Haben Sie einen Fahrstuhl in Ihrem Institut? Dann wissen Sie sicherlich um die Bedeutung dieses Ortes für unerwartete Treffen und interessante Gespräche. Mitunter aber auch ein Ort für belanglosen, manchmal sogar unsinnigen Small Talk.

Banker im Fahrstuhl im Gespräch

Der Fahrstuhl einer Bank kann ein interessanter Ort für Treffen und Gespräche sein.

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Einer der vielen Vorteile für einen internationalen Bankkonzern zu arbeiten ist, dass man immer wieder neue, nette Kolleginnen und Kollegen kennenlernt. Oder aber, dass man altbekannte Weggefährten nach längerer Zeit wieder einmal zufällig im Aufzug trifft.

So erging es mir, als ich nach einigen Jahren des Exils in einer Niederlassung wieder in der Zentrale mein Büro bezog.

Gespräch im Fahrstuhl

„Michel. Hallo!“ Der Kollege, der soeben zu mir in den Aufzug gestiegen war, hatte nur für einen Augenblick seine Aufmerksamkeit von seinem Smartphone abgewendet. „Wieder im Allerheiligsten? Ich dachte, du wärest in dieser Niederlassung in Dingsda?“

„Richtig, ich war in …“

„Ist ja toll. Und wie war das da so? Alles senkrecht in der Provinz?“ Irgendwie ließ er mich spüren, dass die Zentrale eben doch das Zentrum der Macht war. Aber ich war ein großer Junge!

„Wie geht es der Familie? Frau und Kinder wohlauf?“

Nun, dass konnte ich nicht so genau sagen, denn ich hatte weder Frau noch Kinder. Doch anscheinend war die Frage rhetorischer Natur, denn der Kollege sprach einfach weiter.

„Bitte richte ihnen Grüße aus.“

„Mach ich!“, versprach ich nassforsch und notierte mir das für meine Gattin in spe, sollte ich jemals zum Altar schreiten.

„Lass uns doch mal zum Lunch gehen.“, plauderte mein Gegenüber locker weiter. „Meine Assistentin ruft deine an und wir vereinbaren einen Termin.“

Die Aufzugstüre öffnete sich und mit einem kurzen Kopfnicken verabschiedete sich mein präsumtiver Gastgeber in die Weiten der zweiten Etage. Ich sollte nie wieder von ihm hören. Tatsächlich ist diese kurze Floskel eine der effizientesten Möglichkeiten, ein absolut oberflächliches Gespräch zwischen Arbeitskollegen höflich zu beenden. „Lass uns doch mal Essen gehen!“

Der Test

Das musste ich sofort ausprobieren. Ich drückte den Knopf der obersten Etage und fuhr los.

Der nächste Fahrgast stieg im 4. Stockwerk zu und entpuppte sich als der etwas schräge Leiter unserer Revision, der für Worte nicht viel übrig hatte und deswegen statt eines Grußes nur wortlos mit dem Kopf nickte.

„Guten Morgen!“, antwortete ich zuversichtlich.

„Frau, Kinder?“

Und noch während ich überlegte, ob dies nun eine Höflichkeitsfloskel oder ein Angebot war, seine eigene, ihm lästig gewordene Familie zu übernehmen, hatte mein Unterbewusstsein das Dilemma auch schon gelöst und meinen Daumen hochgehalten. Ganz nach dem Motto: alles gut, alles wunderbar!

„Lunch?“

Innerlich musste ich lächeln, denn der gute Mann nahm so gut wie nie ein Mittagessen zu sich. Zu groß war die Gefahr, während der Nahrungsaufnahme über Banalitäten und Persönliches eine Konversation führen zu müssen. Gleichwohl, mein erneutes „Daumen hoch“ meisterte auch diese tiefenpsychologische Klippe und signalisierte Zustimmung.

„Meine ruft ihre an.“, knurrte der Revisor missmutig und stieg in der siebenten Etage aus, nicht ohne mir noch mit einem beiläufigen Augenrollen quasi ein „adieu“ zu bedeuten.

Das klappte ja wunderbar. Waren wir Banker wirklich so durchschaubar? War uns die Stille in der Enge einer Liftkabine unangenehmer als die Aussicht auf eine beiläufige Verabredung mit einer zufällig vorbeikommenden Person?

Small Talk zum Dritten

Allein, mir blieb keine Zeit, die Hintergründe für dieses allzu menschliche Verhalten zu hinterfragen, denn schon stieg unsere Vertriebschefin zu, die für ihr sonniges Gemüt und einen nie enden wollenden, meist einseitigen Konversationsstrom bekannt war.

„Ja wenn das nicht Michel ist? Hallo, hallo! Ich grüße dich!“

Die unverblümt persönliche Ansprache, die nur leicht getrübt war von einer fernseherprobten Vertreterrhetorik, löste in mir eine gewisse Heiterkeit aus. Ich musste das mit den einstudierten Floskeln ebenfalls probieren.

„Ich grüße dich!“, feixte ich weltgewannt zurück, ganz so, als würde ich der Moderatorin eines Regionalsenders ein Interview zum Thema „Hätte ich doch besser mal die Treppe genommen“ geben.

„Gut, gut, gut!“, ratterte die Entertainerin herunter. „Frau und Kindern geht es sicher blendend!“, rief sie feststellend etwas laut in meine Richtung.

„Blendend!“, bestätigte ich, während ich mich langsam fragte, warum ich nicht tatsächlich verheiratet war und keine Familie hatte. Es wäre der alltäglichen Konversation im Sinne der Aufrichtigkeit zuträglich gewesen. Doch nun war es an der Zeit, den Spieß umzudrehen.

„Und bei ihnen? Der Gatte ist wohlauf? Die Kinder brav in der Schule?“

Aus sicherer Quelle wusste ich, dass unsere Vertriebschefin ein ungebundener Freigeist war, der nie erlaubt hätte, ihr perfekt gestyltes Penthaus mit ein Mann, geschweige denn mit Kindern – einem steten Hort der Unberechenbarkeit – zu teilen.

„Prächtig, prächtig.“, antwortete sie mir, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

„Grüßen sie doch bitte Micky Maus von mir.“ Ob sie wohl auf die Provokation einsteigen würde? Hatte ich da ein leicht enerviertes Zucken um die Mundwinkel gesehen? Egal. Wir hatten die oberste Etage erreicht.

Und noch während wir aus dem Lift stiegen, sagten wir beide gleichzeitig: „Lass uns doch mal Essen gehen.“

Quod erat demonstrandum!