Was passiert, wenn Billionen den Besitzer wechseln und eine neue Generation das Steuer übernimmt? Im Wealth Management steht kein Update an – sondern ein Systemwechsel. Wer denkt, das betrifft nur Banker, hat den Wandel nicht verstanden.

Das Wealth Management im Jahr 2035 steht vor vielfältigen Herausforderungen, die u.a. durch die nächste Erbengeneration geprägt werden.
Nicht weniger als 83,5 Billionen US-Dollar werden in den kommenden zwei Jahrzehnten vererbt, laut Capgemini’s aktuellen World Wealth Report 2025. Um diese unglaubliche Summe greifbar zu machen: Damit könnte man jedem der 8 Milliarden Menschen auf der Welt heute 10.000 Dollar reichen. Ein einzelner Mensch bräuchte ganze 2.500 Jahre um die Summe auszugeben, selbst wenn er jede Sekunde 1.000 Dollar ausgeben würde. Schneller ginge es, wenn er das wertvollste Unternehmen der Welt kauft – 25 mal, denn Apple ist derzeit „nur“ rund drei Billionen Dollar wert.
Die Vermögensverwalter stehen an der Schwelle zu einer neuen Ära und die nächste Erbengeneration der sogenannten High Networth Individuals (kurz HNWIs) macht es ihnen nicht leicht: Sie ist digital aufgewachsen, global vernetzt und kommt mit neuen Ansprüchen und Gewohnheiten zu ihrem Kundenberater, welche die Branche bis 2035 nachhaltig verändern werden.
Gleichzeitig revolutionieren Künstliche Intelligenz (KI), Automatisierung und datengetriebene Personalisierung bereits heute, wie Vermögen verwaltet, analysiert und weitergegeben wird.
Daraus ergeben sich Chancen und Herausforderungen für alle Beteiligten, vorausgesetzt sie verstehen es, die Marktchancen proaktiv zu nutzen.
Frauen rücken ins Visier der Berater
Für Wealth und Asset Manager bedeutet dieser Wandel eine doppelte Herausforderung: Einerseits müssen bestehende Kundenbeziehungen gesichert werden, andererseits gilt es, neue Angebote und Kommunikationsformen zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Erben gerecht werden.
Ein oft unterschätzter, aber entscheidender Aspekt dieses Wandels ist die geschlechterspezifische Dynamik. Frauen werden bis 2048 voraussichtlich rund 56 Prozent des gesamten übertragenen Vermögens erben – ein Anteil, der die Branche nachhaltig verändern wird. Damit rücken Frauen stärker denn je in den Mittelpunkt der Vermögensverwaltung. Sie agieren zunehmend als Entscheiderinnen, Investorinnen und Gestalterinnen von Vermögensstrategien. Wealth und Asset Manager, die ihre Angebote, Kommunikationsstile und Beratungsansätze nicht gezielt auf diese Zielgruppe ausrichten, riskieren den Anschluss zu verlieren. Geschlechterinklusive Strategien sind daher kein „Nice-to-have“, sondern ein strategisches Muss.
Neue Generation, neue Standards – neue Berater?
Laut unserem Report planen über 80 Prozent der Next-gen HNWIs, die Vermögensverwaltung ihrer Eltern innerhalb von zwei Jahren nach Erhalt des Erbes zu wechseln. Die Loyalität zur Institution weicht einer stärkeren Bindung an individuelle Berater und digitale Plattformen. Relationship Manager (RMs) sind entscheidend für generationenübergreifende Kundenbindung. 61 Prozent der Next-gen HNWIs würden ihrer Beraterin oder ihrem Berater zu einer neuen Firma folgen. Diese persönliche Bindung unterstreicht die strategische Bedeutung von gut ausgebildeten, technologisch unterstützten und empathisch agierenden RMs im Wettbewerb um das Vertrauen der nächsten Generation.
Die Anforderungen der neuen Generation sind komplex und vielschichtig. Sie erwarten nicht nur Zugang zu alternativen Anlageformen wie Private Equity, Kryptowährungen oder Passion Investments, sondern auch eine Beratung, die ihre Lebensrealität widerspiegelt. Themen wie globale Diversifikation, digitale Vermögensübersicht und ganzheitliche Nachfolgeplanung gewinnen an Bedeutung.
Der große Vermögenstransfer ist damit nicht nur eine finanzielle Bewegung, sondern ein strategischer Wendepunkt. Er zwingt die Branche sich neu zu erfinden – technologisch, kulturell und strukturell. Doch viele Institute sind laut unserer Studie noch nicht ausreichend darauf vorbereitet: Es fehlt an digitalen Tools, an Schulung und an generationsübergreifender Ausrichtung. Die Folge sind steigende Wechselabsichten bei Kunden und eine wachsende Unzufriedenheit bei Beratern.
Wer frühzeitig versteht, dass die nächste Generation nicht nur anders investiert, sondern auch anders kommuniziert und denkt, kann sich als relevanter Partner positionieren. Die kommenden Jahre bieten die Chance, neue Standards zu setzen und eine Vermögensverwaltung zu gestalten, die nicht nur Kapital bewahrt, sondern auch Vertrauen schafft.
Wie KI das Wealth Management neu definiert
Die Transformation der Vermögensverwaltung wird maßgeblich durch den technologischen Fortschritt vorangetrieben. Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI), insbesondere generativer KI, eröffnet dem Wealth Management neue Potenziale zur Effizienzsteigerung und zur Weiterentwicklung der Kundeninteraktion. Angesichts des bevorstehenden Vermögenstransfers bietet der technologische Fortschritt die Chance, Beratungsprozesse und Kundenbindung innovativ zu gestalten. GenKI kann entlang der gesamten Wertschöpfungskette Prozesse automatisieren und neue Innovationspotenziale erschließen.
Vermögensverwalter sehen in GenKI eine Schlüsseltechnologie zur Automatisierung von Prozessen, von der Kundengewinnung über das Onboarding bis zur Portfolioanalyse. Digitale Assistenten unterstützen Relationship Manager bei der Gesprächsvorbereitung, der Analyse von Kundenbedürfnissen und der Erstellung individueller Empfehlungen. Gleichzeitig entlastet KI durch die Übernahme repetitiver Aufgaben und schafft dadurch Raum für strategische Beratung.
Bereits in der Akquise ermöglicht GenKI eine individuellere und schnellere Ansprache potenzieller Kunden, bspw. durch personalisierte Inhalte, die auf Lebenssituationen oder Interessen abgestimmt sind, sowie durch die Analyse digitaler Verhaltensmuster. Beim Onboarding profitieren Kunden von einem nahtlosen Einstieg: KYC-Prüfungen und Identitätsverifikation erfolgen automatisiert und in Echtzeit. Im laufenden Service sorgt GenKI für unmittelbare Reaktionen auf Anfragen, etwa durch smarte Chatbots, die rund um die Uhr erreichbar sind, Transaktionen begleiten oder proaktiv Hinweise zu Portfolioentwicklungen geben. So wird der Service nicht nur effizienter, sondern auch deutlich näher an den Erwartungen einer digitalaffinen Kundschaft ausgerichtet.
Trotz dieser Fortschritte bleibt der menschliche Berater insbesondere bei komplexen Entscheidungen zentral. KI wird als Ergänzung verstanden, da sie datenbasierte Grundlagen liefert, Routinetätigkeiten automatisiert und die persönliche Beratung stärkt. Im Affluent-Segment mit Vermögen zwischen 250.000 und einer Million US-Dollar kann GenKI viele Aufgaben eigenständig übernehmen. In höheren Vermögensklassen bleibt der persönliche Austausch jedoch entscheidend.
Für Wealth Manager leiten sich aus der steigenden Relevanz von KI im Markt unterschiedliche Handlungsempfehlungen ab. Sie sollten GenKI gezielt in der Kundenberatung einsetzen, um datenbasierte Empfehlungen effizienter zu erstellen und mehr Raum für persönliche Gespräche zu schaffen. Gleichzeitig ist es essenziell, Vertrauen in den KI-Einsatz aufzubauen, indem Kunden transparent über den Nutzen und die Grenzen der Technologie informiert werden. Darüber hinaus bietet GenKI im Marketing und Kundenservice die Chance, durch personalisierte Inhalte und proaktive Ansprache die Kundenbindung deutlich zu stärken.

Möglichkeiten zur Integration von KI für Wealth Manager.
Vorausschauend handeln, um 2035 erfolgreich zu sein
Die kommenden Jahre entscheiden darüber, wer im Wealth Management 2035 zu den Gestaltern gehört und wer von der Konkurrenz verschluckt wird. Wer heute gezielt in generationenübergreifende Kundenbindung, innovative Angebote und intelligente Technologien investiert, schafft die Grundlage für nachhaltigen Erfolg. Drei zentrale Handlungsfelder stellen wir dabei in den Fokus:
1. Kundenbeziehungen generationenübergreifend sichern
Kontinuierliche Weiterbildung und der gezielte Einsatz moderner Technologien stärken die Rolle der Relationship Manager nachhaltig. Nur so lassen sich persönliche Beziehungen über Generationen hinweg erhalten und die Loyalität auch nach dem Vermögensübergang sichern. Abbildung 2 zeigt zentrale Stellschrauben, mit denen sich dieses Ziel erreichen lässt.

Weiterbildung der Relationship Manager für eine engere Kundenbindung und mehr Expertise.
2. Angebote konsequent an neue Bedürfnisse anpassen
Alternative Investments und nachhaltige Anlagestrategien sind für die nextGen HWNIs keine Randthemen, sondern werden zunehmend zu zentralen Entscheidungsfaktoren. Gleichzeitig entsteht so Zugang zu neuen Kundensegmenten, die durch die Demokratisierung alternativer Anlagen an Bedeutung gewinnen.
3. Technologie als strategischen Hebel nutzen
Künstliche Intelligenz steigert nicht nur die Effizienz, sondern erleichtet die wirtschaftlich und qualitativ hochwertige Betreuung, breiter Kundensegmente wie dem Affluent-Segment. Eine optimierte Kostenstruktur eröffnet die Möglichkeit, individuellere Services anzubieten und die Beratungsqualität insgesamt zu stärken. Entscheidend ist, dass Technologie die persönliche Beratung nicht ersetzt, sondern gezielt ergänzt.
Fazit: Den Wandel als Chance nutzen
Aus meiner Sicht steht das Wealth Management vor einem historischen Wendepunkt. Der anstehende Generationenwechsel, gepaart mit technologischen Quantensprüngen, verlangt von allen Marktteilnehmern nicht nur Anpassung – sondern aktives Gestalten. Es reicht nicht mehr, auf Veränderungen zu reagieren.
Die Zukunft gehört jenen, die Technologie mit Menschlichkeit verbinden, die Daten nutzen, um Vertrauen zu stärken, und die den Wandel nicht als Risiko, sondern als Chance begreifen. Die nächsten Jahre werden dafür entscheidend sein – und sie bieten die einmalige Gelegenheit, Wealth Management neu zu definieren: persönlicher, digitaler, nachhaltiger.
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