Sparkassen, Volksbanken und Privatbanken stehen vor einer Grundsatzentscheidung: Sollen sie KI schnell selbst entwickeln? Oder ist es doch besser, auf den IT-Verbundpartner zu warten? Eine systematische Entscheidungshilfe.

Beim Einsatz Künstlicher Intelligenz in Sparkassen und Volksbanken spielt die Zusammenarbeit mit dem IT-Verbundpartner eine wichtig Rolle.
Die Management-Entscheidung ist gefällt: Künstliche Intelligenz soll die Bank der Zukunft formen, angefangen mit ersten Anwendungsfällen. Doch mit welchen Ressourcen werden die Applikationen entwickelt? Welche Partner sind einzubinden? Und ist es nicht doch klüger, auf die KI-Angebote des IT-Verbundpartners wie Atruvia oder Finanz Informatik zu warten? Diese und weitere Fragen plagen das C-Level von Banken, nachdem sie sich durchgerungen haben, KI als Zukunftstechnologie in ihrer Organisation zu etablieren.
Hierbei wiegt vor allem die Entscheidung schwer, ob die Entwicklung erster KI-Use-Cases eigenständig oder im IT-Verbund erfolgen sollte. Für eine qualifizierte Antwort ist zunächst der Blick auf die relevanten KI-Opportunitäten einer Bank notwendig. Denn ob und wie mit dem IT-Verbundpartner kooperiert werden sollte, hängt neben der Struktur insbesondere von den ersten Anwendungsfällen in einer Bank ab.
Künstliche Intelligenz bringt Kreditinstituten in zwei Bereichen großen Mehrwert: Sie haben Produktivitäts-Opportunitäten sowohl in der Vertriebs- als auch in der Produktionsbank. Die Steuerungsbank ist mit Ausnahme von Fraud-Detection-Modellen im Instant-Payment-Zahlungsverkehr auch ohne den Einsatz von KI-Modellen gut aufgestellt.
Die in rot eingefärbten Prozesse einer Bank bergen besonders starke Produktivitäts-Opportunitäten bei der Verwendung von Künstlicher Intelligenz.
Verbundlösungen für KI-Anwendungsfälle in der Vertriebsbank
Im direkten Kundenkontakt begegnen Banken zunehmend der Erwartung maßgeschneiderter Finanzprodukte und persönlicher Betreuung. KI-gestützte Analysetools wie „Next-Best-Offer“-Technologien unterstützen den Berater dabei, individuelle Wünsche zu erkennen und passende Produkte zu empfehlen. Damit können Finanzdienstleister im Gegensatz zu dem verbreiteten Lebensphasenmodell endlich auf die eigentlichen Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen – zum Beispiel, wenn zum 30. Geburtstag doch andere Themen als das Eigenheim Priorität besitzen.
Neben den von Finanz Informatik und Atruvia bereits umgesetzten Chatbots wie S-Copilot und Co. sind im persönlichen Produktvertrieb insbesondere Realtime-Assistenten von Bedeutung. Sie befähigen den Berater, Gespräche zielgerichtet vor- und nachzubereiten sowie im laufenden Austausch Informationen passgenau abrufen zu können, sind aber noch nicht im Portfolio von Atruvia und Finanz Informatik enthalten. Das zeigt: grundlegende KI-Anwendungen werden heute – zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT – durch die IT-Verbundpartner bereits bereitgestellt.
Spezialisierte Anwendungen hingegen lassen weiter auf sich warten. Die gute Nachricht dabei ist: Für Prozesse in der Vertriebsbank besteht in der Regel eine geringe Dringlichkeit, sodass für Use Cases in diesem Bereich auch auf Angebote innerhalb des Verbunds gewartet werden kann. Sie können jedoch oft erst mit starker Verzögerung eingebunden werden.
Dringender Handlungsbedarf bei KI-Lösungen in der Produktionsbank
In der Produktionsbank stehen das Risikomanagement sowie die Einhaltung von Governance und Compliance im Fokus. KI-Algorithmen analysieren Markttrends in Echtzeit und identifizieren potenzielle Gefahren. Gleichzeitig gewährleisten GenAI-Anwendungen in Verbindung mit internen Wissensdatenbanken die Berücksichtigung immer komplexerer Vorschriften. Der Abgleich der Regularien ist an erster Stelle gegenüber Verträgen und Arbeitsvorschriften notwendig.
Ein konkretes Beispiel für den Abgleich interner Daten mit aktueller Regulatorik stellt die Prüfung von Bestandsverträgen nach DORA-Konformität dar. Viele Institute konstatieren bereits heute, die erforderlichen Abgleiche hinsichtlich des Auslagerungsmanagement bedingt durch große Personallücken erst nach Inkrafttreten der DORA durchführen zu können.
Für KI-Services wie Vertragsabgleiche besteht somit die Notwendigkeit, kurzfristig KI-Produkte zu entwickeln. In diesem Fall müssen Banken die Eigeninitiative ergreifen und allein oder mit Partnern eine cloudbasierte KI-Lösung entwerfen. Das Warten auf eine KI-Lösung des Verbundpartners ist hier kaum möglich.
Ob Eigenentwicklung oder Verbund-KI hängt stark von der Institutsgröße ab
Schlussendlich ist die Dringlichkeit des Einsatzes einzelner KI-Anwendungen durch das Geldhaus individuell einzuschätzen. Wichtige Entscheidungskriterien stellen unter anderem regulatorischer Handlungsdruck, starke Personalengpässe oder ein anstehender Transformationsprozess dar. Wenn mittel- bis langfristig geplant werden kann, empfiehlt es sich, auf den Verbundpartner zu warten.
Banken sollten sorgfältig abwägen, in welchen Fällen sie sich an einen Verbundpartner binden und wann sie flexibel bleiben wollen.
Neben der Dringlichkeit von KI-Initiativen haben Banken je nach Größe unterschiedliche Prämissen, die die Entscheidung für oder gegen den Betrieb von KI-Anwendungen über den IT-Verbundpartner signifikant beeinflussen. Große Banken profitieren in der Regel bereits heute von umfassenden KI-Systemen, die inhouse durch entsprechende Abteilungen betrieben werden. Somit ist der Betrieb über den Verbund nicht notwendig. Bereits mehrheitlich umgesetzte Anwendungen in großen Häusern umfassen sowohl die Betrugsprävention als auch den KI-getriebenen Kundenservice.
Mittelgroße und kleine Banken hingegen verfügen nicht über dezidierte KI-Teams für Entwicklung und Betrieb von KI-Anwendungen. Aus diesem Grund ist der Betrieb innerhalb des Sparkassen- oder Genossenschaftlichen-Verbunds durchaus attraktiv. Entscheider sollten für die Mehrheit ihrer KI-Initiativen abgestimmt mit anderen Instituten agieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist der S-Copilot der Sparkassen-Finanzgruppe, ein für alle Sparkassen einheitlicher und fachspezifischer Chatbot.
Dringliche Initiativen, insbesondere in der Produktionsbank, sollten trotzdem mit der Unterstützung externer Partner unabhängig und schnell in der Cloud umgesetzt werden. Denn die IT-Verbundpartner agieren in der Regel langsam und bieten in ihrem KI-Angebot bislang noch keine Tools an, die die Erfüllung von KI-Regulatorien forcieren.
Größe und Anwendungsfall entscheiden über notwendige KI-Eigeninitiative
Banken sollten mit ihrer KI-Strategie avisieren, in Zusammenarbeit mit einem IT-Verbundpartner zu agieren. Die unabhängige Entwicklung von KI-Applikationen ergibt nur dann Sinn, wenn eine Bank entweder durch ihre Größe ein eigenes Data-Science-Team betreibt oder ein KI-Anwendungsfall mittelfristig große Personallücken überbrückt und noch nicht durch Atruvia oder Finanz Informatik eingeplant wurde. So sind insbesondere KI-Anwendungsfälle in der Produktionsbank prädestiniert dafür, von kleinen und mittelgroßen Banken eigenständig umgesetzt zu werden.