Ist Künstliche Intelligenz wirklich „böse“?

Warum KI oft als Bedrohung wahrgenommen wird

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Vom Terminator bis zu Deepfakes – die Angst vor „böser KI“ als Bedrohung ist allgegenwärtig. Zwischen Popkultur, Kontrollverlust und realen Risiken verschwimmt dabei oft die Grenze zwischen Fiktion und Realität.

Cartoon: Künstliche Intelligenz zwischen Gut und Böse

Warum fasziniert das Böse die Menschen so sehr? Und warum hat insbesondere die böse KI unsere kulturelle Vorstellungskraft so sehr in ihren Bann gezogen?
© Iyad Rahwan, Evil AI Cartoons

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Seit jeher fasziniert den Menschen das Böse mehr als das Gute. Menschen finden das Böse faszinierend, weil es furchterregend ist. Indem wir unsere Art, über das Böse zu denken und zu sprechen, verbessern, können wir es besser vorhersehen, erkennen, wenn es auftritt, und hoffentlich verhindern.

Künstliche Intelligenz scheint für viele eine völlig neue Art von Akteur des Bösen zu sein. Sie liegt irgendwo zwischen dem, was Philosophen und Theologen als natürliches Böses bezeichnen, wie beispielsweise die Zerstörung eines ganzen Dorfes durch eine Lawine, und moralischem Bösen, wie beispielsweise die Zerstörung desselben Dorfes durch Soldaten. Natürliches Übel wird durch die Natur verursacht, während moralisches Übel von Menschen verursacht wird.

Und obwohl wir große Fortschritte beim Verständnis der Ursachen menschlichen Übels gemacht haben, sehen wir Menschen immer noch als autonome moralische Akteure mit freiem Willen und erwarten von ihnen, dass sie ihre bösen Impulse kontrollieren und ihren Schaden für die Gesellschaft minimieren.

KI werden menschliche Eigenschaften zugeschrieben

KI ist zwar kein Mensch, kann aber einige der Eigenschaften aufweisen, die wir mit Menschen verbinden, wie Autonomie und Anpassungsfähigkeit. Manche Menschen sagen, dass Maschinen eines Tages sogar einen freien Willen haben könnten. KI stellt also unsere Vorstellung von Bösem in Frage, ebenso wie unsere Versuche, die Ursachen des Bösen zu diagnostizieren.

Wenn eine KI selbstständig lernt, den Aktienmarkt zu manipulieren, geben wir dann ihrem menschlichen Programmierer die Schuld, obwohl dieser niemals eine solche Strategie vorgeschlagen hat? Was ist, wenn sie dieses Verhalten durch Beobachtung eines anderen Menschen gelernt hat, der dasselbe tut? Welchem Menschen geben wir die Schuld? Oder geben wir beiden die Schuld? Das sind faszinierende Fragen, die einige der bevorstehenden Schwierigkeiten verdeutlichen.

6 Ursachen für Vorbehalte gegenüber KI

Die Darstellung von Künstlicher Intelligenz als „böse“ (evil) hat mehrere tief verwurzelte Ursachen – kulturelle, psychologische und auch politische. Im Folgenden werden die wichtigsten erläutert.

1. Kulturelle Prägung durch Sci-Fi und Popkultur

Die Vorstellung von „böser“ Künstlicher Intelligenz ist stark durch Filme, Serien und Bücher geprägt. Seit Jahrzehnten inszeniert die Popkultur KI als Bedrohung: HAL 9000 in 2001: Odyssee im Weltraum, Skynet in Terminator, die künstliche Intelligenz in Ex Machina oder die düsteren Episoden von Black Mirror sind nur einige Beispiele.

Diese Geschichten bedienen sich häufig der Angst vor Kontrollverlust und verselbständigten Maschinen – sie wirken als unterhaltsame Mahnungen, die sich tief in das kollektive Bewusstsein eingeprägt haben.

2. Angst vor Kontrollverlust

Ein zentrales Unbehagen gegenüber KI liegt in der fehlenden Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Viele Systeme treffen heute Entscheidungen auf Basis von Datenmustern, die für Außenstehende kaum zu durchdringen sind.

Wenn Menschen das Gefühl haben, die Kontrolle über Technologien zu verlieren, entsteht schnell Unsicherheit – vergleichbar mit der Angst vor Naturkatastrophen oder anderen unvorhersehbaren Kräften. KI wird dann als etwas Fremdes und potenziell Gefährliches wahrgenommen.

3. Jobverlust und Machtverschiebung

Die Sorge, dass KI Arbeitsplätze ersetzt, ist weit verbreitet – und nicht unbegründet. Automatisierung verändert ganze Branchen und stellt insbesondere Routinearbeiten infrage. Gleichzeitig liegt die Entwicklung leistungsfähiger KI-Systeme häufig in der Hand weniger großer Tech-Konzerne, die enorme Datenmengen und Rechenressourcen kontrollieren. Diese Machtkonzentration verstärkt die Angst vor einer Zukunft, in der wirtschaftliche und technologische Abhängigkeiten zunehmen.

4. Missbrauch durch Menschen

Nicht die KI selbst ist „böse“, sondern ihre potenzielle Instrumentalisierung durch Menschen. Schon heute wird KI für problematische Zwecke eingesetzt: etwa für Deepfakes, die Manipulation von Meinungen über Social Media, umfassende Überwachung oder gar militärische Anwendungen wie autonome Waffensysteme.

Auch strukturelle Diskriminierungen können sich durch algorithmische Verzerrungen in KI-Systemen fortschreiben – etwa bei der Kreditvergabe oder in polizeilichen Risikobewertungen. Der ethische Maßstab liegt also nicht in der Technik, sondern im Umgang mit ihr.

5. Menschliche Projektion und Dualismus

Menschen neigen dazu, Technologien zu vermenschlichen – insbesondere dann, wenn Maschinen scheinbar selbstständig handeln oder kommunizieren. Diese Anthropomorphisierung führt dazu, dass moralische Kategorien wie „gut“ und „böse“ auch auf KI-Systeme angewendet werden.

Dabei wird oft übersehen, dass diese Systeme keine eigenen Absichten oder Werte haben. Die Frage „Freund oder Feind?“ ist eine Projektion – aber eine, die tief im menschlichen Denken verankert ist.

6. Medienlogik und Aufmerksamkeitsökonomie

Nicht zuletzt spielt auch die Medienlandschaft eine entscheidende Rolle bei der Dämonisierung von KI. Schlagzeilen über gefährliche oder außer Kontrolle geratene Systeme versprechen mehr Aufmerksamkeit als differenzierte Analysen über sinnvolle Einsatzmöglichkeiten.

Polarisierung ist ein einfaches Mittel, um Reichweite zu erzeugen – und so dominieren Extrembeispiele die öffentliche Wahrnehmung. Die Realität ist oft komplexer, wird aber medial verzerrt dargestellt.

„Böse“ KI ist „menschengemacht“

Fakt ist: Die Vorstellung von „böser KI“ entsteht nicht durch die Technologie selbst, sondern durch menschliche Ängste, kulturelle Erzählmuster und gesellschaftliche Machtverhältnisse. KI ist ein Werkzeug – nicht mehr und nicht weniger.

KI hat das Potenzial, der Menschheit immense Vorteile zu bringen. Roboter können gefährliche Aufgaben wie Such- und Rettungsaktionen oder mühsame Aufgaben wie das wiederholte Zusammenbauen derselben Teile in einer Fabrik erleichtern. KI kann die medizinische Diagnose und die Entdeckung neuer Medikamente vorantreiben und so Millionen von Menschenleben retten. KI-Algorithmen können uns helfen, unsere globalen Lieferketten zu optimieren, um Kosten und CO2-Emissionen zu reduzieren. KI-Tools können auch den kreativen Ausdruck des Menschen unterstützen.

Ob KI zum Wohl oder zum Schaden eingesetzt wird, hängt nicht von Algorithmen ab, sondern von den Menschen, die sie entwickeln, einsetzen und regulieren. Ziel muss es ein, die Technologie zum Wohle der Menschheit weiterzuentwickeln.

Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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