Corporate Governance steht vor einem Paradigmenwechsel: Gremienarbeit wird zur strategischen Gestaltungsaufgabe. Dynamik, Kompetenzvielfalt und neue Rollenverständnisse prägen die Anforderungen an Aufsichtsräte und Vorstände.

Strategische Gremienarbeit erfordert Überblick über technologische, regulatorische und gesellschaftliche Einflussfaktoren.
Gute Corporate Governance ist heute mehr denn je gefordert – nicht nur als System von Regeln und Kontrollen, sondern als aktiver Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unserer Unternehmen und der gesamten Wirtschaft. In einer Welt, die von geopolitischen Umbrüchen, technologischer Disruption, gesellschaftlicher Polarisierung und regulatorischer Verdichtung geprägt ist, steigen die Anforderungen an eine verantwortungsvolle und vorausschauende Gremienarbeit kontinuierlich. Corporate Governance wird damit zur Bewährungsprobe für Orientierung, Verantwortungsbewusstsein und strategischen Weitblick.
Doch wie gelingt es Vorständen und Aufsichtsräten angesichts kurzfristiger operativer Zwänge, das langfristig Richtige und strategisch Wichtige im Blick zu behalten? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich eine aktuelle Kienbaum-Studie und rückt damit zentrale Herausforderungen und Handlungsspielräume in den Mittelpunkt.
Governance wird zur aktiven Gestaltungsaufgabe
Die Studie macht deutlich, dass Governance nicht länger als bloßes Kontrollinstrument verstanden werden kann. Vielmehr wird sie zur aktiven Gestaltungsaufgabe. Zentrale Fragen lauten:
- Wie verändert sich die Halbwertszeit von Strategien?
- Welche Rolle übernimmt der Aufsichtsrat bei der strategischen Ausrichtung?
- Wie lassen sich Prozesse und Strukturen zukunftsfähig weiterentwickeln?
- Welche Anforderungen ergeben sich daraus für Steuerung und Vergütung?
Die Antworten darauf zeigen: In Zeiten permanenter Veränderung und unzähliger kurzfristiger Herausforderungen müssen Gremien ihre Rolle neu definieren. Erfolgreiche Vorstände und Aufsichtsräte schaffen es, strategische Prioritäten zu setzen – ohne dabei in Aktionismus zu verfallen.
Vom statischen Gremium zum dynamischen Netzwerk
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Gremien werden zunehmend als dynamische, kompetenzbasierte Netzwerke verstanden, die sich je nach Fragestellung flexibel ausrichten müssen. Die klassische Vorstellung vom statischen Aufsichtsgremium verliert an Relevanz – gefragt sind künftig agilere Strukturen, interdisziplinäre Zusammenarbeit und situativ zusammengesetzte Kompetenzpools.
Diese Entwicklung stellt hohe Anforderungen an Rollenverständnis, Prozesse und Besetzungslogik von Aufsichtsräten. Gleichzeitig eröffnet sie neue Gestaltungsspielräume: Statt sich auf formale Pflichten zu beschränken, können Gremien proaktiv Impulse setzen – etwa in der Innovationsstrategie, der digitalen Transformation oder der Nachhaltigkeitsagenda.
Strategische Arbeit unter Druck
In einem Umfeld wachsender Unsicherheit, Komplexität und Beschleunigung wird strategisches Denken zur Überlebensfrage. Unternehmen müssen ihre Strategien häufiger überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Als zentrale Einflussfaktoren identifizieren die Befragten insbesondere die Digitalisierung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI).
Mehr als zwei Drittel der befragten Führungskräfte betonen die Bedeutung von Innovationskraft für den künftigen Unternehmenserfolg. Gleichzeitig fehlt es jedoch häufig an Mut zum Experiment und an gelebter Risikobereitschaft. Auch der Aufsichtsrat wird zunehmend in strategische Fragestellungen einbezogen – ein Trend, der sich in Zukunft weiter verstärken dürfte.
Der Aufsichtsrat im Wandel
Die Rolle des Aufsichtsrats verändert sich spürbar: Zwar verstehen sich viele Mitglieder heute als strategische Sparringspartner des Vorstands – doch es mangelt oft an einer aktiven, impulsgebenden Mitwirkung. Für die Zukunft wünschen sich viele Unternehmen neue Mitglieder mit gezielter fachlicher Expertise – etwa in Technologie- oder Nachhaltigkeitsthemen.
Während klassische Finanzkompetenz breit vertreten ist, bestehen bei Schlüsselthemen wie KI, Digitalisierung und ESG (Environment, Social, Governance) weiterhin erhebliche Kompetenzlücken. In vielen Gremien ist Künstliche Intelligenz noch kein strukturell verankertes Thema – weder als Bestandteil der strategischen Planung noch als Element der Risikobewertung.
Vergütung des Aufsichtsrats: Zeitaufwand ohne Ausgleich
Ein weiteres Spannungsfeld betrifft die Vergütung von Aufsichtsräten. Zwischen dem gestiegenen zeitlichen Aufwand und der tatsächlichen Entlohnung besteht häufig ein Missverhältnis. Erfolgsabhängige Modelle bleiben weiterhin selten – obwohl die Verantwortung und Komplexität der Aufgaben stark zugenommen haben.
Besonders ausgeprägt ist die Belastung bei den Vorsitzenden: Sie investieren im Schnitt zwei- bis dreimal so viel Zeit in ihr Mandat wie einfache Mitglieder – ohne dass sich dies in der Vergütungsstruktur adäquat widerspiegelt. Die Diskussion über angemessene, transparente und leistungsorientierte Vergütungsmodelle gewinnt daher an Bedeutung.
Managementvergütung: Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander
Auch bei der Vergütung des Top-Managements zeigt sich ein gewisses Spannungsfeld: Zwar besteht der Anspruch, eine enge Verknüpfung zur Unternehmensstrategie herzustellen – doch in der Praxis wird dies bislang nur unzureichend umgesetzt. Während die Vergütungshöhe regelmäßig überprüft und angepasst wird, erfolgen grundlegende Analysen der Vergütungssysteme und ihrer strategischen Passung deutlich seltener.
Variable Vergütungsbestandteile orientieren sich meist an einer Mischung aus finanziellen und nicht-finanziellen KPIs sowie an langfristigen Anreizsystemen. Eine flexible, dynamische Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen – etwa neue Marktanforderungen oder geopolitische Entwicklungen – bleibt bislang die Ausnahme. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf, um die Governance-Funktion von Vergütungssystemen wirklich zu erfüllen.
Fazit: Governance neu denken, strategisch handeln
Corporate Governance steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Gremienarbeit wird zur aktiven, strategisch geprägten Gestaltungsaufgabe. Dafür braucht es nicht nur neue Kompetenzen und Strukturen, sondern auch ein verändertes Rollenverständnis. Wer Zukunftsfähigkeit sichern will, muss Governance dynamisch, vernetzt und konsequent strategisch ausrichten.
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