Bankenregulierung dient nicht nur den Kunden, sondern kommt auch den Banken selbst zugute. Allerdings verursachen die stets komplexeren und umfassenderen Vorgaben hohe Kosten und schränken Handlungsspielräume ein. Das hat Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und Finanzmarktstabilität.

Bankregulierung: Erfahrungen und zukünftige Handlungsfelder

Erfahrungen und zukünftige Handlungsfelder der Bankenregulierung

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Die Geschichte lehrt uns, dass eine gut funktionierende Bankenregulierung unerlässlich für ein stabiles Bankensystem und den Schutz von Vermögenswerten ist. Die Regulierung schießt in letzter Zeit aber auch gelegentlich über die gesetzten Ziele hinaus, was zu unbeabsichtigten Nebeneffekten führen kann.

Die Bearbeitung regulatorischer Themenstellungen (z.B. die Umsetzung neuer regulatorischer Vorgaben oder die Begleitung von Vor-Ort-Prüfungen) nimmt einen immer größeren Raum in der Risikosteuerung ein. Die zunehmende Regulierungsbreite und -tiefe verringert Handlungsspielräume der Banken. Dies leitet beaufsichtigte Institute zu Strategien, die dem Ziel eines diversifizierten und gesunden Finanzmarktes potenziell entgegenstehen – auch da die Verdrängung in den nichtregulierten Markt weiter zunimmt.

Regulatorische Rahmenbedingen – Kurze Entstehungsgeschichte

Die regulatorischen Rahmenbedingen für Banken haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Als 1974 die Herstatt-Bank infolge von Devisenspekulationen in Konkurs ging und die Besorgnis über die Stabilität des internationalen Bankensystems wuchs, gründeten die G10-Länder den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS). Das erklärte Ziel war, die Stabilität des internationalen Bankensystems zu stärken. Im Zuge der lateinamerikanischen Schuldenkrise in den frühen 1980er Jahren veröffentlichte der BCBS 1988 den Basel Capital Accord (auch Basel I genannt), der eine Mindesteigenkapitalquote von 8 Prozent für Kreditrisiken vorschrieb. Eine wesentliche Ergänzung dieses Standards erfolgte 1996 mit der Einbeziehung von Marktrisiken in die Mindestanforderungen für die Eigenkapitalausstattung.

Bereits 1999 veröffentlichte der Basler Ausschuss einen ersten Vorschlag zur Ablösung des Basel Capital Accord durch ein Reformpaket. Die Mindestanforderungen für die Eigenkapitalausstattung sollten grundlegend überarbeitet werden. Dies mündete 2004 in die Veröffentlichung von Basel II. Eine wesentliche Änderung gegenüber Basel I war die Einbeziehung von operationellen Risiken auch aufgrund der spektakulären Insolvenz der Barings Bank 1995. Zudem wurden mit Basel II die Grundprinzipien für die qualitative Bankenaufsicht und das Risikomanagement (Säule II) eingeführt, die die Grundlage für die heutige Risikosteuerung in Banken bilden.

Als Reaktion auf die Finanzkrise 2007-2009, deren Höhepunkt die Insolvenz der Bank Lehman Brothers bildete, wurden 2010 durch die vorläufige Endfassung von Basel III die Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen deutlich verschärft – sowohl in der Quantität als auch in der Qualität von Kapital und Liquidität.

Aktuelle Themen der Regulatorik

Die 2017 verabschiedete Finalisierung von Basel III – die aufgrund der weitreichenden Anforderungen längst unter dem Namen Basel IV gehandelt wird – geht über die reine Krisenbewältigung hinaus und soll zukünftige Krisen durch Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Finanzmärkte vermeiden. Das ursprüngliche Ziel des BCBS und der deutschen Aufsicht, keinen signifikanten Anstieg risikogewichteter Aktiva (RWA) zuzulassen, scheint zumindest für europäische Institute spätestens mit der Ende 2017 veröffentlichten EBA-Studie, die von einem durchschnittlichen Anstieg der RWA von knapp 13 Prozent auf EU-Ebene ausgeht, verfehlt. Eine jüngst veröffentlichte Studie der EBA geht sogar von einem resultierenden Kapitalmehrbedarf von durchschnittlich 24 Prozent für EU-Institute aus. Ein wesentlicher Faktor für den RWA-Anstieg ist der Kombination von gestiegenen Eigenkapitalanforderungen im Kreditrisikostandardansatz (KSA) und dem eingeführten Output-Floor in Höhe von 72,5 Prozent zuzuschreiben. Die EU-Kommission plant für Ende 2019 / Anfang 2020 eine eigene Auswirkungsstudie, so dass konkretere Aussagen zu Wirkungen und Folgewirkungen von Basel IV weiterhin abzuwarten sind.

Darüber hinaus birgt der Output-Floor die Gefahr von Fehlsteuerungen. Eine „Kalibrierung“ interner Modelle auf mindestens 72,5 Prozent des sich nach dem KSA ergebenden Risikogewichts verringert tendenziell die Steuerungswirkung interner Modelle sowie die Transparenz zum Risikogehalt darunterliegender Geschäftsmodelle. Dies kann dazu führen, dass Institute ihre Geschäftsmodelle und ihre Portfolios auf das Risikogewicht „72,5 Prozent KSA“ kalibrieren. Als Konsequenz würde die Diversifizierung des Bankenmarkts makroökonomisch abnehmen, was dem ursprünglichen Ziel der Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Finanzmärkte entgegensteht.

Eine weitere Tendenz zur Konterkarierung der ursprünglich gesteckten Ziele resultiert aus den Vorschriften aus IFRS 9 und zu Non-Performing Loans (NPL). Die seit 2018 geltenden Vorschriften zur Bewertung von Finanzinstrumenten aus IFRS 9 lassen Wertberichtigungen beim Transfer von Level 1 (Ein-Jahres Expected Loss) zu Level 2 (Lifetime Expected Loss) sprunghaft steigen, was wirtschaftliche Abschwungphasen sehr frühzeitig verstärken kann. Zudem wird mit den seit April 2019 geltenden Vorgaben des NPL-Backstop nicht mehr der Anreiz gesetzt, möglichst einvernehmliche und individuelle Regelungen mit Kreditnehmern von Problemkrediten zu treffen, sondern die Problemkredite möglichst schnell zu verkaufen und aus der Bilanz zu entfernen. Zudem besteht die Gefahr, dass der Backstop insgesamt zu einer Zurückhaltung in der Kreditvergabe führt, da die erhöhte Eigenkapitalbelastung die Kreditkosten steigen lässt.

Auswirkungen der laufenden Aufsicht auf Banken

Die zunehmende Regelungsbreite und -tiefe zeigt ihre Auswirkungen ebenfalls in der laufenden Aufsicht, besonders stark bei den von der EZB direkt beaufsichtigten Instituten. Neben OSIs, IMIs, TRIMIs, Stresstests, Deep Dives, Thematic Reviews, etc. und der Vielzahl an Guidelines der EBA und der EZB, die mit ihrem hohen Grundrauschen fortwährend viele Kapazitäten binden, erhalten Institute eine nicht zu unterschätzende Anzahl weiterer Anfragen von der Aufsicht. Diese reichen von einfachen Unterlagenanforderungen bis hin zu breit gefächerten Fragebögen mit quantitativen und qualitativen Fragestellungen.

Die Einhaltung von Vorschriften mit unterschiedlichen Sichtweisen zwingt Banken zunehmend zu mehreren und komplexer werdenden Steuerungskreisen, die nicht vollständig konsistent umsetzbar sind (Säule I, Säule II, Rechnungslegung, Deckungsbeitragsrechnung, etc.). Dies wird verstärkt durch die immer stärkere Detaillierung. Diese zeigt sich zum einen in den institutsspezifischen Empfehlungen bzw. Feststellungen und den damit verbundenen, teilweise bereits sehr konkret vorgegebenen Maßnahmen, die den Handlungsspielraum, wie eine Anforderung umzusetzen ist, weiter einschränken. Zum anderen wird in den regelmäßig stattfindenden Aufsichtsgesprächen der Fokus auf immer detailliertere Fragestellungen und granularere Zahlenwerke gelegt.

Fazit: Bankenregulierung muss gemanagt werden

Trotz nicht beabsichtigter Nebeneffekte hat die Bankenregulierung viel dazu beigetragen den Weg zu einem widerstandsfähigen und krisenfesten Finanzmarkt weiter zu ebnen.  Für die Standardsetzer und die Aufsicht sollte weiterhin der Anspruch bestehen, für eine möglichst zielgenaue und widerspruchsfreie Regulierung im Austausch mit den Marktteilnehmern zu sorgen.

Für die Banken ist es essentiell, nicht einfach nur zu reagieren. Denn ein rein reaktives Management führt oftmals zu einer isolierten sowie unstrukturierten Bearbeitung regulatorischer Anforderungen. Die Grundvoraussetzung für ein effizientes Management ist die Schaffung nachhaltiger Strukturen, die eine ganzheitliche Betrachtung und Bearbeitung sicherstellen, gepaart mit einer effektiven Governance.

Dazu gehören insbesondere bankweite Strukturen und Prozesse um relevante Regularien zu identifizieren, deren (potentielle) Auswirkungen abzuschätzen sowie die Umsetzung zu planen und durchzuführen. Nicht weniger relevant ist es dabei, die Anfragen der Aufsichtsbehörden mit den Regularien zu verknüpfen und gesamtheitlich zu beantworten – insbesondere bei den vermehrt übergreifenden, qualitativen Anfragen. Solche Strukturen und Prozesse, unterstützt durch wirkungsvolle, technische Lösungen und einer dedizierten Auswahl von Dienstleistern, bilden eine gute Basis um der steigenden Komplexität regulatorischer Anforderungen gerecht zu werden.