Künstliche Intelligenz zwischen Hype und Realität

Auf der Suche nach Use Cases und Monetarisierung

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Die Diskussion um Künstliche Intelligenz ist laut, voller Visionen – und oft weit entfernt von der Realität. Warum nüchterne Einordnung heute wichtiger ist denn je und welche Herausforderungen auf Unternehmen zukommen.

Cartoon: Unternehmen suchen nach Use Cases für KI

Viele Unternehmen sind noch auf der Suche nach konkreten Use Cases für KI, die sich auch entsprechend monetarisieren lassen.
© Tom Fishburne

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Die breite Verfügbarkeit generativer KI, insbesondere großer Sprachmodelle, hat dem Thema eine nie dagewesene mediale Aufmerksamkeit beschert. Diese Popularität hat KI nicht nur auf die Agenden von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gebracht, sondern auch für ein starkes öffentliches Interesse gesorgt. Doch bei aller Faszination bringt der Hype auch Schattenseiten mit sich – insbesondere, wenn es um eine nüchterne, sachlich fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema geht.

Ein wesentliches Problem liegt in der Einordnung von Aussagen, die auch aus fachlicher Richtung stammen. Häufig ist schwer zu erkennen, ob es sich um gegenwärtig verfügbare Technologien, Konzepte in der Entwicklungsendphase oder eher visionäre Ideen handelt – oder gar um reine Spekulation.

Immer wieder werden Zukunftsszenarien als unmittelbar bevorstehend dargestellt, obwohl oft nicht einmal grundlegende technische Machbarkeit belegt ist. Zudem kommt es vor, dass KI-Systemen Fähigkeiten zugeschrieben werden, die sie derzeit weder qualitativ noch technisch auch nur annähernd erfüllen können – sei es im Hinblick auf Leistung, Schnittstellen, Rechengeschwindigkeit oder gar das Ersetzen menschlicher Expertise.

Alte Zukunftsträume in neuem Gewand

Bekannte technologische Wunschvorstellungen erleben im KI-Zeitalter eine Renaissance. Ideen vom allwissenden Computer, der selbstständig denkt, oder der vollkommen objektiven Maschine, die menschliche Entscheidungen ersetzt, scheinen mitunter wieder salonfähig zu sein. Diese Narrative suggerieren eine technische Reife, die in der Realität oft noch weit entfernt ist.

Gleichzeitig muss jedoch anerkannt werden, dass sich die Entwicklungsmöglichkeiten von KI aus heutiger Perspektive kaum sicher vorhersagen lassen. Die fortschreitende Evolution großer Sprachmodelle hin zu sogenannten KI Agenten sowie die beachtlichen Fortschritte in den Bereichen logisches Schlussfolgern und maschinelles Denken geben einen Vorgeschmack auf das Potenzial, das in dieser Technologie steckt. Viele Entwicklungen könnten noch für Überraschungen sorgen.

Fokus auf generative KI verzerrt das Gesamtbild

Ein weiteres Problem ergibt sich durch die starke mediale Fokussierung auf den Bereich der generativen KI. So beeindruckend die Fähigkeiten in der Text-, Bild-, Audio- oder Videoproduktion auch sind – sie bilden nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten Spektrums möglicher KI-Anwendungen. Andere Anwendungsfelder geraten dabei schnell in den Hintergrund, obwohl sie oft großes praktisches Potenzial bergen.

Gleichzeitig mangelt es vielerorts an praktischen Erfahrungen mit dem produktiven Einsatz moderner KI-Systeme. Das liegt nicht nur an der relativen Neuheit vieler Lösungen, sondern auch an der Eigendynamik ihrer Weiterentwicklung. Viele Systeme sind lernfähig oder werden kontinuierlich trainiert, wodurch sich ihre Eigenschaften und ihr Verhalten laufend verändern. Das macht sie schwer vergleichbar mit klassischer Software, die statischere Entwicklungspfade verfolgt.

Die Suche nach den Einsatzfeldern

Viele Unternehmen tun sich schwer damit, konkrete Use Cases für KI zu finden, die über die berühmten „Low hanging fruits“ hinausgehen. Hinter diesem – bei vielen Unternehmensberatern beliebtem – Konzept verbergen sich Aufgaben oder Chancen, die mit wenig Aufwand schnell und einfach realisiert werden können (die „niedrig hängenden Früchte“, die man ohne große Anstrengung pflücken kann). In der Praxis bedeutet das, dass man sich zunächst auf Maßnahmen konzentriert, die mit minimalem Ressourceneinsatz einen hohen Nutzen bringen.

Viele Unternehmen verstehen noch nicht genau, was KI tatsächlich leisten kann – und was nicht. Zum anderen fehlt es an einem klaren Problemverständnis oder daran, Geschäftsprozesse so zu analysieren, dass sinnvolle Anwendungsfelder identifiziert werden können.

Zudem sind viele Daten, die für KI-Anwendungen notwendig wären, unstrukturiert, verteilt oder qualitativ unzureichend. Die Angst vor Kontrollverlust, ethischen Risiken oder regulatorischen Problemen führt zusätzlich zu Zurückhaltung.

Zu oft werden KI-Projekte auch technologiegetrieben gestartet, ohne echten Business-Nutzen – was am Ende zu wenig greifbaren Ergebnissen führt. Schließlich ist es eine Herausforderung, Use Cases zu finden, die sowohl technisch umsetzbar als auch wirtschaftlich skalierbar sind.

Speziell im Finanzdienstleistungsbereich müssen viele Use Cases hohe regulatorische Anforderungen erfüllen, was die Umsetzung verlangsamt. Zudem erfordert die Integration in bestehende, oft veraltete IT-Systeme erheblichen Aufwand.

Kunden und Entscheider begegnen KI-Lösungen oft mit Skepsis, insbesondere wenn Entscheidungen nicht transparent nachvollziehbar sind. Schließlich herrscht auch intern oft ein Mangel an Fachkräften, die KI-Projekte fachlich und technisch erfolgreich umsetzen können.

Herausforderung Monetarisierung

Die Monetarisierung von KI ist besonders herausfordernd. Selbst die Hersteller tun sich schwer. So erwartet ChatGPT-Provider OpenAI noch auf Jahre hinaus Verluste im jährlich zweistelligen Milliardenbereich. Frühestens 2029 sei mit einem Gewinn zu rechnen.

Der Nachweis eines klaren Return on Investment (ROI) ist schwierig, da sich viele Effekte wie Effizienzsteigerung oder Risikominimierung nur indirekt oder langfristig messen lassen. Häufig fehlen zudem qualitativ hochwertige und ausreichend große Datenmengen, die für das Training leistungsfähiger Modelle nötig wären.

Unternehmen zwischen Risiko und Chance

Für Unternehmen ergeben sich daraus besondere Herausforderungen. Die Einführung und Nutzung von KI verlangt Entscheidungen, die nicht nur Investitionsbereitschaft, sondern auch Offenheit für Experimente erfordern. Gleichzeitig ist es anspruchsvoll, bestehende Strukturen und Prozesse auf technologische Grundlagen umzustellen, die sich so dynamisch entwickeln wie die Künstliche Intelligenz. Studien belegen, dass sich die meisten Unternehmen mit der Geschwindigkeit des organisatorischen Wandels und nicht mit der Geschwindigkeit der Technologie verändern. Unabhängig vom konkreten Einsatzbereich ist es allerdings eine komplexe Aufgabe, mit dieser Geschwindigkeit Schritt zu halten.

Die nächsten fünf bis zehn Jahre werden zeigen, ob die Wettbewerbsfähigkeit tatsächlich von der Integration und Nutzung Künstlicher Intelligenz abhängt.

Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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