Schnellere Finanzsimulationen und bessere Lösungen für Portfoliooptimierung sind potenzielle Anwendungen, die Quantencomputing für die Finanzbranche interessant machen. Für den effizienten Einsatz, benötigt man nicht nur Hardware, sondern auch qualifizierte Fachkräfte.

Quantencomputing ist für die Finanzbranche interessant

Es gibt viele Faktoren, die Quantencomputing für die Finanzbranche interessant machen.

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Der offizielle Start des ersten, kommerziell genutzten Quantencomputers in Europa, IBM Quantum System One, hat diese Technologie für viele Branchen erneut in den Fokus gerückt. Und auch wenn sie für die Finanzdienstleistungsbranche aktuell noch keinen praktischen Nutzen hat, machen mögliche Anwendungen wie Handelsoptimierung und Risikoanalyse sie doch heute schon interessant. Da überrascht es wenig, dass sich einige Finanzinstitute bereits heute mit dem Thema befassen.

Die Ersten sind bereits am Start

Wenn es darum geht, Muster zu finden, Klassifizierungen durchzuführen, Vorhersagen zu treffen und kombinatorische Probleme zu lösen, stoßen konventionelle Computer mehr und mehr an ihre Grenzen. Experten gehen daher davon aus, dass die Quantentechnologie hier künftig ihre Stärken ausspielen und damit unter anderem Finanzdienstleistern einen klaren Wettbewerbsvorteil verschaffen kann. Das sehen auch Branchenvorreiter wie Barclays, JPMorgan Chase und Goldman Sachs so und experimentieren mit der Technologie.  Quantenforschungsteams von Goldman Sachs und IBM befassen sich zum Beispiel mit ersten detaillierten Schätzungen der benötigten Ressourcen, um einen Quantenvorteil bei der Bepreisung und Risikoanalyse von Finanzderivaten zu erzielen. Die Beschäftigung mit Derivaten ist ein vielversprechender Ausgangspunkt. Jedes Jahr werden weltweit enorme Summen an Derivaten gehandelt. Der Wert eines Derivatkontrakts hängt davon ab, wie sich der Preis eines oder mehrere seiner Basiswerte – wie Futures, Optionen, Aktien, Währungen oder Rohstoffe – im Laufe der Zeit verändert. Die Fähigkeit, das jedem dieser Verträge innewohnende Risiko genauer oder schneller zu bewerten, hätte große Auswirkungen auf die Finanzdienstleistungsbranche.

Quantencomputer könnten dort weitermachen, wo aktuelle IT-Systeme an ihre Grenzen stoßen. Wenn es zum Beispiel darum geht, potenzielle Szenarien und Anlageoptionen umfassender zu simulieren, um so genauere Renditeschätzungen zu ermöglichen und letztlich wertvolle Hinweise für die Portfoliodiversifizierung zu liefern. Oder wenn es darauf ankommt, präzisere Ergebnisse für die Betrugserkennung zu ermöglichen.

Abwarten oder einsteigen – beides erfordert etwas Mut

Wer von den Möglichkeiten des Quantencomputings profitieren will muss vorbereitet sein. Das gilt einerseits für die technologische Basis, andererseits für den Aufbau von Know-how. Doch vor allem steht die klare Entscheidung für ein Engagement in diesem Bereich. Dafür müssen im Wesentlichen drei Fragen gestellt und beantwortet werden:

  • Welche möglichen Anwendungsfälle des Quantencomputings könnte das jeweilige Finanzdienstleistungsunternehmen am besten nutzen?
  • Sollte das Institut in Quantencomputing direkt, also im Alleingang oder im Rahmen eines Ökosystems investieren?
  • Was sind die potenziellen Opportunitätskosten, wenn nicht mit der Erforschung des Quantencomputings begonnen wird?

Schon die Beantwortung der ersten Frage ist oft gar nicht so einfach. In vielen Fällen fehlt den Mitarbeitern nämlich das Basis-Know-how, um eine Vorstellung davon zu haben, wo ein Quantencomputer ihrem Unternehmen potenziell helfen könnte und wo nicht. Aber kein Unternehmen steht alleine vor dieser Herausforderung – was direkt zur zweiten Frage führt. Der einfachste Einstieg in die konkrete Beschäftigung mit Quantencomputing ist die Zusammenarbeit in einem Ökosystem wie dem IBM Quantum Network. Gemeinsam mit anderen etablierten Unternehmen, Start-ups, akademischen Partnern und nationalen Forschungslaboren lassen sich Quantencomputing-Lösungen für Finanzdienstleistungen oft schneller entwickeln. Die dritte Frage kann nur von Fall zu Fall individuell beantwortet werden. Es lässt sich aber leicht vorstellen, was ein technologischer Vorteil wie Quantencomputing in einem so hochgradig kompetitiven Umfeld wie dem Finanzdienstleistungssektor bedeuten kann.

Wie auch immer die Entscheidung aussieht, wichtig ist, dass die C-Suite des Unternehmens über das Thema Quantencomputing sprechen kann, denn Kunden und Investoren werden eher früher als später danach fragen.

Jede Technologie ist nur so gut, wie ihre Nutzer

Der Anschluss an ein Ökosystem kann für ein Unternehmen ein Weg in die Praxis des Quantencomputings sein. In einem solchen Umfeld sind erste Schritte einfacher umzusetzen, wie etwa das Experimentieren mit verfügbaren Quantencomputern, klassischen Simulationen und Open-Source Quantum Computing-Frameworks mit Lernmaterial und gebrauchsfertigen Algorithmen und Applikationen. Allerdings fehlen in vielen Unternehmen trotzdem die geeigneten Mitarbeiter, um Quantencomputer zu programmieren und zu nutzen –  und dazu gehören nicht nur Physiker und Programmierer, sondern zum Beispiel auch Branchenexperten. Es gilt, mit dem richtigen Experten-Mix rechtzeitig Kompetenz aufzubauen. Das kann durch Integration entsprechender Anforderungen in die Jobprofile neuer Mitarbeiter erfolgen aber auch über die Förderung interessierter Mitarbeiter.

Wenn es darum geht, Quantencomputer außerhalb der Physiklabore effizient einzusetzen, brauchen wir auch geeignete Spezialisten für die Programmierung. Da diese sich grundlegend von der Programmierung eines konventionellen Computers unterscheidet, ist die Lernkurve dafür selbst für IT-Profis steil. Hier bietet IBM die jährliche Qiskit Global Summer School an, eine kostenlose Fortbildung zum Thema Quantumcomputing mit je über 5000 Teilnehmern. Die technologische Basis dafür ist Qiskit, ein von IBM entwickeltes Open-Source Software Development Kit für die Arbeit mit Quantencomputern. Fokus der diesjährigen Summer School war – neben einer Einführung in die Grundlagen des Quantencomputing – der Einsatz von Quantencomputern im Bereich maschinelles Lernen. Die Teilnehmer lernen die neuesten Algorithmen mit Hilfe von Simulationen und Hardware kennen und implementieren sie, und bauen damit das Know-how für morgen auf.

Wer sich jetzt bewegt, bestimmt die Richtung

Obwohl die Technologie noch nicht bereit ist für den produktiven Einsatz, gibt es gute Gründe, sich bereits jetzt damit zu beschäftigen. Wer rechtzeitig in die Entwicklung einsteigt, hat die Möglichkeit, Standards mitzugestalten und damit die Richtung vorzugeben. Der Grundstein für Anwendungen und Algorithmen wird jetzt gelegt. Noch ist ein „maßgeschneiderter“ Einstieg möglich, allein oder im Rahmen von Ökosystemen, mit dem sich die Weichen für zukünftige Wettbewerbsvorteile stellen lassen.