Für Robo Advice wird weltweit wie auch hierzulande ein hohes Wachstum vorausgesehen. Über die aktuellen Entwicklungen und Trends sowie die zukünftigen Erfolgsfaktoren sprach ich exklusiv mit Matthias Hübner von Oliver Wyman.

Digitaler Trend: Robo Advice

Robo Advice liegt voll im Trend der Digitalisierung der Finanzdienstleistung
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Robo Advisory oder schlicht Robo Advice ist ein Trend, Geld- und Vermögensanlagen oder sogar ganze Vermögensverwaltungen zu automatisieren. Statt Menschen entscheiden Computer-Algorithmen über die Wahl der Anlage. Gegenüber konventionellen Angeboten der Vermögensanlage sind damit für Kunden in der Regel geringere Kosten und mehr Komfort verbunden, Anbieter erhalten einen Effizienzvorteil bei geringeren Anlagesummen.

Hohes Wachstum für Robo Advice erwartet

Laut einer Schätzung des Beratungsunternehmens Oliver Wyman zum Thema Robo-Advice ist weltweit ein hohes Wachstum abzusehen. 2020 könnte das verwaltete Vermögen 440 Mrd. US $ betragen. Schwerpunkt dürfte dabei die USA sein.

Hohes weltweites Wachstum von Robo Advice bis 2020

In Deutschland gibt es aktuell rund 20 Start-ups, die bereits 100 Millionen Euro verwalten. Bis 2020 könnte hierzulande das verwaltete Vermögen auf 30 Milliarden Euro steigen.

Die derzeit rund 20 Anbieter für Robo Advice in Deutschland weisen ein hohes Wachstum auf

Interview mit Matthias Hübner von Oliver Wyman über Robo Advice

Über die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen bei Robo Advice sowie die Erfolgsfaktoren für FinTechs und etablierte Banken habe ich ein Gespräch mit Matthias Hübner geführt. Er ist Partner bei Oliver Wyman in Frankfurt und betreut vorwiegend Mandate für Asset & Wealth Manager sowie Direktbanken in der EMEA-Region. Zu seinen Spezialthemen gehören Strategie, Wachstums- und Vertriebsinitiativen, Investmentstrategien für Kapitalanleger sowie das Operating Model der Zukunft (Plattformeffizienz, Digitalisierung, Skalierbarkeit).

Matthias Hübner ist Partner bei Oliver Wyman in Frankfurt.

Der Bank Blog: Robo Advice ist ja eines der Trendthemen im Rahmen der Digitalisierung der Finanzdienstleistung. Wie beurteilen Sie das Thema hinsichtlich der aktuellen Bedeutung und im Hinblick auf sein Entwicklungspotential?

Matthias Hübner: Robo Advice ist in der Tat ein spannendes Thema. Betrachten wir zunächst die inhaltlichen Aspekte von Robo Advice, dann können wir feststellen, dass Asset Manager damit nicht nur die Möglichkeit haben, ihre Leistungen digital zu vertreiben, sie haben vor allem einen direkten Zugang zum Kunden, ohne dass ein Intermediär zwischengeschaltet wäre.

Im deutschen Markt stehen diese neuen Möglichkeiten derzeit noch in einem Missverhältnis zu den ökonomischen Aspekten, wie Assets Under Management (AUM) sowie den Erträgen und Ergebnissen. Betrachten wir nur diesen ökonomischen Aspekt ist Robo Advice derzeit noch ein Nischenthema. Wir erwarten in den kommenden Jahren aber auch in dieser Hinsicht ein deutliches Zulegen.

Vor allem für den hybriden Ansatz, bei dem ein Berater mit ins Spiel kommt, sehen wir in Deutschland ein hohes Akzeptanz-Potential. Dabei muss die Beratung nicht zwingend in einer Filiale stattfinden. Denkbar sind z.B. auch Telefon, Video- oder Text-Chats.

Insgesamt muss man aber realistisch bleiben. Robo Advice wird die Welt der Finanzdienstleistung nicht revolutionieren, sondern – wie andere digitale Themen auch – evolutionär weiterentwickeln. Dabei bieten sich jedoch zahlreiche Chancen, vor allem für die etablierten Banken.

Ende 2017 wird  Robo Advice flächendeckend verfügbar sein

Der Bank Blog: Derzeit gibt es in Deutschland rund 20 Spezial-Anbieter von Robo Advice, überwiegend FinTech-Startups. Welche Erkenntnisse haben Sie über entsprechende Angebote etablierter Banken?

Matthias Hübner: Wir erwarten, dass bis Ende 2017 nahezu alle Banken, Asset Manager oder Versicherungen über entsprechende Lösungen in ihrem Sortiment verfügen werden. Einige werden diese selbst entwickeln, wie z.B. Union Invest mit Visualvest, andere werden entsprechende Partnerschaften und Kooperationen mit FinTech-Anbietern eingehen. Die Liste dieser Kooperationen ist heute schon recht lang, man denke nur an Deutsche Bank und Fincite, BlackRock und FutureAdvisor, Talanx und FinLeap oder Allianz Global Investors und Moneyfarm. FinTech-Anbieter wie Fincite haben B2B ja von Anfang an als ihr Geschäftsmodell betrachtet, während andere dies erst seit kurzem tun. Zudem mag es auch in Zukunft Banken geben, die einen Anbieter komplett übernehmen, so wie es Hauck & Aufhäuser mit easyfolio getan hat.

Time-to-Market ist das entscheidende Argument für FinTech-Kooperationen

Der Bank Blog: Was halten Sie für interessanter: Kooperation oder Eigenentwicklung?

Matthias Hübner: Das hängt maßgeblich davon ab, wie die IT eines Instituts aufgestellt ist. Eine moderne Lösung muss Kunden ansprechen sowie intuitiv und bedienerfreundlich sein. Viele Banken verfügen aber nicht über das notwendige interne Know-how, um eine entsprechende Frontend-Lösung selbst zu entwickeln. Hinzu kommt das Ressourcenproblem, da die meisten Institute schon durch regulatorische Anforderungen und andere bestehende Projekte für die nächsten 12 bis 18 Monate ausgelastet sind.

Ein starkes Argument für Kooperationen ist „time-to-market“. Auch wenn Robo-Angebote aus heutiger Sicht nicht zeitkritisch sind, sollte man sicherlich vermeiden, als letztes Institut auf den Zug aufzusteigen.

Ein Kauf macht in vielen Fällen weniger Sinn. Assets und Kundenbasis der Robo-Anbieter sind aktuell noch niedrig und die dahinter stehende Technologie alleine kann man im Zweifel besser für weniger Geld nachbauen.

Robo Advice hat eine strategische Relevanz

Der Bank Blog: Sie prognostizieren bis 2020 eine jährliche Verdreifachung des Volumens alleine für rein digitale Modelle. Hinzu kommen die hybriden Modelle. Gleichwohl wird der Marktanteil von Robos im Retail Asset Management auch in 2020 deutlich unter fünf Prozent liegen. Machen wir zu viel Hype um das Thema?

Matthias Hübner: Da muss man schauen, woher wir kommen: Der Kanal-Mix im deutschen Fondsvertrieb ist für das Privatkundensegment in den letzten Jahrzehnten nahezu unverändert geblieben. So gesehen ist eine Verschiebung um zwei bis fünf Prozent innerhalb von drei bis vier Jahren schon eine signifikante Veränderung.

Hinzu kommt die strategische Relevanz, vielleicht weniger für die Startups, als vielmehr für die etablierten Anbieter. Zum einen gilt es, junge, digital affine Kunden mit hohem Potential an einer Abwanderung zu hindern. Zum anderen sollte man die nachwachsende Generation beim Thema Geldanlage früh abholen und mitnehmen. Wir reden hier über langfristige Begleitung und Kundenbindung, beginnend beim Berufseinstieg bis hin zur Rente.

So gesehen wird das wahre Potential von Robo Advice erst nach 2020 wirklich vollständig zum Tragen kommen. Die Saat muss aber frühzeitig ausgebracht werden, um dann die Ernte einfahren zu können.

Im zweiten Abschnitt beschreibt Matthias Hübner die zunehmende Bedeutung von Robo Advice, die Auswirkungen auf die Preise im Wertpapiergeschäft und die Konsequenzen für die etablierten Banken.


Mensch und Maschine im Banking: Gegensatz oder Ergänzung?

Derzeit gibt es noch kein typisches Kundenmuster

Der Bank Blog: Wie beurteilen Sie die Relevanz von Robo Advice für unterschiedliche Zielgruppen (Retail, Affluent, HNWIs, UHNWIs)?

Matthias Hübner: Interessanterweise lässt sich bei den aktuellen Kunden von Robo Advice noch kein stringentes Muster erkennen. Sie entstammen nahezu allen der genannten Kundengruppen. Das ursprünglich häufig zu hörende Plädoyer für eine „Demokratisierung der Geldanlage“, indem Robo Advisor Kunden Anlagemöglichkeiten bieten, die für diese bislang nicht zugängig waren, greift bislang nicht.

Auch für die Kunden von Private Banking und Wealth Management werden digitale Zugangskanäle immer wichtiger werden. Dabei haben Robo Advisor aber sicherlich nicht die erste Priorität. Eher stehen Tools zur aktuellen Information über die Vermögensanlage in Vordergrund. Die persönliche Betreuung wird hier weiterhin an erster Stelle stehen.

Die höchste Bedeutung für Robo Advice Angebote ergeben sich im Geschäft mit Retail und Affluent Kunden. Zumal sich für die Banken in diesen Segmenten der Vorteil einer höheren Kosteneffizienz ergibt, da die dahinter liegenden Prozesse weitgehend standardisierbar werden.

Robo Advice wird vor allem in einem hybriden Ansatz Bedeutung erlangen

Der Bank Blog: Im Markt existieren mit B2C, B2B und B2B2C drei unterschiedliche Ansätze für Robo Advice. Zudem ist der Leistungsumfang der vorhandenen Anbieter sehr unterschiedlich. Während einige im Wesentlichen nur eine Struktur für die Einmalanlage abbilden, bieten andere schon beinahe eine echte Vermögensverwaltung an. Welche Modelle sind die erfolgreich(er)en?

Matthias Hübner: Für den deutschen Markt gilt traditionell das Motto „Fonds werden nicht gekauft, sondern verkauft“. Nur wenige deutsche Privatanleger sitzen zu Hause auf ihrem Sofa und überlegen, welchen Fonds sie sich denn heute zur Sicherung der Altersvorsorge kaufen sollen. Die meisten benötigen dazu einen Berater, zumindest aber einen Sparringpartner, der sie auf das Thema anspricht. Daher bin ich skeptisch, dass sich bei uns überhaupt ein signifikanter rein digitaler B2C-Markt entwickeln wird. Wenn, dann werden dort die etablierten Anbieter, schon alleine aufgrund ihres Kundenstamms und ihrer Markenbekanntheit, die Nase vorn haben. Ob es überhaupt ein FinTech schaffen wird, mittels B2C eine kritische Masse an Kunden aufzubauen, ist fraglich.

Gute Chancen für FinTechs sehe ich eher im Eingehen von Kooperationen mit etablierten Anbietern die eine entsprechende Nachfrage in ihrem Kundenstamm generieren können („Robo-as-a-Service“), aber nicht selbst über die entsprechende Technologie verfügen. Hier bietet sich nicht nur der digitale Vertrieb an, sondern auch die Integration in die persönliche Beratung. Erfolg werden diejenigen Startups haben, denen es gelingt, nicht nur ihre Software zu verkaufen, sondern auch am Erfolg zu partizipieren.

Der Bank Blog: Wohin geht die Reise bei Robo Advisory? Wird Robo Advice die klassische individuelle Vermögensverwaltung ersetzen?

Matthias Hübner: Ich sehe Robo Advice ganz überwiegend nicht als Ersatz sondern als Ergänzung. Die überwiegende Mehrheit der Kunden wird nach unserer Erwartung hybride Modelle nachfragen. Robo Advice wird damit zu einer wichtigen Ergänzung der Leistungspalette, ohne die anderen Komponenten überflüssig zu machen.

Gleichwohl wird es Robos geben (und gibt es z.T. bereits), die ihr Angebot über ETFs und aktiv gemanagte Fonds hinaus weiterentwickeln und z.B. Alternative Assets integrieren.

Der Preisdruck im Retail Banking wird zunehmen

Der Bank Blog: Welches sind die strategischen Erfolgsfaktoren für einen Robo Advisor?

Matthias Hübner: Bislang sind Robo Advisor vor allem Silo-Lösungen. Anleger testen Robos derzeit mit einem Teil ihres Vermögens. Was fehlt, ist eine Verknüpfung mit dem normalen Depot des Anlegers oder mit seinem Konto. Zusammen mit PSD2 wird es nochmal einen starken Auftrieb für das Thema Kontoaggregation geben, zumal Kunden durchaus nach Transparenz streben und den Wunsch haben, ihre Finanzen von einem Ort aus einsehen und verwalten zu können. Die nächste Generation von Robo Advice wird daher noch viel stärker mit den anderen Lösungen und Bankleistungen verzahnt sein, die der Kunde nachfragt.

Ein weiterer Aspekt ist das Pricing. Im internationalen Vergleich sind die Preise für Robos bei uns noch relativ hoch. Wir erwarten hier Anpassungen nach unten. Zumal auch Druck durch die Regulierung aufkommen wird, wie die Entwicklungen in den USA (DOL Rule) oder UK (FCA: Value for Money) zeigen. Preise und Provisionen im Privatkundengeschäft werden in der Folge weiter sinken.

Robo Advice lebt u.a. davon, günstiger zu sein, als andere Angebote im Bereich Vermögensanlage und insofern wird ein Druck auf deren Preise auch auf Robo-Lösungen durchschlagen.

Wichtig für alle Anbieter ist die durchgängige Digitalisierung nicht nur im Frontend sondern auch im Backend. Einige FinTechs setzen dort noch auf Papier; das wird sicherlich kein Erfolgsfaktor der Zukunft sein.

Tempo für Vorteile im Wettbewerb

Der Bank Blog: Wer wird bei Robo Advice am Schluss gewinnen? FinTech oder etablierte Institute?

Matthias Hübner: Für FinTechs wird es schwierig, da sie keinen Vertrauensvorschuss haben und ihnen Markenbekanntheit, Kundenbasis und Kapitalkraft fehlen bzw. erst mühsam und teuer aufgebaut werden müssen. Auch bei der digitalen Vermögensverwaltung wird der größte Teil bei den etablierten Instituten liegen. Allerdings wird es dort zu einer Umverteilung kommen. Diejenigen Institute, die sich schneller bewegen und proaktiv überzeugende Lösungen an den Markt bringen haben gute Chancen, davon zu profitieren und ihren Marktanteil zu erhöhen.

Der Bank Blog: Herzlichen Dank für das Gespräch.