Europäische Banken versuchen auf den zwei Großbaustellen SEPA Request-to-Pay und EPI auf Basis von Echtzeitüberweisungen neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Wie sind diese zu bewerten und abzugrenzen? Warum EPI aus europäischer Sicht kommen muss!

European Payment Initiative sucht neue Wege der Kartenzahlung

Die European Payment Initiative sucht neue Wege der Kartenzahlung.

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Schon im Februar 2019 konstatierte die EZB mit klaren Worten, dass man zwar schon seit vielen Jahren versuche, das Mastercard/Visa Duopol zu öffnen und die europäischen Banken zu ermutigen, ein paneuropäisches Scheme zu etablieren, es aber trotz eingeleiteter Maßnahmen (wie die MIF-Regulierung in den Augen der EZB), es nicht geschafft hat. So machen die beiden Karten-Schemes (je nachdem welcher Quelle man Glauben schenken mag) zwischen 60 und 80 Prozent aller Kartentransaktionen in der EU aus. Eigentlich auch nicht verwunderlich, da es kaum noch nationale Systeme wie das deutsche girocard-System gibt. Als letzte Möglichkeit hier noch ein etwas entgegenzusetzen, sah unter anderem das damalige EZB-Ratsmitglied Yves Mersch, die Echtzeitzahlungen als die europäische Chance etwas entgegenzusetzen: ein paneuropäisches Kartenzahlungssystem auf Basis von Echtzeitüberweisungen, das in Konkurrenz zu den bestehenden Kartenzahlungssysteme treten könnte.

Suche nach europäischer Payment-Souveränität

Ausdrücklich wurden die Banken von der EZB, den Zentralbanken und der Politik aufgefordert, die europäische Souveränität zu sichern bzw. wiederherzustellen. Grundsätzlich war es auch im Sinne der Banken, die Echtzeitüberweisungen für ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu nutzen und nicht durch die Infrastruktur als eine Art öffentlichen Gutes für alle zur Verfügung zu stellen, sondern auch durch geschickte Anwendung Erträge zu generieren und die Kunden wieder stärker an ihr Bankkonto zu binden.

Wie schon bei SEPA wurden durch den EPC erste Überlegungen angestellt (April 2019), wie man die Echtzeitüberweisungen geschickt für die Banken nutzen könnte – der SEPA Request-to-Pay (SRTP) war im Status Nascendi und das dazugehörige Regelwerk wurde Ende November 2020 veröffentlicht und trat Mitte Juni 2021 in Kraft. Verbindlich allerdings nur für die Banken, die es (freiwillig) nutzen und ihren Kunden anbieten wollen.

Im Vergleich zu anderen SEPA-Verfahren wurde ein beachtliches Tempo vorgelegt und so verwunderte es nicht, dass Ende November schon das Regelwerk in der 2.0 Versionierung veröffentlicht wurde, welches am ersten Juni 2022 in Kraft tritt. Hier wurden auf Basis einer Konsultationsphase und der bisherigen Erfahrungen zahlreiche Anpassungen vorgenommen, unter anderem auch der wichtige Aspekt eine verbindlichen Zahlungsgarantie für den Kreditor zu realisieren.

Wesen des SEPA Request-to-Pay

Mit dem definierten SRTP versuchen die beteiligten Banken einen digitalen Ringschluss von Rechnungsstellung und Zahlung zu verwirklichen indem beim elektronischen Versand einer Zahlungsaufforderung die für die Zahlung benötigten Informationen (z. B. Kontonummer des Empfängers, Betrag und die elektronische Rechnung selbst) in einem standardisierten Format ausgetauscht werden. Ein Ansatz, der bei durchgängigen elektronischen Abläufen zu signifikanten Effizienzgewinnen führt. Dieser neue Service könnte z. B. auf Echtzeitzahlungen basieren (nach dem Regelwerk aber nicht zwingend nötig) und damit das Bankkonto wieder stärker zum Dreh- und Angelpunkt machen. Wichtig ist hierbei, dass der EPC den SRTP nicht als neues, isoliertes Zahlungsmittel versteht, sondern es als ergänzenden Nachrichtenaustausch zu bestehenden Zahlungsverfahren definiert, über die letztlich die eigentliche Zahlung abgewickelt wird.

Zu beachten ist hierbei, dass es sich bei dem SRTP um einen europäischen Ansatz handelt, der insbesondere aus deutscher Sicht mit der Lastschrift in Konkurrenz steht. Betrachtet man die Zahlungsverkehrsstatistik der EZB so wird zum einen klar, dass Deutschland 68 Prozent mehr Lastschriften abwickelt als Überweisungen und von allen europäischen Lastschriften einen 52 Prozent Anteil inne hat – vor allem bei Dauerschuldverhältnissen. Betrachtet man jetzt noch die nächsten vier großen Lastschrifteinreicheländer (FR, ES, NL, I) so machen diese Länder mit Deutschland bereits mehr als 93 Prozent aller Lastschriften im Euro-Raum aus. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass es in den anderen verbleibenden Ländern keinen kreditorinduzierte(n) Zahlungseinzug/-aufforderung gibt – eine ganz andere Ausgangssituation für einen SRTP.

Der SRTP soll – wie von der EZB gefordert – auch bestehende Kartenzahlungssysteme ersetzen, indem z. B. am POS die Kasse die nötigen Zahlungsdaten auf das Mobiltelefon in die Banking-App des Kunden überträgt (BLE, QR-Code etc.; Schritt (1)). Dies resultiert in Folge in einer vorausgefüllten Echtzeitüberweisung (Schritt (2)), die der Kunden noch freigibt (Schritt (3+4)). Danach meldet die Kasse in wenigen Augenblicken den Geldeingang der Überweisung (Schritt (3+5) und der Kauf bzw. die Rechnungsstellung ist abgeschlossen.

Der Händler initiiert am POS eine SRTP-Zahlungsaufforderung, die der Kunde positiv quittiert und sogleich anweist und dann darüber von seiner Bank informiert wird.

Graue Theorie am POS oder doch grün?

Die große Herausforderung des SRTP resultiert dabei in der praktischen Umsetzung bzw. in zwingend zu beantwortenden Fragen (Auswahl!) der Umsetzung:

  • Wie kann eine europäische flächendeckende Verbreitung des SRTP sichergestellt werden – sowohl auf Banken- als auch Handels und Kundenseite? Selbst die Echtzeitüberweisungen haben noch keine hohe Marktdurchdringung – sowohl was die flächendeckende Erreichbarkeit als auch die Nutzung angeht. Aktuell werden Sie auch häufig im Vergleich zur normalen Überweisung preislich diskriminiert. Ggf. wird hier im Rahmen der neuen EU-Massenzahlungsverkehrsstrategie reguliert, aber dies dauert noch.
  • Wie kann eine im europäischen Einzelhandel standardisierte Kopplung inkl. sofortiger Statusbenachrichtigung und Zahlungsgarantie zwischen Händler und Kunden sichergestellt werden?
  • Wer zahlt die Implementierung im Handel und ist es mindestens so günstig/teuer wie die bisherigen Debit- und Kreditkartensysteme?
  • Wie kann man den gemeinen Endkunden davon überzeugen, sein gewohntes immer mehr kartenbasiertes (der Pandemie sei Dank) Bezahlverhalten zu ändern? Die meisten Kunden und Händler (!) haben kein Problem mit dem Bezahlen und könnten vermutlich nur schwer überzeugt werden via App zu bezahlen – warum sollten sie auch?
  • Warum sollte es jetzt marktgetrieben funktionieren? Man denke nur an das deutsche HIPPOS-Verfahren (händlerbasierte Instant Payments am POS, vom Grundprinzip ein sehr ähnlicher Ansatz zum SRTP am POS bzw. ein Déjà-vu Erlebnis), das Ende 2018 eine Zeit lang versucht hatte, sich dem Einzelhandel und den Banken zu empfehlen, aber letztlich dann mangels Durchsetzungschance dezent nicht weiterverfolgt wurde …

EPI – der weiße Ritter des Request-to-Pay?

Schon vor dem Versuch, mittels Echtzeitüberweisungen den amerikanischen Schemes entgegenzutreten, gab es vor Jahren schon Versuche (z. B. EAPS, Monnet und PayFair), die aber alle scheiterten. Parallel zur Entwicklung des SRTP haben Mitte Juli 2020 etliche Banken die Europäische Zahlungsinitiative (Euopean Payment Initiative, EPI) geboren und einen neuen Versuch gestartet, um ein in europäischer Zahlungssystem sowohl für den Online-Handel als auch für den stationären Handel (via physischer oder virtueller Karte) zu bauen, das die proprietären nationalen Lösungen (z. B. girocard oder Carte bancaire) ablöst und „perspektivisch“ weltweit nutzbar sein soll.

Vom Grundansatz versucht EPI ein Karten-Scheme analog der Kreditkartensysteme aufzubauen/zu kopieren. In der finalen Umsetzung soll die Zahlungsabwicklung auf Basis von Echtzeitüberweisung erfolgen. Für eine physische bzw. virtuelle Karte würde dies bedeuten, dass die Kasse an das Terminal eine Zahlungsanforderung (= Request-to-Pay) sendet, die dann mittels EPI-Karte autorisiert wird (= Auslösung einer Echtzeitzahlung).

Das charmante an so einer Lösung ist, dass die beteiligten Banken eine für den Kunden kaum wahrnehmbare Kartenmigrationen (zunächst via EPI-Co-Badging) durchführen könnten und das Bezahlen für die Nutzer wie gewohnt stattfindet. Die bestehenden Händlerterminals könnten, aktualisiert um eine Akzeptanz der EPI-Karten, weitergenutzt werden. Sind dann nach einer mehrjährigen Übergangsphase die Terminals und die Bankkarten auf EPI umgestellt, könnte dann auf ein Co-Badging verzichtet und die alten nationalen Verfahren abgeschaltet werden.

Somit kann dieser Zahlungsprozess in Analogie als ein Request-to-Pay bezeichnet werden (EPI Request-to-Pay). Der große Nutzen für die Banken wäre somit, dass sie nicht nur höhere Interchanges (0,2 Prozent, nicht verhandelbar und somit deutlich höher als bei der girocard) erhalten würden und gleichzeitig auch als Scheme-Mitbetreiber entsprechende Scheme-Entgelte vereinnahmen könnten.

Wird das Ganze dann noch geschickt mit weiteren Zusatzdienstleistungen gekoppelt wie eine nachträgliche Ratenfinanzierung à la Klarna oder N26 (mit attraktiven Zinsen) kann dies ein rundes Geschäftsmodell ergeben.

Fazit: Neues Geschäftsmodell auf Basis von EPI

Wie bei vielen solcher Markteinführungen sind jedoch hohe Startinvestitionen nötig, während sich die Erträge erst später einstellen. Aus europäischer Sicht bleibt somit zu hoffen und es ist auch der ausdrückliche Appell der nationalen und europäischen Politik, als europäische Kreditwirtschaft an EPI festzuhalten und die nötigen Mittel zu investieren. Nicht verwunderlich ist es auch, dass die Kreditkartenunternehmen versuchen werden, entsprechend gegenzusteuern: Abkündigung von Maestro und potenziell auch V-Pay, Versuch der massiven Ausrollung von Debit-Kreditkarten zulasten der girocard (DKB, Santander etc.) – „Nachtigall, ich hör dir trapsen …“.

Wird EPI weiterverfolgt, und aus europäischer Sicht muss dies geschehen, und entsprechend ausgerollt, dann würde dadurch ein Request-to-Pay-Geschäftsmodell entstehen. Allerdings nicht auf Basis des SEPA RTP des EPC, sondern auf Basis von EPI. SRTP könnte nach Klärung der obigen Fragen, in all den Ländern, die aus unterschiedlichen Gründen keine Lastschriften im breiten Stil nutzen, ein probates Mittel für Zahlungsempfänger sein, den Zahlungspflichtigen zum Bezahlen aufzufordern. Aber auch das wird nur dann funktionieren, wenn eine flächendeckende Verbreitung und Akzeptanz vorhanden ist und die nötigen Implementierungen in Banken möglichst einfach und standardisiert sind.