Die Welt erlebt pandemiebedingt gerade einen massiven Digitalisierungsschub, der sich auch im Kundenverhalten der Banken niederschlagen wird. Die Anforderungen der Kunden an das Retail-Banking in Sachen Digitalisierung dürften stark ansteigen.

Retail Banking unter dem Einfluss der Corona-Pandemie

Retail Banking unter dem Einfluss der Corona-Pandemie.

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Die Corona-Krise hat die Welt im Griff. Plötzlich entpuppen sich Themen, die vor der Krise noch als essenziell angesehen wurden, als obsolet oder rücken in den Hintergrund. Dennoch gilt es, nach vorne zu blicken und die Konturen der Welt „danach“ aufzuspüren. Eins erscheint hierbei sicher: Die Welt erlebt pandemiebedingt gerade einen massiven Digitalisierungsschub, der sich auch im Kundenverhalten der Banken niederschlagen dürfte.

Nachdem Bargeld zunehmend als potenziell virenverseucht angesehen wird, Home Office nach der Krise zu einer normalen Form des Arbeitens mutiert und sich Big-Tech-Firmen mit ihren stabilen Transaktions- und Liefersystemen als für die moderne Welt verlässlicher Spieler erwiesen haben, dürften die Anforderungen der Kunden an das Retail-Banking in Sachen Digitalisierung stark ansteigen.

Vorbild Asien

Der zu erwartende Anstieg der digitalen Kundenwünsche trifft in Europa auf Banken, die schon vor der Krise durch ein Niedrigzinsniveau und durch knappe Budgets für die Digitalisierung vor großen Herausforderungen standen. Umso wichtiger ist es nun, wichtige Trends (noch) besser zu verstehen und diesbezüglich strategische Entscheidungen zu treffen.

So unterschiedlich Menschen sind, so wichtig ist es, die Grundannahme zu treffen, dass beispielsweise in Asien gängige Kundenwünsche auf kurz oder lang auch von den europäischen Bankenkunden eingefordert werden: So schätzen laut Untersuchungen der Unternehmensberatung McKinsey asiatische Kunden ein Multikanalsystem: Die meisten Kunden nutzen zwei bis drei Verkaufskanäle während des Verkaufsprozesses. Gleichzeitig präferieren mehr als 60 Prozent aller Konsumenten in Asien eine Konsolidierung ihrer Kundenbeziehungen bei einem Dienstleister (wie z. B. Alibaba), um hierdurch einen bequemen und glatten Dienstleistungs- und Kaufprozess („Zero Friction“) in Anspruch nehmen zu können. Wichtiger als Preise und Zugang ist den asiatischen Kunden die Dienstleistungsqualität.

Der immense Erfolg integrierter Bezahlsysteme in den Social-Media-Angeboten der multifunktionalen „Super-Apps“ von WeChat Pay und Alipay in China bei deren Nutzern – effektiv läuft inzwischen der gesamte Zahlungsverkehr von Retail-Nutzern und Kleinunternehmen in China über diese Systeme – trotz der Existenz staatlich geschützter und geförderter Banken in China sollte den Banken auch in Europa zu denken geben.

Antizipation der „Generation Alpha“

Nicht zuletzt durch die Corona-Krise dürfte sich das Verhalten der Konsumenten und der Bankkunden damit rasant ändern. Hinzu kommt eine generationenbedingte Veränderung der Verhaltensweisen. Spätestens die auf die „Generation Z“ (geboren zwischen dem Jahr 1997 und 2012) folgende „Generation Alpha“ dürfte praktisch nicht mehr in Online- und Offline-Kategorien denken.

Die oben beschriebenen Super-Apps sind in dieser Konsumentenwelt Alltag; ebenso wie die Verwendung und der Umgang mit Robotern, Methoden der Künstlichen Intelligenz, der Virtuellen Realität sowie der Stimmenassistenz.

Eine große Bedeutung dürfte auch die „Gamification“ von Dingen und Prozessen haben – dies ist dem rasanten Einfluss virtueller Spiele geschuldet. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Generationen „Z“ und „Alpha“ ihre Wünsche nahezu verzögerungslos befriedigt bekommen wollen. Die Loyalität dieser Kundengruppe und vor allem deren Toleranz in Bezug auf das Nichtfunktionieren von digitalen Prozessen dürfte sehr gering ausgeprägt sein.

Die Zukunft ist Open Retail Banking

Vor diesem Hintergrund dürfte die Zukunft des Retail-Bankings das Konzept Open Banking sein. Unter „Open Banking“ ist ein Geschäftsmodell zu verstehen, bei dem Banken kooperativ miteinander digital vernetzt über Plattformen zusammenarbeiten, um Kunden die von diesen gewünschte „Zero-Friction-Multikanallösungen“ zu bieten.

Essenziell ist hierbei das Teilen von Bankdaten mittels Schnittstellen (APIs), um erweiterte Funktionen auf einem Marktplatz bereitzustellen. Open Banking impliziert hiermit die Öffnung von APIs an Dritte. Zu betonen ist hierbei, dass das durch Open Banking implizierte Geschäftsmodell des Banking-as-a-Service über Schnittstellen nicht den über die Richtlinie der PSD2 beinhalteten Zugang der Daten für Dritte meint, sondern die Öffnung von funktionalen APIs an Dritte.

Strategische Fragen

Jede Bank muss daher schnell sehr grundsätzliche Fragen beantworten:

  • Wo steht sie in der Wertschöpfungskette und in der sogenannten „Customer Journey“?
  • Will sie Nischen-Anbieter in einem fremden digitalen Wertschöpfungsnetzwerk („Ökosystem“) sein oder selbst den Bau eines eigenen Ökosystems versuchen?
  • Wie offen soll eine Bank vor dem Hintergrund des Open-Banking-Paradigmas sein?
  • Welche Schnittstellen sollen offen, welche geschützt sein?
  • Mit welchen Technologie-Partnern möchte die Bank Konzepte des „Beyond Banking“ umsetzen, also des Angebots von Dienstleistungen, die nichts mit dem traditionellen Bankengeschäft zu tun haben?

Entscheidend ist, dass sich eine Bank grundsätzlich die Frage stellt, ob Daten ein Kern-Asset für sie darstellen oder nicht.

Fazit: Drei Optionen für Banken

Banken haben nun drei Möglichkeiten:

  1. Banken können sich mit ihren Lösungen in eine Multi-Banking-Plattform integrieren.
  2. Banken können ein digitalisierungszentriertes Geschäftsmodell aufbauen.
  3. Banken können sich im Sinne einer „Bank 2.0“ komplett digitalisieren.

Für die meisten Banken dürften je nach Budget, IT-Legacy und Kunden die ersten beiden Lösungen die realistischsten sein. Unabhängig hiervon müssen alle drei möglichen Lösungen die Wünsche der Kunden nach einer Multi-Kanal-Erfahrung, einer Wertschöpfung über das Kriterium Preise hinaus und der Bequemlichkeit für den Kunden erfüllen.