Konzernabschluss statt Kameralistik für Finanzplätze

Zur Dynamik zwischen Marktgeist und Staatsbilanzierung

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Auf den ersten Blick hat die Dynamik eines Finanzplatzes nichts mit der Rechnungslegung seines Staates oder Kommune zu tun. Sieht man sich beides näher an, so gibt es zwischen der Staatsbilanzierung und der Motorik des Finanzplatzes ein Wechselspiel – manchmal aber auch keines.

Merkmale moderner Finanzplätze

Auch Finanzplätze müssen mit der Zeit gehen und sicher weiterentwickeln.

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Materielle Rahmenbedingungen wie das Wettbewerbs-, Finanzregulierungs- und das Handelsrecht mit seinem Gläubigerschutz fördern oder hemmen das Marktwachstum. Noch wichtiger sind die immateriellen wie Erfindungskraft und Wagemut der Finanzunternehmer und die Bilanzgenauigkeit des Staates.

Wettbewerbsgleichheit bei Rechnungslegung?

In die staatlichen Haushaltsrechnungen ist Bewegung gekommen. Denn wenn ein Staat Gleichberechtigung herstellen will, wird er sich nicht mehr hinter der Kameralistik mit Haushaltsplan verstecken wollen, sondern seine Rechnungslegung genauso vornehmen wie die privaten Marktteilnehmer.

Innerhalb der EU nutzen 21 Länder einschließlich Großbritannien kaufmännische Standards im öffentlichen Rechnungswesen, aber erst vier zur Aufstellung der Staatshaushalte. Am rückständigsten sind unsere Bundesregierung und Malta.

Reformfreudiger handeln die deutschen Bundesländer. Diese haben dafür gesorgt, dass die Kommunen ihre Haushalte nicht mehr kameralistisch, sondern kaufmännisch führen. Die doppelte Buchführung in Kontenform (Doppik) richtet sich an den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs (HGB) aus. Alle Haftungsverhältnisse der Kommunen und ihre Unternehmensbeteiligungen werden konsolidiert. Gut drei Fünftel der deutschen Gemeinden haben die kaufmännische Ausrichtung schon vollzogen.

Öffentliche Hände mussten sich immer gegen die Kreditwünsche der privaten Unternehmen und der Menschen durchsetzen. Seit Explosion des Staatskredites und seiner Umwandlung zur eigenständigen Einnahmeform stehen Länder, Kommunen und öffentliche Unternehmen in harter Konkurrenz zu den privaten Teilnehmern am Kapitalmarkt.

Dieses wissend haben Staatsvertreter im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht in den 1990er Jahren weltweit den öffentlichen Händen einen nicht begründbaren unschlagbaren Wettbewerbsvorteil eingeräumt: Für den Kredit an diese brauchen Banken kein Eigenkapital vorzuhalten. Das ist der Hauptgrund für die Staatsschuldenexplosion.

Immerhin nutzt die Wirtschaft schon in fast 150 Staaten die Bilanzierungsvorschriften des International Accounting Standards Board, Investoren die speziellen International Financial Reporting Standards. Seine Elemente sind in die modernen HGB-Vorschriften für Rechnungswesen und Jahresabschluss eingebaut worden und damit über die Doppik schon bindend für Kommunen.

Hamburg mit vollwertigem Konzernabschluss

Bremen, Hamburg und Hessen sind in der Bilanzierung darüber hinausgegangen. Aber nur Hamburg hat einen vollwertigen Konzernabschluss für Land und Kommune und alle seine Unternehmensbeteiligungen. Unter den 110 im Global-Financial-Cen-tres-Index gerankten Finanzplätzen ist Hamburg der einzige, dessen Heimatstaat im Wettbewerbsverhältnis zu den privaten Kapitalmarktkonkurrenten kaufmännische Jahresabschlüsse und Konzernberichterstattungen vorlegt und veröffentlicht – zur Zeit entsprechend den HGB-Vorschriften in der modernen Fassung.

Ende 2017 erreichte die Konzernbilanzsumme 90,7 Milliarden Euro bei einem  jährlichen Haushaltsplan von nur gut 14 Milliarden Euro. Der Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg hat den Konzernabschluss in einem langen Vermerk eingeschränkt bestätigt. Seine vorwärtsweisende Kritik an internen Prozessen und seine Vorschläge für Problemlösungen sind weltweit für Staaten und Kommunen eine Seltenheit.

Die Konzernberichterstattung richtet sich an die breite Öffentlichkeit und die globalen Marktpartner. Erstere soll wissen, was mit ihren Steuern und Abgaben vom Staat bewegt wird und wie hoch ihre Haftung für Schulden und Verpflichtungen ist – und zwar für die gesamte Staatstätigkeit. Die globalen Marktpartner können mit der Konzernberichterstattung  einschätzen, wie hoch die Schuldentragfähigkeit Hamburgs ist und ob die Stadt ihren Gläubigerschutz erfüllen kann. Das ist eine wichtige immaterielle Rahmenbedingung, die Freiheit und Dynamik des Finanzplatzes fördert.

Bund muss nachziehen

Wie fast überall auf der Welt sind in der Kameralistik des Bundes nur die laufenden Kasseneinnahmen und -ausgaben zu sehen, nicht aber die Gesamthaftung von Bundesregierung und Bundestag für alle ihre heutigen und künftigen Unternehmungen. Somit wird die wahre Höhe der deutschen Staatsschulden versteckt. Das hätte unser Staat nicht nötig. Sein internationales Best-Rating würde durch kaufmännisches Rechnungswesen und Bilanzierung zukunftssicher.

Von alters her wirken Hamburgs Senat und Bürgerschaft mit dem hiesigen Finanzplatz ungebrochen zusammen. Waren früher das eigene Geld, die Mark Banco, und die Börse Ausdruck dafür, so ist es heute das Finanzcluster, das kräftig zum Inlandsprodukt beiträgt. In Zukunft könnte das Finanzcluster die Konzern-berichterstattung Hamburgs an andere Finanzplätze weitergeben. Diese könnten dann in ihren Heimatländern die Reform des öffentlichen Haushaltswesens voran-treiben. Das wäre der erste Schritt, die wettbewerbsverzerrende Bevorzugung der Staatsschulden zu beenden. Denn so könnten diese endlich vollständig bilanziert und von den Kreditbanken gemäß ihren wahren Risiken mit Eigenkapital unterlegt werden. Damit würde der Zwang zu deren Tilgung wieder zum betriebswirtschaftlichen Muss.


Der Beitrag erschien ursprünglich als Teil des Jahrbuchs 2018/19 des Vereins Finanzplatz Hamburg e.V.. Das Jahrbuch können Sie hier herunterladen oder als Hardcopy bestellen.

Über den Autor

Dr. Bernd Lüthje

Bernd Lüthjes berufliche Laufbahn begann bei der Handelskammer Hamburg. Er hatte verschiedene Leitungsfunktionen in Banken und deren Vertretungen inne, u.a. als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes öffentlicher Banken und ist Mitglied des Finanzplatz Hamburg e.V. 2013 publizierte Lüthje eine „Reformschrift“ zu dem aus seiner Sicht überflüssigen Baseler Bankenaufsichtsregime.

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