Banken müssen bei neuen Produkten aufsichtsrechtliche Anforderungen im Risikomanagement erfüllen. Ziel ist es, die Innovationen und ihre Risiken zu verstehen, bevor sie auf den Markt gelangen. Das hat Auswirkungen für Banken und deren Partner.

Geschwindigkeit der Markteinführung bei regulierten Finanzprodukten

Geschwindigkeit der Markteinführung ist bei regulierten Finanzprodukten kein einfaches Thema.

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In einer Zeit, in der Geschäftsmodell- und Technologie-Innovationen auch für Banken quasi Tagesgeschäft sind, müssen sie überlegen, wie sie die Vorgaben der Bafin für den Umgang mit Innovationen berücksichtigen. . Der Neu-Produkt-Prozess (NPP) – vorgeschrieben durch die MaRisk, die Mindestanforderungen an das Risikomanagement – definiert Leitplanken, wie neue Produkte zu entwickeln oder neue Märkte anzugehen sind. Dabei wirkt er als Innovationhürde, sorgt aber – wenn richtig verstanden und durchgeführt – auch dafür, dass sich die Qualität von Innovationen verbessert. Sofern aufsichtsrechtlich alles richtig gemacht wird und der Prozess hinreichend schnell abläuft, gehört ein effizienter NPP zu den wichtigen Werkzeugen erfolgreicher Banken.

Die Finanzaufsicht möchte Banken mit dem NPP dazu bringen, dass sie die Innovationen und ihre Risiken verstehen, bevor sie diese auf den Markt bringen. Sie sind verpflichtet, ein Konzept zu erarbeiten, aus dem die Risiken des neuen Produkts oder Services, deren Auswirkungen auf das Gesamtrisikoprofil des Hauses und die Konsequenzen für das Risikomanagement hervorgehen. Dabei sind sowohl die Fachbereiche, die später in die Abläufe involviert sind, als auch die Abteilungen für Risikocontrolling, Compliance und interne Revision einzubinden. Bei Handelsprodukten ist darüber hinaus eine Testphase einzuplanen. Die MaRisk schreibt dabei zwar vor, dass es einen dokumentierten NPP geben muss, aber nicht, wie dieser im Detail auszusehen hat.

Schnelle Realisierung von Innovationen als Ziel

Für die Innovationsumsetzung in regulierten Häusern ist der NPP eine Herausforderung, der den Umsetzungsaufwand und den Time-to-Market unabhängig vom Geschäftsmodell signifikant erhöht. Das bringt eine Innovationsverzögerung mit sich. Für Banken, deren Geschäftsmodell vor allem in der Umsetzung von Innovationen mit und für unregulierte Partner wie FinTechs und andere digitale Unternehmen besteht, kommt hinzu, dass die unregulierten Partner für die NPP-gebremste Realisierung gemeinsamer Projekte nur begrenzt Verständnis haben. So sind erhebliche Moderationsanstrengungen nötig, um das FinTech-Tempo und die aufsichtsrechtlich korrekten Prozesse innerhalb von Banken zu synchronisieren.

Methoden wie Lean Startup, Design Thinking oder Agilität stehen teilweise im Gegensatz zu den vorgeschriebenen Innovationsabläufen der MaRisk. Diese Praktiken zielen immer darauf ab, erste Produktversionen sehr schnell zu entwickeln, auf den Markt zu bringen und aus dem Kundenfeedback zu lernen und das Produkt in iterativen Zyklen zu verbessern. Dies verträgt sich auf den ersten Blick nicht mit dem Konzept, dass zuerst ein fertiges Produkt existiert, für das dann der NPP durchlaufen werden muss.

Freiheiten im Neu-Produkt-Prozess nutzen

Zwar fordert die MaRisk den NPP als dokumentiert absolvierten Prozess, gleichwohl überlässt sie den Banken seine Gestaltung. Darüber hinaus beschreibt sie auch ausdrücklich Erleichterungen auf dem Weg zum Markt, die genutzt werden können: So dürfen Geschäftsleiter die Entscheidung delegieren, ob ein Produkt in die laufende Geschäftstätigkeit aufgenommen wird. Die involvierten Organisationseinheiten können auf ein Konzept verzichten, wenn sie der Meinung sind, sie könnten die „Aktivitäten in einem neuen Produkt oder einem neuen Markt sachgerecht handhaben“.

Lösungen, die schnellere Innovationszyklen und effizientere innovative Kooperationen mit FinTech-Partnern erlauben, bieten sich an, wenn der NPP nicht mehr als gesondertes Verfahren verstanden wird, sondern als integrierter Bestandteil jeder Neuentwicklung in regulierten Häusern. Dies ist einfacher möglich als gemeinhin angenommen, weil er nicht viel mehr verlangt wird, als ohnehin bei einem vernünftigen Innovationsumsetzungsprozess operativ geboten ist.

Risiken schon beim Produktdesign berücksichtigen

Integriert heißt, dass schon in der Produktdesign-Phase etwa beim Design-Thinking das Risikoprofil eines Produkts genauso berücksichtigt wird wie die Persona als Zielgruppen-Verkörperung für das Produkt. Wird die Risikokomponente in den Entwicklungsphasen entsprechend mitgedacht und erfasst, sollte sich für jedes neue Produkt das NPP-Konzept fast von selbst ergeben. Da bei agilen Methoden mit crossfunktionalen Teams gearbeitet wird, sind Fachabteilungen, Risikocontrolling, Compliance und interne Revision, soweit es ihre aufsichtsrechtlich definierten Aufgaben erlauben, bereits eingebunden.

Zusätzlich sollten die NPP-Abstufungen, die die MaRisk erlaubt, konsequent angewendet werden. Dazu gehören eindeutige risiko- und aktivitätenbasierende Kriterien, ab wann ein Konzept für ein neues Produkt oder einen neuen Markt notwendig ist und bis wann die Organisationseinheiten beschließen können, dass die neuen Aktivitäten unter Berücksichtigung der ermittelten Risiken für sie kompetent managebar sind. Ebenso dazu gehören klare Regeln bezüglich der Geschäftsaufnahme. So muss für den ersten Produkteinsatz mit Pilotkunden und begrenzten Risiken nicht in jedem Fall die Geschäftsleitung entscheiden, ob das Produkt den Pilotkunden angeboten werden darf.

NPP zur Optimierung der Innovationsqualität nutzen

Insgesamt sollten sich die aufsichtsrechtlichen Zusatzaufwände für die Realisierung von Innovationen auf ein vertretbares Maß reduzieren sowie NPP-Forderungen und aktuelle Innovationsmethoden harmonisieren lassen. So wird der NPP zu einem Element, das die Qualität von Innovationen signifikant verbessert.

Die Innovationszyklen beschleunigen aktuell immer weiter. Banken müssen diesen Zyklen folgen, wollen sie nicht durch Technologieunternehmen abgehängt werden. Effiziente und schnelle Innovationsprozesse, die gleichzeitig die aufsichtsrechtlichen Anforderungen berücksichtigen, sind deshalb unbedingt notwendig. Dazu haben sich zuletzt einige innovationsfreudige Häuser zusammengetan, die die Erfahrungen und Optimierungspotenziale von NPP-Formen mit dem Ziel diskutieren, Standards in diesem Sinne zu entwickeln.


Der Beitrag erschien als Teil des Jahrbuchs 2019/20 des Vereins Finanzplatz Hamburg e.V.. Das Jahrbuch können Sie hier herunterladen oder als Hardcopy bestellen.