Ist Nachhaltigkeit im Banking nur ein Nice-to-have oder ein echtes Entscheidungskriterium aus Kundensicht? Welche Rolle spielen Wissen und Beratung bei nachhaltigen Finanzprodukten? Und warum Banken jetzt handeln sollten.

Wie Bankkunden Nachhaltigkeit bei Finanzen beurteilen.
Was muss geschehen, damit Nachhaltigkeit von einer bloßen Absichtserklärung zu einem festen Bestandteil des Bankgeschäfts wird? Die Management- und Technologieberatung BearingPoint hat sich dieser Frage in einer aktuellen Untersuchung zum Thema Sustainable Finance gewidmet.
Ein zentrales Ergebnis der Studie zeigt: Bei Investitions- und Anlageentscheidungen dominieren nach wie vor klassische Faktoren wie Sicherheit und Rendite. Doch Nachhaltigkeit könnte an Bedeutung gewinnen – insbesondere, da die jüngere Generation diesem Thema deutlich mehr Relevanz beimisst als ältere Kundengruppen.
Nachhaltigkeit als Randthema in der Praxis
Viele Bankkundinnen und -kunden schätzen Nachhaltigkeit als Unternehmenswert oder Selbstverpflichtung ihrer Bank. Dennoch bleibt dieses Kriterium in der Praxis oft zweitrangig. Gründe dafür sind unter anderem Informationsdefizite, geringe Wechselbereitschaft und die Vorherrschaft klassischer Entscheidungsfaktoren wie Kosten und Sicherheit. Banken haben jedoch verschiedene Möglichkeiten, hier gegenzusteuern. Durch gezielte Kommunikation, digitale Angebote und verbesserte Beratung können sie nachhaltige Banklösungen attraktiver gestalten. Besonders die jüngere Generation zeigt sich in diesem Bereich aufgeschlossener als ältere Kundengruppen.
Eine Analyse der Kundenpräferenzen zeigt, dass 31 Prozent der Befragten es für wichtig halten, dass ihre Bank nachhaltig agiert, während 8 Prozent dies als sehr wichtig einstufen. Dennoch ist Nachhaltigkeit allein für fast niemanden ein ausschlaggebender Grund für einen Bankwechsel. 44 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihre Bank nicht wechseln oder dies nicht konkret planen, nur weil eine andere Bank nachhaltiger ist. Lediglich 4 Prozent würden sofort wechseln, wenn eine Bank ein umfassenderes nachhaltiges Angebot präsentierte. Diese Zahlen verdeutlichen, dass Nachhaltigkeit derzeit noch eine untergeordnete Rolle bei der Wahl des Kreditinstituts spielt. Dennoch zeigt sich auch hier, dass insbesondere die jüngeren Generationen bei passenden Angeboten eher bereit wären, ihre Bank zu wechseln.
Wissenslücken als Hindernis für nachhaltige Finanzprodukte
Die Studie macht zudem deutlich, dass es erhebliche Informationsdefizite zu nachhaltigen Bankprodukten gibt. So wissen 52 Prozent der Befragten nicht, ob ihre Bank ökologisch nachhaltige Finanzprodukte anbietet. Noch gravierender: 91 Prozent kennen das Nachhaltigkeitsranking ihrer Bank nicht. Diese Wissenslücken erschweren es Bankkunden, fundierte Entscheidungen über nachhaltige Finanzprodukte zu treffen.
Auch die bisherigen Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen der Banken scheinen nicht ausreichend effektiv zu sein. 52 Prozent der Befragten gaben an, im vergangenen Jahr keine Werbemaßnahmen ihrer Bank zum Thema Nachhaltigkeit wahrgenommen zu haben. Dieses Defizit in der Kommunikation führt dazu, dass nachhaltige Finanzprodukte trotz ihres Potenzials oft ungenutzt bleiben.
Vertrauen in nachhaltige Produkte vorhanden, aber Beratung ausbaufähig
Obwohl viele Bankkunden wenig über nachhaltige Finanzprodukte wissen, vertrauen sie diesen grundsätzlich. 66 Prozent der Befragten empfinden nachhaltige Produkte als glaubwürdig, während nur 3 Prozent sie für nicht vertrauenswürdig halten. 37 Prozent bewerten das Angebot an nachhaltigen Investitionen wie Aktien, Anleihen oder Fonds als gut – lediglich 1 Prozent äußert sich hierzu kritisch. Dies zeigt, dass eine bessere Aufklärung die Akzeptanz nachhaltiger Finanzprodukte weiter steigern könnte.
Die Beratung in diesem Bereich ist jedoch noch nicht optimal. Zwar fühlen sich 46 Prozent der Befragten bei nachhaltigen Investitionen gut beraten, doch 48 Prozent wurden im Anlageberatungsprozess überhaupt erst nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen gefragt. Davon wurden 59 Prozent lediglich zu zwei bis drei Präferenzen befragt. Dies verdeutlicht, dass Banken Nachhaltigkeit zwar zunehmend in ihre Beratung integrieren, die Detailtiefe dieser Gespräche jedoch noch verbessert werden kann.
Kosten und Rendite bleiben die entscheidenden Faktoren
Nachhaltigkeit allein reicht nicht aus, um Kundinnen und Kunden zu überzeugen. Klassische Entscheidungskriterien wie Sicherheit und Kosten bleiben über alle Altersgruppen hinweg die wichtigsten Faktoren. Lediglich 20 Prozent der Befragten wären bereit, höhere Kosten für nachhaltige Bankprodukte zu akzeptieren. Auch hier zeigt sich ein Unterschied zwischen den Altersgruppen: Während 30 Prozent der 18- bis 24-Jährigen höhere Kosten für nachhaltige Produkte akzeptieren würden, sind es bei den über 55-Jährigen nur 11 Prozent.
Bei der Auswahl von Investitionen wie Aktien, Anleihen und Fonds ist Sicherheit das wichtigste Kriterium, gefolgt von der Rendite. Nachhaltigkeit spielt nur eine untergeordnete Rolle: Lediglich 8 Prozent der 18- bis 24-Jährigen nennen sie als Hauptkriterium, bei den über 55-Jährigen sind es nur 2 Prozent.
Digitale Kommunikation als Chance für nachhaltige Banken
Interessanterweise könnte die Digitalisierung eine wichtige Rolle spielen, um Nachhaltigkeit im Bankensektor voranzutreiben. 58 Prozent der Befragten wären bereit, ausschließlich digitale Kommunikationswege wie E-Mails oder Apps zu nutzen, wenn ihre Bank sich stärker zu Nachhaltigkeit verpflichtet. Dies könnte nicht nur Kosten senken, sondern auch nachhaltige Angebote sichtbarer machen, ohne Kundinnen und Kunden mit höheren Gebühren zu belasten.
Zusätzlich zeigen sich 34 Prozent der Befragten bereit, höhere Ordergebühren für Investitionen in ESG-Produkte zu akzeptieren, während weitere 30 Prozent einen Aufschlag auf Kontoführungsgebühren zahlen würden. Diese Zahlen verdeutlichen, dass nachhaltige Finanzprodukte mit der richtigen Ansprache eine größere Kundengruppe erreichen könnten.
Nachhaltige Finanzierungen bleiben Nischenprodukt
Trotz wachsendem Interesse an nachhaltigen Bankprodukten haben nachhaltige Finanzierungen bislang nur eine geringe Marktdurchdringung. 81 Prozent der Befragten gaben an, in den letzten drei Jahren keinen Finanzierungsbedarf für nachhaltige Projekte wie Elektroautos oder umweltfreundliche Heizsysteme gehabt zu haben. Nur 4 Prozent nutzten entsprechende Kredite, und 62 Prozent nahmen überhaupt keine Kreditberatung in Anspruch. Dadurch wurden nachhaltige Kreditangebote lediglich 5 Prozent der Befragten vorgestellt.
Die Umfrage zeigt, dass es Potenzial gibt, die Beratung über grundlegende Präferenzen hinaus zu erweitern, um Bankkunden besser zu informieren und nachhaltige Finanzierungsoptionen sichtbarer zu machen.
Nachhaltigkeit als gelebtes Engagement der Banken
Damit Nachhaltigkeit mehr als nur ein werbliches Versprechen bleibt, müssen Banken aktiv handeln. Sie sollten nachhaltige Finanzprodukte konsequent in ihre Beratung integrieren, Informationslücken schließen und nachhaltige Projekte stärker in den Fokus rücken. Entscheidend ist, dass Nachhaltigkeit nicht nur als Verkaufsargument dient, sondern als langfristiges Engagement gelebt wird. Dieser Wandel erfordert einen langen Atem – doch er wird sich für Banken und ihre Kunden auszahlen.
Infografik: Sustainable Finance aus Kundensicht
Die folgende Infografik fasst ausgewählte Ergebnisse der Studie zusammen und zeigt, wie Kunden von Banken und Sparkassen über nachhaltige Finanzen denken:
Sustainable Finance aus Kundensicht.