitarbeitern und Aktionären verwiesen, einen überdurchschnittlichen Profit zu erzielen. Also doch die schon aus Michael Douglas‘ Wall Street bekannte „Gier“ als zentraler Antriebsfaktor?

Mit der Beschreibung der Art und Weise des Handelns und dem damit verbundenen Bekenntnis zu ethischem Handeln tut sich Goldman Sachs eher schwer. Während bereits im zweiten Grundsatz auf die Notwendigkeit einer guten Reputation als Basis des Erfolgs (also Ethik als Mittel zum Zweck) eingeht, wird im letzten Grundsatz explizit auf die gesellschaftliche Verantwortung eingegangen:

„Wir erwarten, von unseren Mitarbeitern dass sie in allem was sie tun, hohe ethische Standards einhalten, sowohl in ihrer Arbeit für das Unternehmen als auch in ihrem persönlichen Leben.“

Was sind „hohe“ Standards. Gibt es hohe und weniger hohe ehtische Maßstäbe? Und zu Recht weist Lucy Kellaway auf die Schwierigkeit hin, die letzte Aussage zu überprüfen und ggf. zu ahnden. Sie fragt sich etwas spöttisch, „ob es einen Anruf vom Chairman gibt, wenn ein Mitarbeiter mit seiner Frau schimpft“.

Leitbilder deutscher Banken und Sparkassen

Den besagten FT-Artikel habe ich zum Anlass genommen und mir neben dem Leitbild von Goldmann Sachs auch die Leitbilder von 25 zufällig ausgewählten deutschen Großbanken, Sparkassen und Volksbanken angeschaut. Ich möchte nicht den Begriff der Repräsentativität strapazieren, aber zumindest habe ich vom Profil her unterschiedliche Regionalinstitute untersucht: große, kleine, Flächen- und Stadtinstitute.

Vorweg sei noch einmal in Erinnerung gerufen, worin überhaupt der Sinn und Zweck eines Leitbildes liegt: Es soll eine Grundlage für die in einem Unternehmen zu treffenden strategischen, taktischen und operativen Entscheidungen sein. Damit ergeben sich folgende formale Anforderungen:

  • es muss realistisch sein und den Tatsachen entsprechen
  • es muss klar, eindeutig und für jeden verständlich formuliert sein
  • das Leitbild muss über längere Zeit Gültigkeit besitzen
  • es muss (mindestens intern) öffentlich sein, wenn erreicht werden soll, dass es als allgemeine Orientierung dient.

Als erstes Ergebnis lässt sich festhalten: Die meisten Banken tun sich mit Geschäftsgrundsätzen und Leitbildern scheinbar schwer. Zunächst einmal scheuen sie offensichtlich die Öffentlichkeit, wie die Google-Recherche ergab. Interessant finde ich übrigens, dass wesentlich mehr Volksbanken als Sparkassen ihr Leitbild veröffentlichen. Auch sind die Formulierungen der meisten Leitbilder sehr allgemein gehalten. Ein zentrales Ziel bei der Formulierung vieler Leitbilder scheint zu sein, niemand „weh zu tun“, was löblich ist, aber zu Lasten prägnanter und individueller Formulierungen geht. So ist in nahezu jedem der Leitbilder in irgendeiner Form zu lesen, dass man Kunden als Partner ansieht (Kunde als König ist „out“) und man ihren Bedarf zur Zufriedenheit erfüllen möchte. Nahezu gleichrangig werden die Interessen der Mitarbeiter gewichtet, die ebenfalls fair behandelt werden sollen.

Doch wie halten es die deutschen Institute mit den zentralen Elementen Gewinn, und ethischem Handeln sowie deren Gewichtung?

Offensichtlich traut man sich nicht, die Dinge offen beim Namen zu nennen: Gewinn, im Sinne eines wirtschaftlichen Erfolgs ist in lediglich einem Drittel der untersuchten Leitbilder verankert. Vielfach wird dabei die Erzielung eines wirtschaftlichen Erfolgs eher indirekt angesprochen und als Notwendigkeit zur Bewahrung der eigenen Unabhängigkeit dargestellt.

Und wie schaut es mit der Art und Weise des Wirtschaftens aus, und der darin enthaltenen ethischen Komponente? Auch da sieht es eher mau aus. Der Begriff wird nicht direkt erwähnt sondern nur umschrieben, z.B. mit Verlässlichkeit, Fairness und Ehrlichkeit oder ganz allgemein mit der gesellschaftlichen Verantwortung, der man sich bewusst sei. Bei einigen Instituten werden Teilaspekte herausgestellt. Dazu zählt z.B. erstaunlich häufig die Ökologie und da wir es bei Banken nicht mit Produktionsbetrieben zu tun haben, klingt das für mich schon manchmal arg nach der Bedienung eines Modetrends. Auch die Betonung der Verantwortung für die Region und deren kulturelle und sportliche Vielfalt findet sich häufig.

Ein klares und einfaches Bekenntnis zu ethisch-korrektem Handeln sucht man bei allen Instituten (leider) vergebens. So bleiben für die Kunden immer noch viele Fragen nach dem Wie des wirtschaftlichen Handelns offen. Dies ist sicherlich einer der Gründe, warum sich offen zu ethischen Grundsätzen bekennende Institute über regen Zulauf freuen. Beispiele sind die von der Volksbank Eisenberg eG als Zweigniederlassung gegründete EthikBank, die GLS Gemeinschaftsbank, die UmweltBank AG oder die Steyler Bank.

Warum tun sich die meisten Banker offensichtlich so schwer, in klaren, einfachen und eindeutigen Worten öffentlich zu beschreiben, was und wie sie etwas tun bzw. tun wollen?

Ich habe immer noch den prägenden Ausspruch des früheren Chefs der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, im Kopf, für mich persönlich vielleicht der letzte große Bankier, der sich der gesellschaftlichen und ethischen Verantwortung der Banken in der Öffentlichkeit stets offensiv gestellt hat:

„Wir müssen das, was wir denken, sagen. Wir müssen das, was wir sagen, tun. Wir müssen das, was wir tun, dann auch sein.“

Wenn die Banken sich diese Worte heute zu Herzen nehmen würden, hätten sie vielleicht eine Chance, die Vertrauenskrise zu bewältigen. Langatmige Grundsätze, die mitunter wenig aussagen oder in sich häufig zweifelhaft scheinen, sind sicherlich nicht dazu angetan…