Künstliche Intelligenz ist eines der großen Themen unserer Zeit. Die Chancen und Risiken der Technologie nimmt breiten Raum in der öffentlichen Diskussion ein. Vor allem bei ethischen Fragen kann die öffentliche Meinung jedoch schnell an Grenzen stoßen.
Bereits das Einholen der öffentlichen Meinung kann eine Herausforderung darstellen.
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Die öffentliche Meinung ist ein zweischneidiges Schwert. Vertraut man ausschließlich auf sie, kann dies zur „Tyrannei der Mehrheit“ führen. Oft ist die breite Öffentlichkeit jedoch weder gut genug noch differenziert genug informiert. Bereits in den 1920er Jahren warnte der Journalist und Autor Walter Lippman davor, politische Fragen, die fundiertes Fachwissen erfordern, der öffentlichen Meinung zu überlassen.
Ein Laie kann schlicht nicht alle Facetten jeder politischen Frage überblicken. Selbst ein Experte in einem Gebiet – etwa der Medizin – ist oft nicht ausreichend informiert, um sich zu Themen eines anderen Bereichs wie z.B. der Geldpolitik zu äußern.
Expertenwissen als Basis für Entscheidungen
Nach Lippman sollte die öffentliche Meinung darauf abzielen, die Anwendung staatlicher Gewalt zu kontrollieren. Ihre Einschätzungen sollten auf Informationen von Experten, Meinungsführern und kontroversen Journalisten basieren.
Diese Perspektive wirft die Frage auf: Warum sollte uns interessieren, was die Öffentlichkeit über ethische Fragen wie jene der Künstlichen Intelligenz (KI) denkt? Sollte diese Verantwortung nicht ausschließlich Fachleuten überlassen werden? Ingenieure kennen die Fähigkeiten autonomer Fahrzeuge, während Philosophen und politische Entscheidungsträger darauf spezialisiert sind, ethische Werte miteinander in Einklang zu bringen.
Autonomes Fahren: Ein Fall für Experten oder die Öffentlichkeit?
Autonomes Fahren bietet ein anschauliches Beispiel dafür, warum die öffentliche Meinung bei komplexen ethischen Fragen oft ungeeignet erscheint. Es entstehen sogenannte Trolley-Probleme, moralische Dilemmata, die schwer aufzulösen sind.
Beispielsweise vertreten viele Menschen die Ansicht, dass bei einem unvermeidbaren Unfall die Sicherheit von hochgestellten Personen wie Geschäftsleuten wichtiger sei als die von Obdachlosen. Solche Präferenzen widersprechen jedoch nicht nur abendländischen Moralvorstellungen, sondern auch grundlegenden verfassungsmäßigen Rechten.
Ethik und Leitlinien als Lösung
In den ersten weltweit etablierten ethischen Leitlinien für autonome Fahrzeuge, die in Deutschland entwickelt wurden, heißt es ausdrücklich: „Bei unausweichlichen Unfallsituationen ist jede Qualifizierung nach persönlichen Merkmalen (Alter, Geschlecht, körperliche oder geistige Konstitution) strikt untersagt. Eine Aufrechnung von Opfern ist untersagt.“
Auch die Bevorzugung von Kindern, die von der Öffentlichkeit oft gefordert wird, widerspricht diesem ethischen Ansatz. Kritiker könnten jedoch argumentieren, dass Kinder einer besonderen Berücksichtigung bedürfen, da sie besonders schutzwürdig sind.
Die Rolle der öffentlichen Meinung im ethischen Diskurs
Die Einbeziehung der öffentlichen Meinung ist nicht in allen Fällen sinnvoll oder realisierbar. Allerdings ermöglicht sie es, Spannungsfelder zwischen Experten- und Laienperspektiven zu identifizieren. Dieser ständige Aushandlungsprozess kann dazu beitragen, ethische Fragen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten.
Am wichtigsten bleibt jedoch, dass es überhaupt verbindliche ethische Leitlinien gibt. Ohne den Druck und die breite Diskussion in der Öffentlichkeit wären solche Regelungen möglicherweise nie entstanden.