Kreditinstitute bauen Online-Banking aus und schließen Filialen. Das schwächt die Kundennähe und schadet dem Neu- und Bestandskundengeschäft. Die EU fördert nun Predictive Service Intelligence, um Servicequalität und Kundenbindung gezielt zu verbessern.
Mit Predictive Intelligence können Banken Kundennähe schaffen, die durch Filialabbau und Internet verloren gegangen ist.
Die Zahl der Bankfilialen in Deutschland ist seit den 1990er-Jahren massiv zurückgegangen und hat sich mehr als halbiert. Mitte der 1990er existierten bundesweit knapp 68.000 Bankzweigstellen (1995: 67.920) – damals eines der dichtesten Filialnetze weltweit. Seither sinkt die Zahl stetig: Bereits bis 2011 war sie auf rund 37.700 gesunken. Im Jahr 2002 wurden noch etwa 53.000 Filialen gezählt, während es 2023 nur noch ca. 21.000 waren – ein Rückgang um rund 60 Prozent. Ende 2023 wurde erstmals die Schwelle von 20.000 unterboten, mit nur noch 19.501 bankbetriebenen Standorten mit Personal. Die Corona-Pandemie beschleunigte den Trend: Allein 2020 wurden rund 2.500 Filialen geschlossen – fast 10 Prozent des Bestands.
Filialabbau bei allen Bankengruppen
Der Filialabbau betrifft alle Sektoren – Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken – wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß. Traditionell unterhielten Sparkassen und Volks-/Raiffeisenbanken das dichteste Netz an Geschäftsstellen, was ihrer lokalen Ausrichtung entspricht. Noch immer stellen die Sparkassen (inkl. Landesbanken) mit rund 7.104 Filialen und die Genossenschaftsbanken mit 6.588 Filialen den größten Teil der Zweigstellen. Doch auch diese Gruppen haben massiv reduziert. 1990 gab es über 3.300 Genossenschaftsbanken und 770 Sparkassen als Institute, durch Fusionen sind heute nur noch 770 bzw. 360 übrig – begleitet von entsprechenden Filialzusammenlegungen und -schließungen. Private Großbanken hatten stets weniger Standorte in der Fläche und dünnten ihre Netze ebenfalls aus (z.B. fielen im früheren Postbank-Netz seit den 90ern rund 10.000 Schalter weg).
Insgesamt zeigt sich über alle Bankengruppen ein ähnlicher Trend: Immer weniger Kunden nutzen klassische Schaltergeschäfte vor Ort, was die umfangreichen Filialnetze obsolet macht. Eine aktuelle Statistik der Bundesbank fasst zusammen: „Die zunehmende Verbreitung des Online-Bankings sowie der weiterhin bestehende Kostendruck führten zu einer Verschlankung des Filialnetzes in quasi allen Banksektoren.“
Kundenzufriedenheit im Wandel
Die Kundenzufriedenheit mit Banken hat sich parallel zum Filialabbau verändert. Historisch galten insbesondere Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken als hausbanknahe Institute mit hoher Vertrauenswürdigkeit und Kundennähe. Viele Kunden schätzten die persönliche Betreuung „ihrer“ lokalen Filiale, was sich in Umfragen lange positiv für diese Institute auswirkte. Private Großbanken schnitten in puncto Zufriedenheit oft etwas schlechter ab, während ab den 2000er-Jahren Direktbanken (ohne eigene Filialen) neue Maßstäbe setzten.
Beispielsweise ergab eine Bain-Studie 2012, dass Kunden von Direktbanken deutlich zufriedener waren als Filialbank-Kunden – gemessen als Net Promoter Score lag die Bewertung der Direktbanken im Schnitt im positiven Bereich (+13 Prozent), während Sparkassen und Genossenschaftsbanken negative Werte aufwiesen (NPS –7 Prozent bzw. –17 Prozent). Dieses Ergebnis unterstreicht, dass digitale Anbieter mit schlankem Modell in Sachen Kundenerlebnis früh punkteten, während traditionelle Banken Mühe hatten, das Filialerlebnis ins Digitale zu übertragen.
Neuer Tiefpunkt der Kundenzufriedenheit
In jüngster Zeit stehen die regionalen Institute jedoch vor einem Tiefpunkt der Kundenzufriedenheit. Laut der Privatkundenstudie 2023 von Investors Marketing ist die wahrgenommene Kundenzentrierung der Hausbanken auf den niedrigsten Stand seit Erhebungsbeginn gefallen. Insbesondere Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken verzeichneten einen deutlichen Rückgang der Kundenzufriedenheit – um 10 bzw. 9 Prozentpunkte gegenüber den Vorjahren.
Als Hauptgründe identifiziert die Studie den Unmut der Kunden über den Umgang der Banken mit der Zinswende (viele Institute gaben gestiegene Zinsen nur zögerlich an Sparer weiter). Hinzu kommen strukturelle Faktoren wie Filialschließungen und Kostendruck, die den Kunden weniger Service und persönliche Ansprache bieten. Mit anderen Worten: Geringe Guthabenzinsen, weniger Filialen und teurere Kontoführungsgebühren haben das Kundenerlebnis getrübt, besonders im traditionellen Lager der Regionalbanken.
Veränderte Erwartungen bei Bankkunden
Gleichzeitig zeigen Umfragen, wie sich die Erwartungen der Kunden verändert haben. Bereits 2012 gab nur noch rund 60 Prozent der Bankkunden an, eine nahegelegene Filiale sei ihnen wichtig – viele hatten Online-Banking als Alternative akzeptiert. Heute erledigen rund 80 Prozent der Kunden ihre Bankgeschäfte online (Web oder App), und fast die Hälfte der Online-Banking-Nutzer betritt überhaupt keine Bankfiliale mehr. Insbesondere Jüngere sind fast vollständig digital unterwegs (mehr als 90 Prozent Onlinebanking-Nutzung), während ältere Kunden ab 65 zwar aufholen (Online-Anteil stieg von 22 auf 39 Prozent während Corona), aber weiterhin stärker an Filialen hängen.
So würde einer aktuellen Befragung zufolge beinahe die Hälfte aller Bankkunden ihre Bank wechseln, wenn kein persönlicher Ansprechpartner vor Ort mehr verfügbar ist. Dieser Wert verdeutlicht den schmalen Grat: Noch immer erwartet ein signifikanter Teil der Kunden persönliche Betreuung – gerade für komplexe Finanzfragen, die man „online nur schwer lösen kann“. Es besteht also die Gefahr, dass der Abbau von Filialen die Kundenzufriedenheit und -loyalität negativ beeinträchtigt, wenn kein gleichwertiger Ersatz für die persönliche Interaktion geschaffen wird.
Ursachen des Filialabbaus: Digitalisierung, Wettbewerb und Kostendruck
Warum schließen Banken so viele Filialen? Die Gründe für den Filialabbau sind vielfältig und meist wirtschaftlicher Natur, allen voran der Kostendruck. Eine einzelne Zweigstelle verursacht hohe fixe Kosten (Miete, Personal, Bargeldlogistik etc.), die sich nur lohnen, wenn genügend Kunden sie nutzen und damit Erträge generieren.
Sinkende Rentabilität von Bankfilialen
In den letzten Jahrzehnten haben jedoch mehrere Entwicklungen die klassische Filiale immer weniger rentabel gemacht:
Digitalisierung und verändertes Kundenverhalten
Immer mehr Bankgeschäfte wurden ins Internet verlagert. Online-Banking, Kartenzahlung und Mobile Apps machen den Gang in die Filiale oft überflüssig. Knapp die Hälfte der Deutschen würde heute „nichts vermissen“, wenn es gar keine Bankfilialen mehr gäbe, wie eine Bitkom-Umfrage ergab.
Dieser Trend bedeutet für Banken: Weniger Kundenverkehr vor Ort und somit Rechtfertigung für weniger Filialen. Gleichzeitig haben neue Wettbewerber (FinTechs, Direktbanken) ohne Filialnetz den Markt betreten und zeigen, dass Banking auch komplett digital funktionieren kann.
Harter Wettbewerb und Überkapazitäten
Deutschland galt lange als „overbanked“ – mit sehr vielen Banken und Filialen im Vergleich zur Einwohnerzahl. In den 90ern existierten z.B. in manchen Kleinstädten mehrere Sparkassen- und Volksbank-Filialen nebeneinander. Durch Wettbewerb und Konsolidierungen (Fusionen von Instituten) wurde dieses dichte Netz ausgedünnt.
Viele kleine Volksbanken und Sparkassen legten Bereiche zusammen, um effizienter zu werden, da sie in ihrem regional begrenzten Geschäftsfeld sonst nicht mehr rentabel arbeiten konnten. Das Filialsterben war somit teilweise eine bereinigende Marktanpassung an einen effizienteren Bankensektor.
Anhaltende Niedrigzinsphase und Kostendruck
Die seit der Finanzkrise 2008 bis etwa 2022 andauernde Niedrig- und Nullzinsphase stellte die Ertragslage der Banken vor große Herausforderungen. Bei mageren Zinsmargen mussten Banken radikal auf die Kostenbremse treten, um profitabel zu bleiben. Das Filialnetz geriet dabei als großer Kostenblock ins Visier. Die Banken „haben es geschafft, in den vergangenen Jahrzehnten Kunden erfolgreich aus den Filialen herauszubringen“, so formulierte es 2012 ein Vorstand der HypoVereinsbank selbstkritisch.
Filialschließungen waren ein zentraler Hebel, um die Kosten-Ertrags-Relation (Cost-Income-Ratio) zu verbessern – mit Erfolg: Etwa verbesserte die Frankfurter Volksbank durch Fusionen und Filialabbau ihr Kosten-Ertrags-Verhältnis 2022 auf 66,5 Prozent, einen für Banken sehr guten Wert. Kurzum: Kostendruck zwang alle Bankengruppen – Privatbanken wie Regionalinstitute – dazu, ihre teuren Filialstrukturen zu verschlanken.
Exogene Schocks als Beschleuniger
Zusätzliche Ereignisse verstärkten den Trend. Die Corona-Pandemie wirkte wie ein Katalysator: Während der Lockdowns lernten viele Bankkunden, ihre Angelegenheiten ohne Filiale zu regeln, und Banken erkannten, dass selbst Beratung und Kreditgeschäft mit Homeoffice und Videogesprächen aufrechterhalten werden konnten. Filialen, die 2020 zunächst nur vorübergehend schließen sollten, blieben teilweise dauerhaft zu.
Auch regulatorische Änderungen spielten eine Rolle: Beispielsweise zogen sich durch Brexit einige ausländische Banken aus dem Filialbetrieb in Deutschland zurück. Insgesamt führte dies dazu, dass 2020 und 2021 rekordhohe Filialabgänge verzeichnet wurden (2021: 2.388 Schließungen; 2022: 1.266). Erst 2023 verlangsamte sich das Tempo etwas. Doch der übergeordnete Pfad ist klar: Technologie und Kostendruck haben das Filialmodell nachhaltig erschüttert – eine Entwicklung, die in praktisch allen Banksparten zu beobachten ist.
Folgen des Filialabbaus: Abnehmende Kundennähe und andere Nachteile
Die rapide Ausdünnung des Filialnetzes bringt nicht nur Einsparungen, sondern auch deutliche Nachteile mit sich – für Kunden, für die Banken selbst und für die Wirtschaft vor Ort. Im Folgenden die wichtigsten Folgen des Filialabbaus:
Schwindende Kundennähe und persönlicher Kontakt
Weniger Filialen bedeuten größere Entfernungen für Kunden, insbesondere in ländlichen Regionen. In manchen Regionen müssen Bankkunden mittlerweile weite Autofahrten auf sich nehmen, um eine Filiale zu erreichen. Dadurch geht ein Stück Kundennähe verloren, die früher selbstverständlich war. Vor allem älteren oder weniger digital-affinen Kunden fehlt der vertraute Ansprechpartner in der Filiale.
Viele komplexe Finanzfragen – etwa Baufinanzierungen, Anlageberatung oder Unternehmensfinanzierungen – lassen sich zwar online vorbereiten, aber am Ende wollen die Kunden bei großen Entscheidungen „Menschen sehen“. Fällt diese Möglichkeit weg, fühlen sich Kunden oft weniger gut aufgehoben. Das Vertrauensverhältnis leidet, wenn alles nur noch anonym über Telefonhotlines oder Apps läuft. In der Konsequenz ist eine sinkende Kundenzufriedenheit zu beobachten, wie oben dargestellt.
Gerade Sparkassen und Volksbanken, deren Markenversprechen auf regionaler Nähe fußt, spüren hier Gegenwind: Die Wertschätzung der Filiale ist bei vielen ihrer Kunden nach wie vor hoch, und wenn diese wegfällt, drohen Abwanderungen.
Eingeschränkte Beratung und Service
Mit weniger Filialen reduzieren Banken auch die personellen Kapazitäten für Beratungsleistungen. Kunden erhalten seltener eine persönliche Beratung von Bankmitarbeitern, da Termine knapper werden oder auf zentrale Standorte konzentriert sind. Zwar haben viele Banken versucht, mittels Telefon- und Video-Beratungszentren oder mobiler Berater (z.B. „Sparkassen-Busse“ und gemeinsame Kleinstfilialen verschiedener Institute) einen Ersatz zu bieten, doch die Qualität dieser Alternativen überzeugt nicht alle Kunden in gleichem Maße wie das vertraute Gespräch vor Ort.
Besonders Stammkunden älterer Generationen empfinden die Beratung auf Distanz oft als unpersönlich. Dadurch könnten Beratungsbedarf und tatsächliche Beratung auseinanderklaffen – manche Kunden nehmen keine Beratung mehr in Anspruch, wenn keine Filiale in erreichbarer Nähe ist. Dies kann zu suboptimalen Finanzentscheidungen führen (weil z.B. Anlagemöglichkeiten nicht genutzt oder Kredite nicht optimal strukturiert werden).
Benachteiligung bestimmter Kundengruppen
Der Filialschwund trifft nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen. Ältere Menschen und technisch weniger Versierte stehen vor größeren Hürden, wenn die letzte Bank vor Ort schließt. Zwar ist die Internetnutzung auch bei Senioren gestiegen, doch viele fühlen sich mit Online-Banking unsicher oder überfordert. Für sie bedeutet eine Schließung den Verlust eines wichtigen Anlaufpunkts. Auch Menschen mit Behinderungen oder geringerer Mobilität können Probleme haben, längere Wege zur nächsten Filiale zurückzulegen oder ausschließlich digitale Kanäle zu nutzen. Insgesamt besteht die Gefahr einer finanziellen Inklusionslücke, wenn Bargeldversorgung und Beratungsangebote in der Fläche wegfallen. Die Bundesbank sieht die flächendeckende Bargeldversorgung inzwischen nicht mehr als selbstverständlich an.
Probleme für lokale Wirtschaft und Bargeldversorgung
Weniger Bankfilialen bedeuten auch weniger Service für Gewerbetreibende, etwa Ladenbesitzer, die Bargeldeinnahmen einzahlen oder Wechselgeld holen möchten. In den vergangenen fünf Jahren wurden 30 Prozent der Bankfilialen geschlossen. Damit schließen auch die direkten Kontaktstellen für Händler, warnt der Handelsverband Deutschland (HDE). Händler müssen weitere Wege fahren oder teure Werttransporte beauftragen, um an Bargeld zu kommen. Das verursacht Kosten und Aufwand, insbesondere in ländlichen Gebieten.
Zusätzlich verlieren Städte und Gemeinden mit jeder geschlossenen Filiale ein Stück Infrastruktur – oft auch einen Frequenzbringer für die örtliche Innenstadt. Die Präsenz einer Bank hatte einen symbolischen Wert für viele Gemeinden, und ihr Wegfall hinterlässt Leerstand sowie das Gefühl, abgehängt zu werden.
Herausforderung für die Bankenbindung
Aus Banksicht besteht die Gefahr, dass Kunden bei nachlassender Präsenz loyaler gegenüber der Filiale als gegenüber der Marke sind. Schließt die Hausbank ihre Filiale vor Ort, wechselt der Kunde womöglich lieber zur Konkurrenz (etwa einer Sparkasse im Nachbarort oder einer Direktbank), anstatt den Verlust der gewohnten Anlaufstelle hinzunehmen.
Zwar zeigen Umfragen auch, dass ein beträchtlicher Teil der Kunden mittlerweile „filiallos glücklich“ ist, doch die anderen müssen mitgenommen werden. Andernfalls droht Kundenabwanderung und Ertragsverlust. Die Tatsache, dass nur noch 12 Prozent der Befragten im Jahr 2012 gesagt haben, sie würden bei Schließung „ihrer“ Filiale die Bank wechseln, während es jüngst fast 50 Prozent sind, unterstreicht die gestiegene Sensibilität. Kunden haben heute mehr Alternativen und weniger Geduld, was sich in höherer Wechselbereitschaft äußert, sobald Serviceleistungen wie die Filiale entfallen.
Risiken des Filialabbaus
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Filialabbau zwar betriebswirtschaftlich motiviert und verständlich ist, aber substanzielle Risiken für Kundenzufriedenheit und -bindung birgt. Banken stehen vor der Aufgabe, die entstehende Distanz zum Kunden durch andere Mittel zu überbrücken, um diese Nachteile abzumildern.
Ausblick: Mit Predictive Intelligence die Kundendistanz überwinden
Angesichts des schrumpfenden physischen Kontakts stellt sich für Kreditinstitute die entscheidende Frage: Wie können wir trotz weniger Filialen die Nähe zum Kunden halten oder sogar verbessern? Moderne Technologien – insbesondere Predictive Intelligence als Teil von Künstlicher Intelligenz (KI) – bieten hier vielversprechende Ansätze. Durch intelligente Datennutzung können Banken individualisierte Kundenerlebnisse schaffen, die das fehlende Filialgespräch teilweise ersetzen und die Kundenbindung stärken.
Im Folgenden einige konkrete Potenziale von Predictive Intelligence für Kundenbindung, -ansprache und den bankfachlichen Vertrieb:
Proaktive Kundenbindung durch Vorhersagemodelle
KI-gestützte Analysen ermöglichen es, Kundenbedürfnisse vorauszusehen und Abwanderungstendenzen frühzeitig zu erkennen. Durch Auswertung von Kontotransaktionen, Nutzungsverhalten und sogar Stimmungsbildern (z.B. Beschwerden oder Umfragefeedback) können Banken Hinweise auf schwindende Kundenzufriedenheit oder bevorstehende Lebensereignisse erhalten.
Predictive-Analytics-Modelle können beispielsweise identifizieren, welche Kunden mit hoher Wahrscheinlichkeit abwandern könnten, und die Bank kann gezielt gegensteuern. So ließen sich z.B. Kunden, die ihr Gehalt zu einer anderen Bank umleiten oder längere Zeit inaktiv sind, automatisch markieren. Anschließend kann das Institut personalisierte Maßnahmen zur Kundenbindung ergreifen, etwa ein individuell auf den Kunden zugeschnittenes Vorteilsangebot, ein Beratungsgespräch oder bessere Konditionen anbieten.
Eine aktuelle Analyse bringt es auf den Punkt: Durch fortschrittliche Vorhersagemodelle können Banken ihre Kundenbindung stärken und personalisierte Strategien entwickeln, um Churn (Kundenabwanderung) zu reduzieren. Im Ergebnis bleibt der Kunde trotz fehlender Filiale eng betreut, wenn auch auf anderem Wege.
Gezielte Kundenansprache zum richtigen Zeitpunkt
Früher erkannte der Filialberater wichtige Anlässe – zum Beispiel wenn ein junger Kunde nach dem Studium finanziell auf eigenen Beinen stand oder wenn bei einem langjährigen Kunden eine größere Spareinlage hereinkam – und sprach den Kunden proaktiv auf passende Angebote an. Diese anlassbezogene Ansprache lässt sich heute mit Predictive Intelligence skalieren.
Datengetriebene Modelle prognostizieren Kundenverhalten und ermitteln den besten Kommunikationsweg, um jeden Kunden zu erreichen. Zum Beispiel kann eine Bank-Analytics-Lösung erkennen, dass ein Kunde, der regelmäßig Mietzahlungen überweist und Gehaltseingänge hat, vielleicht bald Interesse an Wohneigentum entwickelt – die KI könnte dann einen Beratungsimpuls zum Thema Baufinanzierung auslösen.
Wichtig ist dabei der passende Kanal und Zeitpunkt: Ein jüngerer Kunde reagiert eventuell am besten auf ein Angebot per App-Push oder E-Mail, während ein älterer Kunde eher telefonisch oder per Brief angesprochen werden sollte. So eine vorausschauende Kundenansprache – sei es ein personalisierter Finanz-Tipp im Online-Banking, ein automatisiert bereitgestelltes Angebot bei erkennbarem Bedarf, oder eine Einladung zum Beratungstermin, wenn es vermutlich relevant ist – kann die Lücke fehlender spontaner Filialgespräche schließen. Der Kunde fühlt sich verstanden und gut aufgehoben, obwohl keine örtliche Zweigstelle mehr „auf ihn aufpasst“.
Vertriebspotenziale heben mit KI-Unterstützung
Im bankfachlichen Vertrieb helfen moderne Analysesysteme, die richtigen Produkte zur richtigen Zeit anzubieten – ein Prinzip, das man als Next-Best-Product oder Next-Best-Action bezeichnet. Predictive Intelligence kann enorme Datenmengen zu Kunden (vom Zahlungsverhalten bis zur Web-Nutzung von Finanzinformationen) in Echtzeit verarbeiten und Wahrscheinlichkeiten berechnen, welche Finanzprodukte oder Services für einen Kunden aktuell relevant sein könnten.
Ein Beispiel: Erkennt das System, dass ein Kunde seit einiger Zeit überschüssiges Guthaben auf dem Girokonto hat, könnte es automatisch einen Hinweis auf eine besser verzinste Anlageform oder einen Fonds vorschlagen.
Oder im Kreditgeschäft: Beim Auslauf einer Zinsbindungsfrist erkennt die KI frühzeitig den Bedarf zur Anschlussfinanzierung und spielt dem Berater einen entsprechenden Hinweis samt vorbereitetem Angebot zu.
Sparkassen nutzen etwa im Ratenkreditgeschäft bereits Analysen, um das „volle Potenzial“ im Lebenszyklus eines Kunden auszuschöpfen – etwa dem Kunden nach einer Baufinanzierung zusätzlich einen Konsumentenkredit für die Einrichtung anbieten zu können (Stichwort cross-selling).
Auch Tools wie das „Extrageld“-Konzept im Kreditgeschäft zeigen, wie datengestützte Informationen dem Berater direkt Vertriebsmöglichkeiten aufzeigen: Hier wird bereits bei Kreditantrag die maximal tragbare Kredithöhe berechnet, sodass der Berater dem Kunden proaktiv eine zusätzliche Kreditlinie anbieten kann. Insgesamt ermöglicht KI eine personalisierte Beratung und Angebotserstellung auf Knopfdruck, die früher in dieser Form nicht möglich war. Das Ergebnis sind höhere Abschlussquoten im Vertrieb und zufriedenere Kunden, weil sie sich mit relevanten Vorschlägen statt mit Massenwerbung konfrontiert sehen.
Neue Wege für Nähe und Servicequalität
Für Entscheider in Kreditinstituten ergibt sich daraus ein Auftrag: Neue Wege finden, um Nähe und Servicequalität zu liefern – auch ohne flächendeckende Filialpräsenz. Die gute Nachricht ist, dass moderne Technologien dafür Werkzeuge bereithalten. Predictive Intelligence kann das Kundenerlebnis revolutionieren, indem sie personalisierte, vorausschauende Betreuung ermöglicht. Dadurch lassen sich Kundenbeziehungen intensivieren, maßgeschneiderte Angebote unterbreiten und Vertriebschancen effizient nutzen – idealerweise so, dass der Kunde die Filiale nicht vermisst.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer klugen Verzahnung von Mensch und Maschine: Technologie sollte die Empathie und Kompetenz der Bankmitarbeiter erweitern, nicht ersetzen. Banken, die dies meistern, können trotz weniger Filialen kundenzentriert und erfolgreich bleiben. Die Filiale der Zukunft ist vielleicht nicht aus Stein, Glas und Stahl, aber sie besteht aus Daten, intelligenter Analyse und persönlicher Ansprache – zum Wohl der Kunden und der Bank.
EU fördert Predictive-Intelligence
Die EU fördert derzeit Predictive-Intelligence-Anwendungen, damit die europäische Wirtschaft in der Anwendung von KI weltweit führend wird – wo der Anschluss in anderen Technologiefeldern wie LLMs an andere Nationen wie USA und China offensichtlich verloren wurde. Das IMWF Institut für Management- und Wirtschaftsforschung stellt derzeit ein Set an Pilotkunden aus der Bankwirtschaft für die Entwicklung einer Predictive Service Intelligence zusammen. Wer daran Interesse hat, möge sich gerne unter Info@IMWF.de melden.