Viele sehen in Bankfilialen einen sterbenden Vertriebskanal. Doch eine aktuelle Studie zeigt: Trotz steigender Zahlen für Online Banking nutzen drei Viertel der Bankkunden weiterhin Geschäftsstellen und besuchen diese häufiger als gedacht.

Aktuelle Trends, Studien und Research über Retail Banking

Das klassische Retail Banking, also das Geschäft mit der Mehrzahl der privaten Kunden, befindet sich in einem tiefgreifenden Prozess der Veränderung. Verändertes Kundenverhalten, intensiver Wettbewerb, die Digitalisierung und andere Faktoren führen zu einer stetigen Verengung der Margen und stellen Banken und Sparkassen zunehmend vor neue Herausforderungen. Studien zu den neuesten Trends und Entwicklungen und wie darauf reagiert werden kann finden Sie im Bank Blog.

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Jedes Mal freue ich mich ganz besonders auf die alljährliche Bitkom-Studie zur Digitalisierung der Finanzbranche. Zum einen ob der Vielfalt an interessanten Informationen zur Entwicklung und Nutzung unterschiedlicher Vertriebskanäle im Retail Banking, zum anderen, weil Bitkom als Branchenverband der Digitalindustrie vollkommen unverdächtig ist, die Bankfiliale zu loben. Zudem bietet die Studie eine der seltenen Gelegenheiten, Entwicklungen im Zeitverlauf zu betrachten, was in vielen anderen Studien aufgrund wechselnden Studiendesigns meist nicht möglich ist.

Mit Interesse verfolge ich dann die allgemeinen Veröffentlichungen unter dem Motto „Online Banking Nutzung steigt“. Da ist zwar richtig, aber nur die halbe Wahrheit. Hier nun die ganze, die sich einem nur erschließt, wenn man die Zahlen hinterfragt und neu sortiert.

Online Banking Nutzung steigt leicht an

Zunächst zur Nutzung von Online Banking: Gegenüber dem Vorjahr stieg der Anteil der Befragten, die Online Banking nutzen von 70 Prozent um drei Prozentpunkten leicht an auf insgesamt 73 Prozent.

Der Wert ist – wie immer – mit Vorsicht zu genießen. Der Bankenverband hat für 2020 einen Wert von 64 Prozent ermittelt, was zwar eine deutlichere Steigerung um 14 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahreswert von 50 Prozent bedeutet, aber deutlich unter dem von Bitkom ermittelten Wert liegt. Beide Umfragen wurden nach dem Corona-Lockdown durchgeführt. Die Befragungsgruppe war bei Bitkom – wie jedes Jahr – zwei jünger als beim Bankenverband, was den Unterschied zumindest teilweise erklären dürfte.

Unbestritten bei allen Quellen ist, dass lediglich Ältere noch zurückhaltend beim digitalen Zugriff auf ihre Konten sind, den alle anderen Altersgruppen mit deutlicher Mehrheit nutzen. Der Bankenverband sieht bei Kunden über 60 Jahren einen Anteil von 46 Prozent die Online Banking nutzen, was eine bemerkenswerte Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 13 Prozentpunkte darstellt. Bitkom sieht (in der Altersgruppe ab 65 Jahren) hingegen nur eine schwache Steigerung von 21 auf 22 Prozent Online Banking Nutzung.

Bankfilialen bleiben gefragt

Während Online Banking die eine Seite der Medaille ist, ist die Nutzung von Bankfilialen – zumindest in der Bitkom-Studie – die andere. Auch die aktuellen Zahlen belegen, dass der stationäre Vertriebskanal aus der Gegenwart der Banken und Sparkassen nicht wegzudenken ist:

  • Drei Viertel der Deutschen besuchen zumindest hin und wieder eine Filiale.
  • 27 Prozent setzen sogar ausschließlich auf den persönlichen Kontakt.
  • Bei der Frage nach den wichtigsten Aspekten, die Kunden von einer Bank erwarten liegen persönliche Beratung am Schalter mit 68 Prozent und digitale Angebote wie Online-Banking, Banking-App oder Online Beratung mit 67 Prozent nahezu gleichauf.
  • Für 53 Prozent der Befragten sind viele Filialen, die schnell erreicht werden können wichtiges Merkmal einer Bank.
  • Lediglich 38 Prozent der Befragten geben an, es würde Ihnen nichts fehlen, wenn es keine Bankfilialen mehr gäbe.

Der Anteil der Kunden, die auf Bankfilialen verzichten, nimmt nur langsam ab.

Persönlicher Kontakt wird häufig gesucht

Zum anderen finden Filialbesuche mit dem Ziel eines persönlichen Kontakts häufiger statt als gedacht. Während in der Branche von durchschnittlich einem Besuch pro Jahr gesprochen wird, sagen 56 Prozent der Befragten, dass sie mindestens einmal im Monat eine Filiale aufsuchen und dabei persönlichen Kontakt zu einem Bankangestellten haben. 13 Prozent tun dies sogar mehrmals in einem Monat. 45 Prozent seltener.

Die Besuchsfrequenz von Bankfilialen mit persönlichem Kontakt ist erstaunlich hoch.

Online Banking dient vor allem der Kontoverwaltung

Kontostand prüfen (97 Prozent), Überweisungen tätigen (83 Prozent) und Daueraufträge verwalten (85 Prozent) sind die mit deutlichem Abstand am häufigsten genutzten Funktionen beim Online Banking. Es folgen Benachrichtigungen, etwas bei Geldeingängen (64 Prozent) und die Prüfung von Kreditkartenabrechnungen (58 Prozent). Weitere Funktionen werden nur von einer Minderheit genutzt.

Die meisten Kunden nutzen Online Banking zum Management ihres Girokontos.

Kunden präferieren ein Laptop für Online Banking

Der Laptop bleibt mit 82 Prozent das am häufigsten genutzte Endgerät für Online Banking. Platz 2 hat das Smartphone mit 58 Prozent erobert. Der Desktop PC fällt mit 53 Prozent auf Platz 3 zurück. Tablet PCs haben gegenüber dem Vorjahr zugelegt und liegen mit 50 Prozent auf Platz 4.

Die meisten Bankkunden verwenden einen Laptop, gefolgt von Smartphone und Desktop PC, um online auf ihr Konto zuzugreifen.

Wertpapiergeschäft vorwiegend klassisch

Knapp 40 Prozent der Kunden geben an Wertpapiergeschäfte zu tätigen, ein Feld also, dass dank der damit verbunden Provisionserträge durchaus attraktiv für Finanzinstitute ist, auch wenn der Wettbewerb – angeheizt vor allem durch Neobroker – härter wird.

Gerade bei dieser attraktiven Kundengruppe spielen persönliche Kommunikationswege eine wichtige Rolle:

  • Mehr als die Hälfte vertraut auf den Bankberater in der Filiale,
  • 36 Prozent nutzen das Online Banking der eigenen Bank,
  • 28 Prozent wickeln Wertpapiergeschäfte telefonisch ab,
  • Lediglich 21 Prozent nutzen Online Broker außerhalb der eigenen Bank und
  • 13 Prozent verwenden eine Smartphone App.

Im Wertpapiergeschäft dominieren klassische Kanäle.

Fazit: Totgesagte leben länger

Die Zahlen zeigen einmal mehr, dass die meisten Deutschen digitale Kanäle weiterhin vor allem als Ergänzung zu den analogen Möglichkeiten des Kontakts ansehen. Sie werden vor allem genutzt, um einfache Informationen zu erhalten oder das Girokonto schnell und unkompliziert zu verwalten.

Unverändert suchen viele Kunden den persönlichen Kontakt zu einem Mitarbeiter, vor allem bei anspruchsvolleren Finanzprodukten, wie Wertpapieren.

Auch wenn die Zahl der Geschäftsstellen zurückgeht, erscheint es weiterhin mehr als verfrüht, vom Tod der Bankfiliale zu sprechen. Die Kunden zumindest haben mehrheitlich den Vertriebskanal noch nicht abgeschrieben.

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