Nach Cum-Ex steht die Finanzbranche erneut am Pranger: dieses Mal mit Cum-Cum-Geschäften. Dem deutschen Staat sind angeblich mehr als 600 Millionen Euro entgangen. Doch der Fall ist nicht so eindeutig. Organträger sollten den Sachverhalt genau prüfen und Risiken minimieren.

Cum-Cum-Geschäfte der deutschen Banken und Sparkassen

Bei Cum-Cum-Geschäften verliehen deutsche Kreditinstitute zwecks Renditeoptimierung ihre festverzinslichen Wertpapiere gegen Überlassung deutscher dividendenberechtigter Aktien ausländischer Finanzpartner.

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Cum-Cum-Geschäfte sind in Europa seit den 90er-Jahren gang und gäbe. In Deutschland spielten sie erst nach der Jahrtausendwende eine Rolle. Bei Cum-Cum verliehen deutsche Banken, Sparkassen und Versicherer zwecks Renditeoptimierung ihre festverzinslichen Wertpapiere gegen Überlassung deutscher dividendenberechtigter Aktien ausländischer Finanzpartner. Diese sparten dadurch die Kapitalertragssteuer ein. Diese Geschäfte zwischen institutionellen Marktpartnern optimierten deren Asset Managements.

Zivilrechtlich handelt es sich bei diesem Wertpapierleihgeschäft um ein Sachdarlehen. Der Entleiher der festverzinslichen Wertpapiere und der Empfänger der Aktien konnten über die Wertpapiere im Regelfall wie ein Eigentümer verfügen. Nach herrschender Meinung kam es jeweils zu einem Übergang des rechtlichen und des wirtschaftlichen Eigentums. Jahrelang galt die Rechtslage als sicher und im Einklang mit der Finanzverwaltung.

Finanzbranche konfrontiert mit steuerlicher Rückforderung

Doch dann verneinten einzelne Finanzverwaltungen und –Gerichte, dass ein Eigentumsübergang stattfand. Dem schloss sich das BMF im November 2016 teilweise an; später bewertete das BMF in seinem Schreiben vom 17.7.2017 Cum-Cum als Gestaltungsmissbrauch.

Statt ihre Rendite optimiert zu haben, sehen sich nun die deutschen institutionellen Investoren mit steuerlichen Rückforderungen in Millionenhöhe konfrontiert. Die öffentliche Diskussion geht derzeit von Rückforderungen in Höhe von über 600 Millionen Euro aus. Nachdem wir nun erste Fälle betreuen, halten wir für die deutsche Finanzwirtschaft einen Nachteil für möglich, der deutlich darüber liegen wird. Betroffen sind neben der Versicherungswirtschaft auch Genossenschaftsbanken und Sparkassen im ganzen Lande. Für einzelne Institute kann der daraus resultierende Nachteil existenzbedrohend sein.

Doch ist der Fall wirklich so eindeutig, wie er vom BMF und den Medien dargestellt wird? Aus unserer Sicht ist dies keinesfalls ausgemacht. Wir erwarten, dass der BFH weiterhin in jedem Einzelfall entscheiden wird. Banken und Versicherungen und insbesondere auch deren Vorstände sollten also den Sachverhalt genau prüfen lassen. Die meisten Cum-Cum-Verträge sind individuell abgefasst, bezogen auf die Vertragspartner und die jeweiligen Wertpapiere und Aktien. Es gilt zu prüfen, ob es sich um rein steuerlich geprägte Transaktionen handelt.

Kriterien zur Prüfung der Cum-Cum-Verträge

Das BMF geht davon aus, dass ein solch rein steuerlich induziertes Geschäft vorliegt, wenn einige der folgenden Indizien vorliegen: Die Erträge aus den verliehenen Aktien bleiben beim Verleiher. Durch den Verleih entsteht beim Verleiher kein Liquiditätsvorteil. Der Vertrag schließt für den Erwerber der Aktien das Stimmrecht aus oder beschränkt es. Der Entleiher muss das Risiko von Wertveränderungen nicht tragen und er benutzt die Aktien auch nicht wirtschaftlich. Und grundsätzlich gilt, wenn die Haltedauer der Aktien weniger als 45 Tage beträgt, dann handelt es sich definitiv um eine missbräuchliche Gestaltung zur Anrechnung der Kapitalertragssteuer.

Aber auch wenn diese Kriterien zutreffen, heißt dies nicht, dass die Rückforderung nicht angreifbar wäre. Die differenzierte Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und Dividenden bei ausländischen Anteilseignern ist gesetzlich klar vorgesehen und lässt eigentlich keinen Raum für Gestaltungsmissbrauch. Außerdem waren die Cum-Cum-Geschäfte der deutschen Finanzverwaltung lange bekannt und wurden von ihr akzeptiert. Und würde man der Argumentation der Steuerverwaltung folgen, dann müsste nach der Abgabenverordnung Paragraph 42 die Steuerkorrektur beim Steuerausländer doch jedenfalls sehr ernsthaft erwogen werden.

Haftungsrisiko für Organträger

Die Organe der institutionellen Investoren stehen nun vor mehreren Risiken. Einerseits müssten sie aufgrund des BMF-Schreibens vom 17.7.2017 die Notwendigkeit prüfen, frühere Steuererklärungen zu berichtigen und laufende korrekt anzugeben. Anderseits können die Entscheidungsträger sich nicht nur auf die steuerrechtlichen Aspekte konzentrieren. Durch die Aberkennung der der steuerlichen Absetzbarkeit ist dem eigenen Unternehmen ein Schaden entstanden. Diesen sollten sie bei den ausländischen Vertragspartnern einfordern.

Das ist keine triviale Aufgabe, dafür sollte die jeweilige Unternehmens- oder Konzernbuchhaltung hinreichend Ressourcen einplanen. Für die Forderung an die ausländische Bank gibt es grundsätzlich zwei zivilrechtliche Ansätze. Einerseits kann man argumentieren, dass der Zweck des Vertrages nicht erfüllt wurde und dieser daher rückabgewickelt bzw. angepasst werden muss. Die durch den Cum-Cum-Vertrag geplante Anrechenbarkeit der Kapitalertragssteuer in Deutschland und damit einhergehende Renditeoptimierung ist nicht erfolgt. Andererseits lässt sich nach den uns vorliegenden Unterlagen im Einzelfall argumentieren, dass ein Risikoaufklärungsverschulden zwischen institutionellen Marktteilnehmern vorlag.

Sicherlich herrschte ein Wissensgefälle zwischen den internationalen und deutschen Großbanken, die die Cum-Cum-Geschäfte anboten, und den meist kleineren und mittelgroßen Sparkassen und Volksbanken im Land. Aber selbst gegenüber den Asset-Managern der deutschen Versicherungen kann man in einzelnen Punkten eine Wissens-Asymmetrie voraussetzen. Es gilt insbesondere zu prüfen, inwieweit Präsentationen, Gutachten und Verträge Aussagen über die Sicherheit des Eintritts der behaupteten steuerlichen Effekte trafen.

Verjährungsfristen

Wir derzeit davon aus, dass es im Regelfall zu einer Lastenverteilung zwischen den Vertragspartnern kommen muss – in manchen Fällen sogar zu einer kompletten Lastenübernahme durch den ausländischen Bankpartner. Aber Achtung, es gilt, Verjährungsfristen zu beachten. Ein relevantes Urteil des BHF aus August 2015 wurde im Januar 2016 veröffentlicht. Zudem kann man davon ausgehen, dass alle Marktteilnehmer bis spätestens Ende 2016 von der neuen Beurteilung der Finanzverwaltung entsprechend dem Schreiben des BMF aus November 2016 Kenntnis hatten. Damit könnten Teile etwaiger Regressansprüche Ende 2019 verjähren.

Um hier nicht in einen Haftungsfall zu geraten, sollten Organe betroffener Institute dringend Sorge tragen, dass die Verjährung nicht zum Tragen kommt. Im besten Falle erwirken sie einen Verjährungsverzicht der ausländischen Bank. Die Argumente dafür sind hinreichend, wie wir schon in einigen Fällen sehen konnten. Gleichzeitig ist dieser Schritt relativ geräuschlos. Ansonsten sollten andere die Verjährung aufhaltende Schritte, wie ein Schlichtungsverfahren oder eine Klageerhebung, angegangen werden. Nur so können Bank- und Versicherungsvorstände bei entsprechenden Sachverhaltskonstellationen pflichtenkonform handeln und sich vor persönlichen Risiken schützen.

Interessen poolen

Wir gehen derzeit davon aus, dass insgesamt rund 80 deutsche Finanzinstitute davon betroffen sind – in unterschiedlicher Größe und Ausrichtung. Um sich im Konflikt mit den internationalen Großbanken hinreichend aufzustellen, empfehlen wir, dass die betroffenen Banken ihre Interessen poolen. So können gerade kleinere Institute bei der Aufarbeitung von Cum-Cum-Geschäften Kosten sparen und Informationsdefizite abbauen.