Quo Vadis Baufinanzierung

Wohnungskrise und Nachhaltigkeit im Fokus

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Der deutsche Wohnungsmarkt ist unter Druck wie nie zuvor. Zwei zentrale Herausforderungen prägen die Debatte. Diese berühren nicht nur die Immobilienwirtschaft, sondern die gesamte Gesellschaft – bezahlbaren und zukunftsfähigen Wohnraum für alle zu schaffen.

Der deutsche Wohnungsmarkt steht unter großem Druck

Nachhaltigkeit und Wohnungsknappheit sind zentrale Herausforderungen für den deutschen Wohnungsmarkt

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Die Fakten sind alarmierend. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bräuchte Deutschland jährlich 370.000 neue Wohnungen, um den Bedarf zu decken. Die Realität sieht anders aus: In den Jahren 2021 bis 2023 wurden im Schnitt lediglich 290.000 Einheiten fertiggestellt. Diese Lücke von rund 80.000 Wohnungen pro Jahr summiert sich, sodass Deutschland in vier Jahren theoretisch Wohnraum für eine Stadt wie Düsseldorf mit einer angenommen Haushaltsgröße von 2 Personen fehlen wird.

Die Ursachen der Knappheit

Ursachen des fehlenden Wohnraums sind vor allem:

  • Regulierungsrausch und hohe Baukosten: Bauvorschriften und langwierige Genehmigungsverfahren verlangsamen die Projekte. Gleichzeitig treiben Materialkosten und Energiepreise die Investitionssummen in die Höhe.
  • Marktmechanismen: Spekulanten und Großinvestoren heizen die Preise an, während sich Normalverdiener Wohneigentum kaum leisten können.
  • Gentrifizierung und soziale Ungleichheit: Bezahlbarer Wohnraum wird zunehmend verdrängt, vor allem in Ballungszentren.

Das Ergebnis: Die Wohnungsknappheit wird zum gesellschaftlichen Sprengstoff. Steigende Mieten und Immobilienpreise vertiefen die soziale Spaltung. Noch ist die Angst, keine eigene Wohnung mehr zu haben überschaubar. Das kann sich in Zukunft ändern.

Nachhaltigkeit: Eine Chance, die gleichzeitig eine Bürde ist

Während die Wohnungsknappheit drängt, zwingt der Klimawandel zu langfristigem Handeln. Rund 25 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verursachen Wohngebäude. Klimaneutralität bis 2045 ist das Ziel – doch wie realistisch ist das?

Die Herausforderungen der Klimawende im Bausektor stellen sich wie folgt dar:

  • Altbestand als Problemfall: Das Durchschnittsalter deutscher Wohngebäude liegt bei 50 Jahren. 42 Prozent der Wohnimmobilien weisen eine Energieeffizienzklasse von E oder schlechter auf. Sanierungsmaßnahmen sind unumgänglich, aber teuer.
  • Energetische Modernisierung: Der Investitionsbedarf in den Wohngebäudebestand bis zur Klimaneutralität 2045 wird mit drei Billionen Euro beziffert. Um das Treibhausgas-Minderungsziel anteilig zu erreichen, ist eine Sanierungsquote von mindestens 2 Prozent der Wohngebäude pro Jahr in Deutschland notwendig. Die tatsächliche Sanierungsrate für Fassaden, Dächer und Fenster lag 2023 jedoch bei 0,7 Prozent. Für 2024 wird in etwa das gleiche Niveau erwartet.
  • Nachhaltigkeit als Luxusgut: Ressourcenschonende Materialien, Kreislaufwirtschaft und Begrünung stehen auf der Agenda. Doch viele Projekte scheitern an der Finanzierung. Dass die Baukosten so stark gestiegen sind, hat auch etwas damit zu tun, dass die Standards zur Energieeffizienz im Neubau stetig gewachsen sind. Das erfordert immense Anstrengungen und Investitionen.

Die Folge: Nachhaltige Bauprojekte bleiben ein Privileg für die wenigen, die es sich leisten können. Gleichzeitig wächst der Druck auf die Branche, innovative Lösungen für alle zugänglich zu machen.

Politik: Hindernis oder Ermöglicher?

Die Politik spielt eine entscheidende Rolle, doch statt Lösungen schafft sie oft zusätzliche Hürden. Komplexe Regularien und inkonsistente, komplexe Förderungen bremsen die Entwicklung. Die EU-Taxonomie bietet eine Orientierung, sorgt jedoch gleichzeitig für mehr Bürokratie.

Die Politik braucht mehr Mut und Weitsicht. Statt politischem Klein-Klein sind große, mutige Entscheidungen gefragt, die den Wohnungsmarkt nachhaltig transformieren. Die wichtigsten Stellschrauben für die Zukunft dabei sind:

1. Stabilisierung von Förderanreizen

Energetische Sanierungen dürfen nicht nur gefordert, sondern müssen weiterhin aktiv gefördert werden. Langfristige Verlässlichkeit und Planbarkeit der gesetzlichen Rahmenbedingungen sind entscheidend, um Vertrauen bei Erwerbern und Immobilien-Finanzierern zu schaffen. Die BEG-Förderlandschaft sollte dauerhaft ausfinanziert und stabil gehalten werden, ohne kurzfristige Änderungen oder Förderstopps, um schrittweise Sanierungen durch Einzelmaßnahmen für Eigentümer realisierbar zu machen.

2. Abbau von Bauvorschriften

Weniger Komplexität bedeutet schnellere und kostengünstigere Bauvorhaben. Eine bundesweit einheitliche Musterbauordnung sowie digitalisierte Bauantragsverfahren („Digitales Bauamt“) könnten Genehmigungsprozesse erheblich beschleunigen und Kosten senken.

3. Baulandmobilisierung

Pragmatische Ansätze wären die Erschließung von Brachflächen, Umnutzung ungenutzter Gebäude und innovative Projekte wie genossenschaftliche Wohnquartiere oder serielle Bauprojekte über Flachbauten. Um zusätzliches Bauland zu schaffen, sollten baurechtliche Vorgaben vereinfacht, kommunale Modelle wie Erbpacht und Mietkauf gestärkt und ländliche Regionen durch bessere Verkehrs- und IT-Infrastruktur als Wohnstandorte attraktiver gemacht werden.

4. Wohneigentumsbildung

Wohneigentum muss wieder verstärkt gefördert werden – nicht nur als Vermögensaufbau, sondern auch als Beitrag zur Entspannung angespannter Mietmärkte. Es macht langfristig frei von Mietkosten und sorgt für sozialen Zusammenhalt. Durch ein Baukindergeld 2.0 könnten gezielt junge Familien und Haushalte mit mittleren Einkommen unterstützt werden um den Darlehenszugang zu erleichtern. Die hohen Kaufnebenkosten, insbesondere durch die Grunderwerbsteuer, erschweren den Zugang zu Wohneigentum zudem erheblich. Freibeträge oder Steuererleichterungen, beispielsweise gekoppelt an Energieeffizienzkriterien, könnten helfen, diese Hürden zu reduzieren und nachhaltiges Bauen zu fördern.

Impulse für die Zukunft: Es braucht Haltung

Es lässt sich konstatieren: „Es braucht mehr Haltung für den Wohnungsbau!“ Dieser Satz fasst die Kernbotschaft treffend zusammen. Die Herausforderungen sind gewaltig, doch sie sind lösbar – wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an einem Strang ziehen.

Was bedeutet Haltung? Es bedeutet, Prioritäten zu setzen: Mehr bezahlbarer Wohnraum, mehr Nachhaltigkeit, Unterstützung für die Menschen.

Das Ende der Lethargie

Die Botschaft ist eindeutig: Wohnen ist mehr als ein Grundbedürfnis – es ist die Grundlage für sozialen Zusammenhalt und wirtschaftliche Stabilität. Wird weiterhin gezögert, besteht das Risiko, dass sich die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit unaufhaltsam weiter öffnet.

Die Zeit zu handeln ist jetzt. Und die Frage, die bleibt: Sind wir bereit, unsere Komfortzone zu verlassen, um ein besseres Morgen zu bauen?

Über den Autor

Dr. Jörg Koschate

Dr. Jörg Koschate ist leiderschaftlicher Bausparer und Baufinanzierer. Als Mitglied des Vorstandes der LBS NordWest verantwortet der Betriebswirt den strategischen Vertrieb und das Kreditgeschäft. Zuvor war er Mitglied des Vorstands bei der BHW Bausparkasse sowie Bereichsleiter Baufinanzierung bei der Deutschen Bank.

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