KI verspricht viel – doch nur wer sie sinnvoll nutzt, profitiert wirklich. Warum Banking-Apps oft enttäuschen, wie Shadow AI entsteht, und was es jetzt braucht, damit aus Technologie auch in Banken echte Wertschöpfung wird.

Wie durch Künstliche Intelligenz Mehrwerte im Banking erzielt werden können.
Die Erwartungen an Künstliche Intelligenz (KI) sind riesig – auch und gerade im Finanzbereich. Doch wer glaubt, dass KI per se einen Mehrwert schafft, sitzt einem Irrtum auf. Die Technologie allein bewirkt nichts. Erst wenn KI-Lösungen aktiv genutzt werden und ein nachhaltiger Nutzen entsteht, der auch die Implementierungskosten rechtfertigt, beginnt die eigentliche Wertschöpfung.
Gerade in der Finanzwelt, die mit ihren Quant-Teams und algorithmischem Trading zu den KI-Pionieren zählt, ist das Potenzial groß – aber es lauern neue Herausforderungen. Denn insbesondere generative KI bringt frischen Wind, verlangt aber auch ein Umdenken in der Art, wie Finanzinstitute mit Technologie umgehen.
KI ist kein Allheilmittel
Die größte Fehlannahme: KI ist ein Allheilmittel. Doch viele Projekte scheitern nicht an der Technologie selbst, sondern an ihrer praktischen Umsetzung. Der erwartete Return on Investment bleibt oft aus – nicht weil die Modelle schlecht wären, sondern weil sie kaum genutzt werden. Das liegt auch daran, dass KI-Lösungen noch immer zu technisch gedacht werden. Statt KI als Produkt zu verstehen, das echten Nutzen bringen muss – durch Integration in Prozesse, durch eine gute User Experience, durch echte Nutzung im Alltag – bleibt es oft bei der technischen Spielerei.
Ich bin mittlerweile Kunde bei mehreren Banken – und fast alle bieten inzwischen ein Feature zur automatischen Rechnungserkennung in ihrer App an, um Zahlungen zu erleichtern. Klingt gut, oder? In der Praxis ist die Umsetzung aber oft katastrophal. Die Nutzerführung ist unklar, die Erkennung funktioniert nur halb, und manchmal frage ich mich ernsthaft, wer solche Produkte eigentlich freigibt. Das zeigt: Selbst einfache, bereits erprobte Anwendungsfälle können scheitern, wenn UX und Produktdenken fehlen.
Bottom-up schlägt Top-down? Nur wenn beides zusammenspielt.
Man muss KI immer sowohl Top-down als auch Bottom-up denken. Gerade weil ich selbst viel im Upskilling arbeite und regelmäßig mit Mitarbeitern und Betriebsräten zu tun habe, sehe ich immer wieder dasselbe Muster: Die strategische Entscheidung für KI fällt oben – doch die operative Umsetzung scheitert unten. Besonders Betriebsräte werden oft erst spät eingebunden, was nicht selten zu Widerstand führt. Danach wundern sich alle, warum der Betriebsrat „KI blockiert“. Dabei geht es meist gar nicht um Technologieverweigerung, sondern schlicht darum, dass Menschen nicht abgeholt, nicht einbezogen und nicht ernst genommen wurden.
Besonders spannend finde ich persönlich den sogenannten Bottom-up-Ansatz: Mitarbeiter werden befähigt, KI selbst zu verstehen und anzuwenden. Doch genau hier tun sich viele schwer. Was braucht es dafür? Zwei Dinge
- Change Management und
- ein gutes KI-Toolkit.
Change Management heißt: Mitarbeiter mitnehmen, schulen, Ängste abbauen. Das Toolkit wiederum muss praktikabel, sicher und nutzerfreundlich sein – und genau da hakt es oft. Viele bekannte KI-Tools wie ChatGPT oder Midjourney sind aus rechtlichen oder operativen Gründen für den Unternehmenseinsatz ungeeignet (z. B. Datenschutz, IP-Fragen, fehlende Integrationsmöglichkeiten).
Schatten-IT reloaded: Shadow AI
Was passiert, wenn Mitarbeiter keine geeigneten Werkzeuge haben? Sie bringen eigene Lösungen mit. Willkommen in der Welt der „Shadow AI“. Tools werden außerhalb der IT-Compliance eingesetzt – was gerade im hochregulierten Finanzsektor ein echtes Risiko darstellt. Es drohen Datenlecks, Haftungsfragen und Kontrollverlust. Dennoch passiert es – weil viele KI-Tools im Unternehmen schlicht zu schlecht sind, um sie gern zu nutzen.
Ich erinnere mich noch gut an meine eigene Zeit in der Bank, in der wir mit Computern und Betriebssystemen arbeiten mussten, die gefühlt schon zehn Jahre alt waren. Der tägliche Systemstart dauerte ewig, Abstürze waren normal – und manche von uns wären bereit gewesen, privat in neue Hardware und Software zu investieren, nur um endlich vernünftig arbeiten zu können. Über den allgemeinen Digitalisierungsgrad müssen wir an dieser Stelle nicht groß sprechen. Heute erinnert mich der Umgang mit KI in vielen Unternehmen genau daran.
Sackgasse Eigenentwicklung
Denn obwohl es inzwischen etablierte und rechtlich einwandfreie Lösungen auf dem deutschen Markt gibt – wie etwa Langdock oder Blockbrain – entscheiden sich viele Finanzinstitute dennoch dafür, eigene „ChatGPT-Alternativen“ zu bauen. Das Problem: Die Nutzererfahrung ist oft weit entfernt vom gewohnten Standard. Die Folge? Die Mitarbeiter switchen wieder zurück zu den Tools, die sie privat nutzen – weil diese einfach funktionieren. Und damit fängt das Problem der Schadow AI wieder an.
Man muss sich ernsthaft fragen: Was ist eigentlich der „unfair advantage“, den wir durch eigene Entwicklungen erzielen? Ist das wirklich gut investierte Zeit und Geld? Die Adoption Rate spricht oft eine andere Sprache. Ich sehe viele dieser Lösungen in der Praxis – und sie wirken mehr wie MVPs als wie vollwertige Produkte. Was gut gemeint ist, wird in der Realität oft nur halbherzig umgesetzt – und genau das bremst die KI-Adoption im Unternehmen.
AI-native schlägt Altbau
Der Nutzen von KI zeigt sich besonders dann, wenn Prozesse radikal automatisiert und neu gedacht werden. Ein Paradebeispiel ist Ant Group in China. Dort dauert eine Kreditanfrage nur drei Minuten, die Entscheidung fällt in einer Sekunde – ganz ohne menschliches Zutun. Kein Wunder, dass Ant mehr Kredite vergibt als jede traditionelle Bank in China. Und das mit deutlich weniger Filialen und Mitarbeiter. Dreimal dürfen Sie raten, wer hier das bessere Kosten-Nutzen-Verhältnis hat.
Das bringt uns zu einer unbequemen Wahrheit: Unternehmen, die vor mehr als fünf bis zehn Jahren gegründet wurden, können heute mit aktuellem Tech-Stack und KI so effizient nachgebaut werden, dass ihre Kostenstruktur langfristig kaum konkurrenzfähig bleibt.
Ja, natürlich herrschen in China andere Rahmenbedingungen als hier in Europa – was Datenschutz, Regulierung oder auch Technologieoffenheit betrifft. Aber genau das bringt uns zu einer entscheidenden Erkenntnis: Wenn wir den Anschluss nicht verlieren wollen, müssen wir Wege finden, KI auch in unseren regulierten Kontexten skalierbar, sicher und nutzbar zu machen – und das möglichst bald. Sonst werden wir nicht von Technologie überrollt, sondern schlicht ökonomisch abgehängt.
OpenAI-CEO Sam Altman hat es zugespitzt: Die erste 1-Billion-Dollar-One-Person-Company sei nur noch eine Frage der Zeit. Das mag heute noch wie Science-Fiction klingen, aber die zugrundeliegende Logik ist klar: Wer es schafft, KI nicht nur als Werkzeug, sondern als Infrastruktur zu denken, kann mit minimalen Ressourcen maximal skalieren. Diese Firmen sind „AI-native“ – gebaut um KI herum, nicht ergänzt durch KI. Und genau das macht den Unterschied.
AI-first braucht einen Kulturwandel
Ein „AI-first Mindset“ heißt, dass KI nicht als Add-on gedacht wird, sondern als zentrales Element der Geschäftsstrategie. Firmen, die das schaffen, spielen künftig in einer anderen Liga – zumindest was Effizienz und Skalierbarkeit betrifft.
Doch bevor wir jetzt in Panik verfallen: Noch ist Zeit. Der Schlüssel liegt im Jetzt. Wer früh beginnt, schafft Erfahrungsräume für Mitarbeiter, sammelt Know-how und kann größere Transformationsprojekte fundiert angehen.
Die Zukunft war selten so schwer vorherzusehen wie heute – Stichwort Polykrise, geopolitischer Druck, wirtschaftliche Unsicherheit. Und trotzdem – oder gerade deshalb – ist jetzt der Moment, um aktiv zu werden. Denn die entscheidende Frage ist nicht, was KI heute kann – sondern, was sie in zwei Jahren können wird. Wer sich an der Gegenwart orientiert, riskiert, die Zukunft zu verschlafen. Wer aber heute startet, lernt, wächst mit der Technologie – und ist vorbereitet, wenn sie richtig durchstartet.
Es ist inspirierend zu sehen, wie viele kleine Unternehmen bereits mit Tools wie Zapier, Make oder n8n kreative Automation und Agenten bauen. Das zeigt: Die Energie ist da. Aber: Das sind keine skalierbaren Enterprise-Lösungen. Wer langfristig mit KI Wert schaffen will, braucht robuste Architekturen, klare Verantwortlichkeiten und ein strategisches Verständnis für den eigenen „AI Stack“.
Der Weg zur KI-Exzellenz beginnt also nicht mit dem perfekten Tool, sondern mit einer Haltung: offen, lernbereit und strategisch vorausschauend. Wer heute anfängt, schafft Erfahrungsräume, nimmt Mitarbeiter mit – und legt die Basis für echten Wandel. Es geht nicht um Panik, sondern um Neugier, Mut und einen klaren Blick nach vorn.