Die Schlüsselrolle im agilen Spotify-Modell für Banken

Agilität für ein erfolgreiches Banking der Zukunft (2/2)

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Im agilen Spotify-Modell kommt den Chapter (Leads) eine Schlüsselrolle zu. Sie sorgen für Herausforderungen, wenn deren Funktion nicht vorab für alle Involvierten feststeht. Im Mittelpunkt stehen dabei Hierarchiefragen und der Umgang mit unklar abgegrenzten Aufgabenbereichen.

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Das Spotify-Modell ist derzeit eines der am meisten nachgefragten Modelle, wenn es um die Transformation hin zu einer agilen Organisation geht. Mit neuen Strukturen und Rollen gehen jedoch oft Unsicherheiten und Hindernisse einher. Während der erste Teil zum Spotify-Modell in die Aufbauorganisation einführt hat, wird im Folgenden speziell auf die Rolle der Chapter bzw. der Chapter Leads eingegangen.

Chapter sind ein Zusammenschluss aus Spezialisten einer Fachrichtung innerhalb eines Tribes. Der Chapter Lead ist die Führungskraft eines Chapters und sorgt für den Wissensaustausch und damit die stetige Weiterbildung der Gruppenmitglieder. Die Crux: Bei der Transformation ist anfangs oft noch nicht klar, welche Aufgaben den Mitarbeitern im Chapter und der Rolle des Chapter Leads zukommen. Das kann überfordern, zu Missverständnissen führen und letztendlich den Fortschritt der agilen Transformation ausbremsen.

Die Funktion der Chapter (Leads)

Mitglieder eines Chapters tauschen sich fachlich aus, entwickeln sich somit weiter und fördern damit Innovationen. In der Realität stehen mit der Ausgestaltung der Chapter-Rolle und deren Lead jedoch häufig viele Fragen im Raum. Was macht das Chapter genau und wie stark greift es in die Produktentwicklung der operativ arbeitenden Squads ein, um das Alignment sicherzustellen? Ist der Chapter Lead die disziplinarische Führungskraft? Arbeitet er auch gleichzeitig noch operativ in einem Squad mit? Und wie ändert sich die Konstellation, wenn ein weiteres Chapter-Mitglied im gleichen Squad arbeitet – ist dann ein hierarchiefreier Raum noch gegeben?

Oft entsteht zusätzlich ein Paradoxon: So wird die hierarchische Führung im Arbeitsalltag und in der Praxis gerne verdammt – gleichzeitig aber vermisst, wenn sie nicht mehr vorhanden ist. Die Folge: Viele Unternehmen installieren den Chapter Lead als neue Führungskraft, der aber mit altbekannten Führungsaufgaben wie Feedback, Performance- und Beurteilungsmanagement beauftragt wird – nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen.

Der Chapter Lead im Kontext der Aufbauorganisation von 2012

Im ursprünglichen Spotify-Modell von 2012 ist der Chapter Lead die tatsächliche disziplinarische Führungskraft für die Mitglieder seines Chapters mit allen einhergehenden Aufgaben wie der Weiterentwicklung der Kollegen, der Festlegung der Performance und damit auch von Gehältern. Zusätzlich ist er weiterhin Teil der operativen Arbeit in einem Squad, um mit der Realität in Kontakt zu bleiben. Nichtsdestotrotz unterscheiden sich Unternehmen, die das Modell heute einführen, kulturell maßgeblich von Spotify im Jahre 2012.

Spotify war damals ein Start-up, noch dazu eines aus Schweden, das bekannt dafür ist, Hierarchien nicht allzu strikt zu definieren. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass die Führung durch die Chapter Leads bei Spotify viel lockerer gesehen wurde, als dies heute in Unternehmen mit Chapter Leads der Fall ist.

Mögliche Ansätze für den Einsatz der Chapter Leads

In der Praxis ergeben sich also zwei Herausforderungen, die ich konkret in meinem Berateralltag erlebe:

  • Die Ausgestaltung der Führungsrolle sowie
  • die Frage nach der Mitarbeit in einem operativen Squad.

Doch Unternehmen können diese Hürden meistern.

Weiterführen einer möglichst hierarchiefreien Organisation

Nach einem Führungsmodell des Autors und Journalisten Daniel H. Pink können Mitarbeiter ihre gesamte Energie entfalten, wenn sie in ihrer Arbeit sowohl Sinn und Autonomie finden als auch ihre zugetragenen Aufgaben mit ihrem Können meistern. Im Spotify-Modell wird dies durch die Rollen Product Owner (Sinn), ScrumMaster/Agile Coach (Autonomie) und Chapter Lead (Können) sichergestellt. Meine Empfehlung bezüglich der Ausgestaltung der disziplinarischen Führungskraft ist vielmehr die konsequente Umsetzung einer lateralen Führung bei allen drei Rollen.

Agiles Führungsmodell nach Daniel H. Pink

Die drei Bereiche Autonomie, Sinn und Können aus dem Führungsmodell nach Daniel H. Pink werden auf die agilen Rollen adaptiert.

Das gemeinsame Ziel der drei Rollen ist, die beste Arbeitsumgebung für den Mitarbeiter zu schaffen, damit sich dieser ständig weiterentwickelt und effizient an den Zielen des Unternehmens arbeitet. Disziplinär kann in diesem Fall immer noch der Tribe Lead letztverantwortlich sein, wobei dieser keinen regelmäßigen Kontakt zu allen Mitarbeitern haben wird. Vielmehr muss es reife 360-Grad-Feedbackprozesse inklusive kollektiver Gehaltfestlegungsprozesse geben, um dieses hierarchiefreie Setup zum Leben zu erwecken. Damit sollte ein Großteil der anfallenden Führungsaufgaben im Kollektiv der drei Rollen bewältigt werden, sodass ein Tribe Lead tatsächlich nur mehr die disziplinarische Rückfallvariante am Papier ist. Die Herausforderung ist, dass es sich bei dieser Organisation von Führung um große Veränderungen in sensiblen Themenbereichen handelt und Unternehmen daher zögern, diese konsequent umzusetzen.

Die Doppelfunktion hinterfragen

Die Mitarbeit des Chapter Leads in einem operativ tätigen Squad hängt generell stark von der Intensität der Arbeit am Alignement und an der Strategie und dem Setzen von Standards im jeweiligen Chapter ab. Ist nur wenig Alignement (<20 Prozent der Regelarbeitszeit) notwendig und liegt der Hauptfokus auf der fachlichen Weiterentwicklung der Kollegen, so ist es durchaus in Ordnung, dass der Kollege weiterhin operativ in einem Team tätig ist. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass der Fokus dieses Kollegen leiden wird, weil er sich in einer klassischen Doppelfunktion wiederfindet, was mit (Priorisierungs-)Konflikten verbunden sein kann.

Wie ändert sich die Funktion des Chapter Leads, wenn nicht nur mehr die Weiterentwicklung der Mitarbeiter im Mittelpunkt steht, sondern auch der Alignementbedarf und die Strategiearbeit im Chapter groß ist? In diesem Fall sollte der Chapter Lead seinen Fokus auf diese Führungsaufgaben richten und nicht mehr parallel dazu operativ tätig sein. Ein häufiges Beispiel ist das UX-Design-Chapter, in dem der Lead nicht nur für die Weiterentwicklung der Chapter-Mitglieder, sondern auch für die Entwicklung eines Style Guides und des Markenauftritts zuständig ist. Die Herausforderung ist in vielen Organisationen zudem, dass ehemalige Führungskräfte gar nicht mehr in der Lage sind, eine mitarbeitende Rolle auszufüllen. Durch den jahrelangen Fokus auf Koordination und strategische Tätigkeiten haben sie schlichtweg nicht mehr die Expertise, um operativ tätig zu sein.

Wichtig ist: Selbst, wenn Chapter Leads nicht operativ tätig sind, sollte kein Elfenbeinturm-Management entstehen, sondern eines, das nahe an den echten Themen der Chapter-Mitglieder ist. Das Chapter bzw. der Chapter Lead wird dabei im Idealfall nie zu einem „Quality Gate“, das bzw. der alle Lieferungen der operativ arbeitenden Squads absegnet. Ein weiterer, essenzieller Punkt: Damit die Chapter Leads ihre Aufgabe erfüllen können, benötigen sie erfahrungsgemäß zunächst Anleitung in der Führung der Teams, zum Beispiel durch Agile Coaches, damit die Ausrichtung auf die gemeinsame Vision, die die einzelnen Chapter-Mitglieder bei ihren autonomen Entscheidungen anleitet, gelingt, und hohe Qualitätsstandards gesetzt werden können.

Rollengestaltung der Chapter (Leads) im agilen Modell von Spotify

Der Chapter Lead ist entweder Teil des operativen Squads (rechts) oder fokussiert vorrangig Aufgaben wie Strategiearbeit bzw. Alignment (links).

Fazit: Das Rollenverständnis ist entscheidend

Die meisten Herausforderungen bei der Einführung des Spotify-Modells entstehen oft aufgrund eines unklaren Rollenverständnisses. Eine vorab definierte Erwartungshaltung und eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten bewahren vor größeren Hürden. Unabdingbar ist zudem eine hierarchiefreie Umgebung, in der die Mitarbeiter des Chapters autonom agieren und entscheiden dürfen.

Über den Autor

Christoph Schmiedinger

Christoph Schmiedinger ist Executive Management Consultant bei borisgloger consulting mit Schwerpunkten in den Bereichen Enterprise Agility, agile Transformationen und skalierte Projekte in Banking und Finance. Zuvor war er als Product Owner bei einem Hersteller von sicherheitskritischen Kommunikationslösungen in Wien tätig und kann auf über acht Jahre Erfahrung in der agilen Entwicklung von Produkten und Systemen zurückblicken.

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