Für Banken hat sich der Lockdown als Intensivlehrgang zur Modernisierung erwiesen. Überraschend: Die Remote-Betreuung der Kunden funktionierte meist problemlos. Mit den Erfahrungen aus der Krise öffnen sich neue Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen.

Corona-Krise eröffnet neue Möglichkeiten für Banken und Sparkassen

Erfahrungen aus der Corona-Krise eröffnen neue Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen.

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Mit der häufig überstürzten Einführung von Remote-Arbeitsplätzen haben Banken ihre Back-Office-Systeme, Arbeitsmodelle, Kapazitätsprognosen und Sicherheitsprotokolle in Frage gestellt. Was selbst Banker überraschte: Die Kundenbetreuung aus dem Remote-Betrieb lief größtenteils erstaunlich reibungslos. Aber es offenbarte sich auch Anpassungsbedarf. So galt die Filiale bislang als wichtigste Kundenschnittstelle. Dieser Nimbus fiel im Zuge der Corona-Krise weg. Denn aufgrund der behördlich angeordneten Kontaktbeschränkungen mussten zahlreiche Zweigstellen vorübergehend schließen – und einige davon lassen ihre Türen für immer zu.

Vor allem die in den vergangenen Jahren bereits vereinzelt umgesetzten hybriden Beratungskonzepte machten sich dagegen bezahlt. Dabei wurden diese vornehmlich aus Gründen der Kostenersparnis umgesetzt. Dieser Trend sollte sich künftig verstärken, nicht zuletzt deshalb, weil viele Kunden die Alternativen zum Filialbesuch zu schätzen gelernt haben. Davon könnten auch Outsourcing-Partner profitieren, die zum Beispiel im Auftrag der Bank online oder offline Legitimations-Dienste bereitstellen.

Prozesse auf den Prüfstand gestellt

Die Zukunft der Bankberatung liegt damit klar im hybriden Ansatz. Ein persönlicher Besuch in der Filiale wird in Zukunft nur zur Klärung schwieriger Fragen notwendig, weil zum Beispiel die Komplexität im speziellen Fall für ein Online-Angebot zu hoch ist. Dabei werden die Systeme so vernetzt, dass der Berater mit dem Kunden an dem Punkt gemeinsam weitermachen kann, wo der Kunde zuvor gegebenenfalls online aufgehört hat. Diese Beratungs-Aufteilung lässt sich auch harmonisch mit einem hybriden Arbeitsmodell kombinieren. Bankangestellte könnten dann einen Großteil ihrer Zeit im Remote-Modell verbringen – was wiederum Sparpotenzial bei den Banken freisetzt.

Im Zuge der Kontaktbeschränkungen zeigte sich, dass auch in den Zentral- und Backoffice-Bereichen Prozesse auf den Prüfstand gestellt und die Digitalisierungsbemühungen weiter vorangetrieben werden müssen. Immer noch sind verschiedene Vorgehen und Regelwerke papierbasiert und von manuellen Tätigkeiten geprägt. Aber sobald Aktenordner zwischen Abteilungen herumgereicht werden, ist eine Bearbeitung vom Remote-Arbeitsplatz nicht möglich. Die Folge: Bankangestellte mussten zum Teil im Schichtarbeitsmodell arbeiten. Die Notfallplanungen der Banken waren schlicht veraltet, weil sich die Welt schneller gedreht hat als in den Szenario-Analysen vorgesehen.

Besonders deutlich wurde dies beim schleppenden Onboarding von Neukunden. Zahlreiche Banken kamen mit der Flut an Neuanträgen für ein Wertpapier-Depot gar nicht hinterher. Schon in normalen Zeiten wären die Angestellten von dieser Sonderkonjunktur überfordert gewesen, dies galt umso mehr für die verwaisten Büros während des Lockdowns. Denn solange in der Prozesskette eine persönliche Bestätigung oder sogar handschriftliche Unterschrift von Mitarbeitern benötigt wird, ist eine schnelle, automatisierte Bearbeitung von Kundenanliegen nicht möglich – egal ob Remote-Arbeitsplatz oder nicht.

Investitionen neu priorisieren

Die Corona-Pandemie hat die Banken zu schnellerem Handeln und einer Neubewertung der Investitionsvorhaben gezwungen. Zwar wurden auf dem Weg zum papierlosen Büro bereits wichtige Schritte gemacht, die nötige Konsequenz ließen die Banken bisher jedoch vermissen. Weil immer noch unklar ist, wie sich die Corona-Pandemie weiter entwickeln wird, sollten die Institute nun offensiver vorgehen. Vorrangig müssen Prozesse auf ihr Automatisierungspotenzial geprüft und überarbeitet werden, um so Kosteneffekte zu generieren und um die Vorteile einer weiterführenden Digitalisierung zu nutzen. Stichwort „Kostentransformation“ – nun gilt es, das Projektportfolio neu zu bewerten, zu priorisieren und mit den Einsparungen die Effizienz und Digitalisierung voranzutreiben. Das gilt auch für die Outsourcing-Partner. Denn der Lockdown zeigte schmerzlich, dass nicht alle von ihnen für die vereinbarten Leistungen eine ausreichende Remote- bzw. Digital-Leistungsfähigkeit besitzen.

Den aktuellen Krisenrufen zum Trotz sind die Banken nun jedoch in der komfortablen Situation, dass sie nicht zwingend ein großes Effizienz- oder Transformationsprogramm starten müssen. In den vergangenen Wochen wurden die Karten in vielerlei Hinsicht neu gemischt – und gleichzeitig an konkreten Punkten schnell umsetzbares Verbesserungspotenzial aufgezeigt. Die Institute müssen sich also nicht in einer Analysestudie verrennen, sondern können auf Basis der aus der Krise gewonnenen Erkenntnisse zügig loslegen und Ergebnisse erzielen.

Der Kunde ist bereit für Veränderungen

Abwarten ist die falsche Strategie, denn die Corona-Krise ist noch lange nicht gemeistert und die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Welle hoch. Die Schwachstellen sind identifiziert und müssen schnell beseitigt werden, um für einen erneuten Lockdown besser aufgestellt zu sein. Ebenfalls gut: Die Kundenerwartungen haben sich innerhalb kürzester Zeit grundlegend gewandelt. Viel mehr Menschen sind bereit, sich intensiv auf eine hybride Chat- oder Videoberatung einzulassen. Die Anziehungskraft der Filiale hat stark verloren – und davon wird sie sich vermutlich auch nicht mehr gänzlich erholen.


Dirk Ungemach-Strähle ist Koautor des Beitrags. Er ist Director bei der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung Cofinpro und setzt sich als Managementberater mit aktuellen Trendthemen auseinander. Er analysiert deren Chancen und Restriktionen und bewertet die Auswirkungen auf Geschäftsmodelle, Organisation, Prozesse und IT-Systeme von Finanzdienstleistern.