Seit 2024 haben Banken erweiterte Pflichten zur Berichterstattung über die Nachhaltigkeit ihrer Finanzierungen. Das Problem: Es fehlen aktuelle Daten, die eine verlässliche Bewertung der Finanzierungen ermöglichen. Was tun und warum es sich lohnt?

Anforderungen und Lösungsansätze zur Berichterstattung über Nachhaltigkeit von Baufinanzierungen.
Mit der EU-Taxonomie hat die EU-Kommission verbindliche Standards für nachhaltiges Wirtschaften festgelegt. Ziel ist es, Kapitalströme in nachhaltige Projekte zu lenken und den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft voranzutreiben.
Für Baufinanzierungen hat die EU-Taxonomie zur Folge, dass nur solche Immobilienprojekte als „grün“ eingestuft werden, die den Kriterien der Taxonomie entsprechen. Damit möchte die EU gezielt die Finanzierung von nachhaltigen Immobilien fördern. Banken müssen selbstständig sicherstellen, dass die von ihnen finanzierten Immobilienprojekte taxonomiekonform sind.
Die Anforderungen der EU-Taxonomie an Baufinanzierungen
Um taxonomiekonform zu sein, müssen Baufinanzierungen fest definierte Umweltkriterien erfüllen, die auf den folgenden sechs Umweltzielen der EU basieren.
- Klimaschutz: Immobilienprojekte müssen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen.
- Anpassung an den Klimawandel: Gebäude müssen klimafest sein und Risiken, wie z. B. Überschwemmungen, standhalten.
- Nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen: Wassersparende Technologien sollten integriert werden.
- Übergang zur Kreislaufwirtschaft: Abfallminimierung und Recycling sind essenziell.
- Vermeidung von Umweltverschmutzung: Umweltfreundliche Materialien und Verfahren sind erforderlich.
- Schutz der Biodiversität und Ökosysteme: Projekte dürfen keine erheblichen Auswirkungen auf Natur und Artenvielfalt haben.
Banken müssen ihre bereits vergebenen Baufinanzierungen jetzt auf „Nachhaltigkeit“ überprüfen und benötigen hierzu Daten zu Energieeffizienz, CO₂-Emissionen und anderen ökologischen Faktoren. Das Problem: Diese Daten liegen häufig nicht vor. Besonders bei älteren Immobilien ist die Datenqualität oft schlecht. Das macht es schwer, eine verlässliche Bewertung vorzunehmen.
Die Bewertung der finanzierten Immobilien eröffnet Chancen
Banken sollten den regulatorischen Druck der EU-Taxonomie nicht in erster Linie als Belastung sehen, sondern als Chance. Institute, die frühzeitig auf die EU-Taxonomie reagieren, profitieren in vielerlei Hinsicht:
Risikobewertung bei der Kreditvergabe
Immobilien mit schlechter Energiebilanz sind mit höheren Kosten für Energie und Instandhaltung verbunden. Das erhöht das Risiko, dass Eigentümer in Zahlungsschwierigkeiten geraten, insbesondere wenn die Energiepreise steigen. Eine gute Energiebilanz reduziert das finanzielle Risiko, da die Betriebskosten niedriger und damit die Wahrscheinlichkeit eines Kreditausfalls geringer sind.
Wertstabilität und Wiederverkaufswert
Der Wert von Immobilien mit hoher Energieeffizienz bleibt stabil oder steigt sogar, diese Immobilien sind auf dem Markt zunehmend gefragt. Der Wiederverkaufswert von Immobilien mit schlechter Energieklasse wird hingegen abnehmen. Dies beeinflusst die Besicherung der Kredite.
Nachhaltigkeitsstrategie und Reputation
Die Energiebilanz der finanzierten Immobilien zu kennen, ermöglicht es Banken, klimafreundlichere Entscheidungen zu treffen und das Kreditportfolio gezielt in Richtung Nachhaltigkeit zu steuern. Dies wirkt sich positiv auf das Image aus und verbessert die Wahrnehmung bei Kunden und Investoren.
Neue Vertriebsimpulse
Banken, die den energetischen Ist-Zustand der finanzierten Immobilien kennen, können ihre Kunden gezielt zum Thema energetische Sanierung beraten und maßgeschneiderte Finanzierungsmöglichkeiten anbieten. Unter Berücksichtigung staatlicher Förderprogramme und Subventionen für nachhaltige Bau- und Sanierungsprojekte können Banken besonders attraktive Konditionen hierfür anbieten und damit die Kundenbindung verbessern.
Einhalten regulatorischer Anforderungen
Zu guter Letzt ist das Einhalten der regulatorischen Anforderungen erforderlich, um Sanktionen wie Strafzahlungen zu vermeiden. Denn die Aufsichtsbehörden haben sich verpflichtet, die Erfüllung der Anforderungen der EU-Taxonomie streng zu kontrollieren und Verstöße rigoros zu ahnden.
Energiebedarfsausweis zur Bewertung der Nachhaltigkeit
Um die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Immobilien zu bewerten, empfiehlt es sich für Banken, verstärkt auf den Energiebedarfsausweis zu setzen. Warum?
Ein Energieausweis ist in Deutschland beim Verkauf und der Vermietung von Immobilien gesetzlich vorgeschrieben, um Transparenz über die Energieeffizienz zu schaffen. Er bietet eine detaillierte Übersicht über den energetischen Zustand einer Immobilie und künftige Sanierungspotenziale.
Für Banken sind die enthaltenen Informationen wie Energieverbrauchskennwert, Energieeffizienzklasse, Heizenergieverbrauch, Wärmequelle und Baujahr des Gebäudes essenziell für eine ganzheitliche Betrachtung der Wertverlustrisiken. Der Energiebedarfsausweis stellt also eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Kreditvergabe dar.
Ausgehend von der Immobilienbewertung ergeben sich neue Vertriebschancen: Banken können aktiv auf Kunden zugehen und sich als verlässlicher Partner bei der Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen positionieren, die von unabhängigen Energieberatern empfohlen werden. So entsteht eine Win-Win-Situation für Kunden und Banken: Der Immobilienwert steigt durch die Sanierungsmaßnahmen, die Betriebskosten sinken für den Endkunden und die Immobilie wird im Markt attraktiver. Der Energiebedarfsausweis hat damit das Potenzial zum Schlüssel für nachhaltige grüne Finanzierungen zu werden.
Wie kommen Banken an den Energiebedarfsausweis ran?
Klingt in der Theorie logisch … aber wie kommen Banken in der Praxis an die Daten der Energiebedarfsausweise ihrer finanzierten Immobilien heran?
Innovative Tools helfen Banken, automatisiert Daten bei einer großen Anzahl an Kunden abzufragen und auszuwerten. Lösungen, wie etwa das Energieklassenradar des Bremer Startups ÜberseeHub, gestalten diesen Prozess zeit- und kosteneffizient. Das Tool erfasst die relevanten Daten, welche für die Einhaltung der EU-Taxonomie erforderlich sind, digital. Die unvollständige Datenbasis des Bestandsportfolios lässt sich mit minimalem Aufwand vervollständigen, um eine zuverlässige Grundlage für die Bewertung der finanzierten Immobilien zu schaffen.
Es lohnt sich, die Bestandsbewertung anzugehen
Die energetische Bewertung der finanzierten Immobilien ist für Banken ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Kreditportfolio und zur EU-Taxonomie-Konformität. Für eine belastbare Bewertungsgrundlage müssen die Daten zu den Gebäuden aktuell sein. Innovative Tools beschleunigen den bisher langwierigen Prozess der Datenerfassung. Early Adopter digitaler Lösungen können die EU-Richtlinien schneller umsetzen, eröffnen sich neue Vertriebschancen in der Finanzierung von Sanierungen und sichern sich damit einen Wettbewerbsvorteil.
Jakob Denkena.
Jakob Denkena ist Koautor des Beitrags, Er ist Head of Finance & Operations bei der Sunshine Energieberatung und verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Entwicklung innovativer technologischer Lösungen sowie Erfahrungen in der Finanz-, bzw. Bankenwelt.