Im Zuge von Erleichterungen während der Corona-Pandemie hat die BaFin die digitale Besichtigung von Immobilien ermöglicht. Jens Honigmann – Vorstand der Value AG – erläutert im Interview das Vorgehen und erste Erfahrungen.

Online-Besichtigung von Immobilien für die Baufinanzierung

Eine Online-Besichtigung von Immobilien bietet Vorteile für die Baufinanzierung.

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Die Corona-Pandemie hat vielen Kreditinstituten die Bedeutung von Digitalisierung und Automatisierung in allen Bereichen deutlich vor Augen geführt. Ein traditionell wichtiger Ertragsbringer ist die Sparte Immobilienfinanzierung. In diesem Bereich bietet die Value AG (eine 100-prozentige Tochter der Hypoport SE) Bewertungsleistungen für alle Assetklassen aus einer Hand an. Die Leistungspalette reicht von Immobilienbesichtigungen inklusive Dokumentation, Markt- und Beleihungswertgutachten innerhalb und oberhalb der Kleindarlehensgrenze über Portfoliobewertungen bis hin zur vollständigen Übernahme der Bewertungsprozesse bei Auslagerung durch den Auftraggeber.

Jens Honigmann, Vorstand der Value AG im Gespräch

Der Bank Blog sprach mit Jens Honigmann über das Thema digitale Besichtigung. Er ist im Vorstand der Value AG verantwortlich für Marketing, Vertrieb und Business Development. Zuvor war er bei der ING DiBa tätig, u.a. als Leiter Prozessmanagement und Operational Control im COO Office sowie als Abteilungsdirektor Business Management Baufinanzierung.

Jens Honigmann ist Vorstand der Value AG, AG verantwortlich für Marketing, Vertrieb und Business Development.

Die Corona-Pandemie verstärkt die Digitalisierung

Der Bank Blog: Wie hat die Corona-Pandemie das Baufinanzierungsgeschäft Ihrer Kunden aus der Kreditwirtschaft verändert?

Jens Honigmann: Wir beobachten einen noch stärkeren Trend, Prozessschritte zu digitalisieren bzw. remote verfügbar zu machen und die Kommunikation mit dem Endkunden auch ohne persönliche Vor-Ort-Termine abzuwickeln. Gewinner scheinen augenblicklich jene Institute zu sein, die auch nach der temporären Schließung von Filialen ihren Kunden eine gute Erreichbarkeit und entsprechenden Service anbieten konnten.

Der Bank Blog: Digitalisierung ist ja nicht erst seit Corona ein wichtiger Trend. Welche Bedeutung haben digitale Technologien für den Bereich Baufinanzierung?

Jens Honigmann: Wie überall ist auch hier die Digitalisierung von zunehmender Bedeutung. Viele Backoffice-Prozesse können automatisiert werden. Durch den Einsatz von KI kann z.B. das Auslesen und Analysieren von Gehaltsabrechnungen und anderen Dokumenten oder das Zuordnen von Bildern aus Immobilienbesichtigungen verlässlich digital im Hintergrund laufen. Die Beschaffung von fehlenden Unterlagen kann digital heutzutage durch Banken oder Dienstleister schneller und einfacher als durch den Endkunden selbst erledigt werden. So können Wertermittlungen und Kreditentscheidungen beschleunigt und valide getroffen werden.

Remote-Beratung per Video-Call hat durch Corona natürlich einen Push bekommen. Und auch das Thema Immobilienbesichtigung per Video-Stream darf man nicht vergessen.

BaFin hat Online-Besichtigung von Immobilien ermöglicht

Der Bank Blog: Die BaFin hat im Zuge von Corona Erleichterungen im Bereich Immobilienbesichtigung und neu die Möglichkeit von Videobesichtigungen geschaffen. Wie muss man sich eine Online-Besichtigung konkret vorstellen?

Jens Honigmann: Wir erhalten typischerweise die Auftragserteilung von unserem Mandanten über eine Schnittstelle bzw. unser Auftraggeber-Portal. Dann erfolgt der Ablauf wie schon bekannt, d.h. unsere Mitarbeiter im Kundenservice-Center kontaktieren den Endkunden. Neu ist nun die Frage, ob er mit einer Video-Besichtigung einverstanden ist. Wenn ja, werden ein paar technische Details geklärt – zum Thema Netzabdeckung, WLAN-Zugang etc. – und es wird ein Termin für die Video-Besichtigung vereinbart. Wenn der Kunde keine Online-Besichtigung möchte, wird die übliche konventionelle Außen- bzw. Innenbesichtigung eingeplant, soweit das aktuell möglich ist.

Im Rahmen des Termins zur Video-Besichtigung erhält der Kunde vorab einen Link, über den er die von uns verwendete Web-Anwendung öffnen kann. Wenn der Kunde dann den Video-Stream gestartet hat, wird er von einem unserer Mitarbeiter, der in unserem Büro sitzt und bei dem es sich um einen fest angestellten qualifizierten Sachbearbeiter handelt, durchs Haus geführt. So werden verschiedene Räume wie Küche, Bad, Wohnzimmer, Keller etc. durchgegangen.  Zudem schauen wir uns auch die Außenansicht des Hauses per Video-Stream an.

Der Bank Blog: Wo bieten Sie die digitale Besichtigung an?

Jens Honigmann: Wir bieten die digitale Besichtigung heute ausschließlich im Kleindarlehensbereich an, da nur in diesem Segment eine vollständige Anerkennung durch die Aufsicht ohne Abschläge erfolgen kann. Bei allen anderen Bewertungen muss nach dem Lock-Down zusätzlich eine Vor-Ort-Besichtigung erfolgen, was den Aufwand verdoppelt.

Vielfältige Vorteile on Online Besichtigungen

Der Bank Blog: Welche Vorteile ergeben sich durch die Online-Besichtigung für die Endkunden, für Auftraggeber sowie für die Value AG?

Jens Honigmann: Der Kunde muss keine fremden Menschen in sein Haus hereinlassen – gerade in Zeiten von Corona ein großer Vorteil. Seine Privatsphäre wird noch mehr geschützt als sonst, da er selbst derjenige ist, der per Handy die Besichtigung begleitet. Er wird in der gesamten Sequenz von unserem qualifizierten Sachbearbeiter geführt.

Ganz wichtig: Der Video-Stream wird von uns als Value AG nicht aufgezeichnet. Während des Video-Streams macht unser Sachbearbeiter von den entsprechenden Räumen und von für die Bewertung wichtigen Informationen, z.B. von der Heizungsanlage, lediglich Screenshots – also quasi Fotos. Am Ende des Rundganges wird der Video-Stream dann beendet, ohne dass er gespeichert wurde. Dass es sich nur um einen Video-Stream und nicht eine Video-Aufnahmen handelt, erhöht noch mal die Datensicherheit und den Datenschutz für den Endkunden.

Für uns und unsere Auftraggeber ist von Vorteil, dass Fahrzeiten entfallen und Termine dadurch flexibler und kurzfristiger möglich sind. Insofern wirklich eine Win-Win-Win-Situation.

Der Bank Blog: Welche technischen Herausforderungen gab oder gibt es?

Jens Honigmann: Bei der Videobesichtigung handelt es sich letztlich um einen Video-Stream. Hier muss natürlich eine geeignete Software herangezogen werden, die auf einem deutschen Server und damit im Zugriff der Value AG gehostet wird. Das war uns wichtig, weil das letztlich auch eine rechtliche Voraussetzung war, damit wir keine Vertragsanpassungen bei unseren Mandanten vornehmen mussten und sehr schnell auf das neue Produkt umstellen könnten.

Die technische Herausforderung, die richtige Software zum Einsatz zu bringen, haben wir in einem 2-Stufen-Konzept umgesetzt, wobei wir nach dem MVP-Ansatz arbeiten. Im ersten Schritt wollten wir in kürzester Zeit eine stabile Lösung für eine Vielzahl der bei uns nachgefragten Objekte anbieten können. Anschließend haben wir diese erste Lösung weiter optimiert.

Eine technische Herausforderung ist natürlich das Thema Netzabdeckung respektive WLAN-Zugang um das jeweilige Objekt herum. Das haben wir insofern gemeistert, als dass wir einen Kriterien-Katalog erstellt haben und den Endkunden vor Terminierung befragen, wie seine Netzabdeckung ist und ob es einen WLAN-Zugang gibt, der ggf. auch Außenaufnahmen zulässt. Insgesamt funktioniert das mittlerweile sehr stabil. Wir haben kaum Abbrüche des Videostreamings in unseren Online-Besichtigungen.

Der Bank Blog: Sind die Anforderungen an Datenschutz, IT-Sicherheit etc. gewährleistet?

Jens Honigmann: Selbstverständlich. Alles genügt höchsten Sicherheitsanforderungen. Die Software läuft auf unseren Servern, so dass wir kein rechtliches oder Datenschutz-Problem haben. Und der Endkunde muss sich nicht registrieren, er klickt einfach auf den von uns zur Verfügung gestellten Link und die Online-Besichtigung kann beginnen.

Online-Besichtigungen kommen gut bei Kunden an

Der Bank Blog: Mit welchen Erkenntnissen haben Sie die Pilotphase abgeschlossen? Wie ist das Feedback der Kunden? Wie hoch ist der Anteil an digitalen Besichtigungen inzwischen?

Jens Honigmann: Zunächst waren die Auftraggeber skeptisch, ob das Material aus Online-Besichtigungen die gleiche Qualität haben würde, wie sie es sonst von der Value AG gewohnt sind. Aber wir konnten schnell zeigen, dass wir die Technik gut im Griff haben.

Die Endkunden sind natürlich glücklich, dass – insbesondere in der Lock-Down-Zeit – z.B. ihre Kreditanträge nicht zum Stillstand kamen. Zudem sehen sie – mit oder ohne Corona – den Vorteil, niemand Fremdes in ihre vier Wände lassen zu müssen. Und Sie sind überrascht, wie einfach sie unser Produkt nutzen können: Web-Anwendung öffnen, Namen erfassen, starten. Wobei jüngere Kunden natürlich technikaffiner sind und bei Älteren schon mal eher die Befürchtung besteht, das nicht selbst hinzubekommen. Aber da stellen sich unsere Mitarbeiter, die den Kunden ja durch seine eigene Immobilie führen, jeweils darauf ein, so dass wir inzwischen eine fast 100%ige Erfolgsquote haben.

Dass das Thema Online-Besichtigung gut ankommt, zeigt, dass fast die Hälfte der Endkunden, denen die Online-Variante durch den Auftraggeber angeboten wird, davon auch Gebrauch macht.

Der Bank Blog: Wie sehen Sie die Zukunft der Online-Besichtigung nach Corona?

Jens Honigmann: Wenn es weiter so gut läuft wie bisher, bin ich davon überzeugt, dass am Ende die BaFin zumindest im Kleindarlehens-Bereich diese Lockerung nicht wieder aufheben wird und das Produkt auch nach der Corona-Pandemie seinen Platz finden wird. Es bringt einfach für alle Seiten viele Vorteile mit sich – bis hin zum ökologischen durch den Wegfall von Fahrten mit PKW.

Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.