In den letzten Tagen bin ich über eine Prognose gestolpert, die für die nächsten fünf Jahre eine deutliche Verlagerung der Zugangswege von US-amerikanischen Privatkunden zu ihren Banken in Aussicht stellt. Demnach soll der filialbasierte Vertrieb deutlich an Bedeutung verlieren und die Priorität der Zugangswege im Jahr 2015 wie folgt aussehen:

  1. Mobil
  2. Internet via PC
  3. SB-Geräte
  4. Service Center via Telefon
  5. Filialen

Sicher lassen sich amerikanische Verhältnisse (wie so oft) nicht eins zu eins auf den deutschen Markt übertragen. So fällt z.B. auf, dass mobile Vertriebsformen überhaupt keine Berücksichtigung finden. Aber die Argumente, die hinter dieser Prognose stehen, gelten auch bei uns:

Partner des Bank Blogs

  • Verändertes Kundenverhalten hin zur Internetnutzung
  • Weniger Zeit zur Erledigung von Bankgeschäften
  • Steigende Erfahrungen der Bankkunden mit neuen Zugangswegen
  • Technologischer Fortschritt, auch in Sicherheitsfragen

Mich interessiert an dieser Stelle, ob zumindest der Trend in Bezug auf die Filialen als Zugangsweg stimmt.

Im Frühjahr 2000 prognostizierte Mummert und Partner „Die Hälfte aller Bankfilialen in Deutschland werden bis im Jahr 2010 geschlossen.“ Ein Blick in die tatsächliche Entwicklung zeigt, dass die tatsächliche Zahl nur bei etwas über 30 Prozent lag. Vielmehr ist die Zahl der Bankfilialen seit 2006 insgesamt sogar nahezu unverändert geblieben, in einigen Bereichen konnten sogar Neueröffnungen beobachtet werden.

Einer Studie aus dem Sommer 2009 zeigt für den qualifizierten Vertrieb ein ambivalentes Bild. Zwar sagen 68 Prozent, dass der stationäre Vertrieb meistgenutzt bleibt, andererseits sehen 59 Prozent einen weiteren Rückgang der Zahl der Bankfilialen voraus. 77 Prozent sehen den Multikanalvertrieb stärker in den Vordergrund treten.

Die Euphorie der Zusammenlegungen und Schließungen von Filialen, die vor 10 Jahren noch herrschte, ist auf jeden Fall verpufft. Den Kostensenkungen durch die Filialschließungen steht mittlerweile die Erkenntnis gegenüber, dass die Schließungen zumindest regional zu Marktanteilsverschiebungen geführt haben, die auch der Multikanalvertrieb nicht verhindern konnte. Dort, wo aus Kostenüberlegungen Filialstandorte in Frage gestellt werden, sind inzwischen neue Öffnungszeitenmodelle eine häufige Alternative.

So konstatiert zwischenzeitlich auch Mummert (Branchenkompass 2009 Kreditinstitute), dass die Filiale als klassischer Vertriebskanal weiterhin im Fokus bleibt. Im Jahr 2009 nutzten immerhin 86 % der Befragten diesen Vertriebsweg. Nach einer TNS-Infratest-Befragung aus dem letzten Jahr haben 9 von 10 Befragten in den letzten 14 Tagen eine Bankfiliale besucht. Interessanterweise jüngere genauso wie ältere.

Einige Banken gehen sogar in die Offensive und erweitern ihr Filialnetz. Beispiele sind die BBBank oder Sparda-Banken. Aber auch die Commerzbank hat vor zwei Jahren öffentlich verkündet, dass sie massiv in neue Filialen investieren will. Im Zuge der Fusion mit der Dresdner Bank haben sich die Prioritäten allerdings wie es scheint verschoben.

Für die Zukunft sehe ich zwei grundlegende Entwicklungstendenzen:

  1. Die Beratung wird durch die Möglichkeiten des Internets ortsunabhängiger und  ungebundener.
  2. Im Gegenzug steigt allerdings der Wunsch der Kunden nach persönlicher, qualitativ hochwertiger Betreuung.

Vor allem im beratungsintensiven Geschäft zählen Kundennähe, Service und Qualität, wie sie nur durch Filialen gewährleistet werden können. Die Banken tun daher gut daran, diesen Vertriebsweg nicht zu vernachlässigen, sondern vielmehr konsequent nach Möglichkeiten zu suchen, ihn durch geeignete Investitionen mit Attraktivität zu beleben.