Ist Open Banking mehr als nur ein Buzzword?

Interview mit David Pade, Deloitte und Thomas von Hohenhau, Deposit Solutions

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Open Banking liegt im Trend. Doch steckt dahinter mehr als nur ein neues Buzzword? Darüber habe ich mich mit zwei Befürwortern des Konzeptes unterhalten: David Pade von der Unternehmensberatung Deloitte und Thomas von Hohenhau vom FinTech Deposit Solutions.

Open Banking: Digitales Ökosystem für Finanzinstitute

Open Banking verspricht Finanzinstituten ein digitales Ökosystem.

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Open Banking, API-Banking, Plattform Banking, Ökosystem; die Bezeichnungen sind unterschiedlich, das Konzept identisch. Banken sollen ihre Leistungen im mehr oder weniger offenen Verbund mit anderen anbieten und so die Beziehung zu den Kunden stärker in den Vordergrund rücken. Einige sehen dies als logische Folge von PSD2 und die damit einhergehenden erweiterten Möglichkeiten eines Datenaustauschs.

Insbesondere FinTechs sehen in derartigen Szenarien naturgemäß die Chance für eine vermehre Zusammenarbeit mir etablierten Banken. Für den Kunden werden Transparenz, Lifestyle Integration, Personalisierung und günstigere Preise in Aussicht gestellt. Banken versprechen sich davon die Erschließung neuer Kundensegmente, neue Ertragsquellen und mehr Innovation.

Doch steckt hinter Open Banking tatsächlich ein ernstzunehmendes Konzept oder ist das ganze nur ein neues Buzzword, ein neuer Hype?

Gespräch mit David Pade und Thomas von Hohenhau

Vor kurzem haben die Unternehmensberatung Deloitte und das FinTech Deposit Solutions in einer gemeinsamen Studie die Auswirkungen von Plattform-basierten Geschäftsmodellen für die Finanzbranche untersucht und darin detaillierte Einblicke in Vorgehensweisen und Umsetzungskonzepte dargestellt.

Mit zwei Verantwortlichen aus den beteiligten Unternehmen habe ich mich über Chancen und Herausforderungen beim Open Banking unterhalten können.

David Pade – Senior Manager, Deloitte

David Pade ist Senior Manager bei der Strategieberatung Monitor Deloitte.

David Pade ist Senior Manager bei der Strategieberatung Monitor Deloitte und für strategische Fragestellungen im Umfeld der Financial Service Industrie verantwortlich. Er hat langjährige Erfahrung in der Beratung von Banken und eine ausgewiesene Expertise in der Begleitung von Unternehmenstransformationen. Er hat ein Diplom in Bank-, Finanz- und Investitionswirtschaft der Munich University of Applied Sciences.

Thomas von Hohenhau - Chief Client Officer, Deposit Solutions

Thomas von Hohenhau ist Chief Client Officer & Managing Director Schweiz bei Deposit Solutions.

Thomas von Hohenhau ist Chief Client Officer & Managing Director Schweiz bei Deposit Solutions. Zuvor war er in verschiedenen Führungspositionen bei der Bank Julius Bär, zuletzt als Leiter Portfoliomanagement International. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Geschäftsentwicklung und war Gründer von ICT- und Marketing-Start-ups. Er hat einen M.A. Banking & Finance der Universität St. Gallen und ist Vorstandsmitglied der Young Swiss Private Equity & Corporate Finance Association.

Open Banking ist allgegenwärtig

Der Bank Blog: Open Banking ist aktuell eines der am meisten benutzten „Buzzwords“, doch wie viel Substanz steckt wirklich hinter der Strategie und was ist darunter zu verstehen?

David Pade: In der Tat, Open Banking ist zuletzt zu einer Art Buzzword geworden. Gleichzeitig ist Open Banking allgegenwärtig und ein Trend, der sich auf breiter Front durchsetzen wird.

Allgemein verstehen wir darunter ein plattformbasiertes Geschäftsmodell, bei dem Daten, Prozesse und Geschäftsfunktionalitäten in einem Ökosystem aus Banken, Kunden, Drittentwicklern, FinTech-Unternehmen und Partnern bereitgestellt werden. Die angebotenen Dienstleistungen konzentrieren sich auf den Financial Services-Bereich und können sowohl von Banken als auch von Drittanbietern stammen.

Drei Treiber von Open Banking

Der Bank Blog: Welche Herausforderungen und Entwicklungen in der Finanzindustrie treiben Themen wie Open Banking voran?

Thomas von Hohenhau: Finanzdienstleister standen in den letzten Jahren vor großen Herausforderungen. Diese werden auch in Zukunft nicht weniger werden. Gleichzeitig ergeben sich für die Finanzinstitute durch Open Banking auch Chancen. Wir sehen insbesondere drei Hauptfaktoren, die viele Institute dazu veranlasst haben, sich dieser innovativen Entwicklung zu öffnen:

  • Erstens ändern die Kunden ihr Verhalten und wollen Zugang zu den besten Produkten und Dienstleistungen am Markt,
  • zweitens ermöglichen fortschrittliche Technologien Open Banking und
  • drittens und wird es durch Regulierung gefördert.

Die Kunden genießen heute ein beispielloses Maß an Markttransparenz und sind mit einer begrenzten Auswahl an Produkten ihrer Hauptbank nicht mehr zufrieden. Sie sind zunehmend in der Lage, zwischen einem guten und einem schlechten Kundenerlebnis zu unterscheiden und akzeptieren keine mühsamen Prozesse, wenn es um ihre Bedürfnisse geht.

Die Regulierung wiederum fördert Innovationen insbesondere, indem sie „Open“ als explizites politisches Ziel nennt, das von jedem Finanzinstitut berücksichtigt werden muss. Richtlinien wie PSD2 oder die Open-Banking-Initiative im Vereinigten Königreich sind Paradebeispiele.

Banken stehen vor einem Paradigmenwechsel

Der Bank Blog: Welche konkreten Vorteile sehen Sie durch Open Banking für Banken und Sparkassen?

David Pade: Die eben genannten Kräfte zusammengenommen erfordern einen Paradigmenwechsel der traditionellen Finanzinstitute, um ihre Rolle in ihrem Ökosystem neu zu definieren. Die Kundenbeziehungen tendieren dazu, sich in Richtung des besten Angebots bzw. Services zu bewegen, insbesondere wenn die Hürden eines Wechsels sinken. Damit können sich die Banken nicht mehr auf „Closed Shop“ Angebote verlassen, sondern sollten die Chancen der Öffnung nutzen.

Auf diese Weise ist die Open Banking-Bewegung nicht als Bedrohung zu sehen, sondern ermöglicht vielmehr den Zugang zu neuen Profit Pools und Wachstumsfeldern.

Der Bank Blog: Und was haben die Kunden davon?

David Pade: Die Anforderungen der Kunden, speziell die der jüngeren Generation, haben sich über die letzten Jahre stark verändert. Das zwingt Finanzdienstleister dazu, die Art und Weise, wie sie Produkte und Services für die Endkunden erstellen und verkaufen, zu überdenken.

Eine Bank muss sich zum Beispiel fragen, ob das Produkt oder die Dienstleistung wirklich den Kundenanforderungen entspricht und nicht nur denen der eigenen Produktentwicklungsabteilung. Nur weil ein Produktfeature möglich ist, bedeutet das nicht, dass der Kunde es auch benötigt. Anbieter bewegen sich damit von einem produkt- zu einem kundenorientierten Ansatz.

Der Mehrwert für die Kunden besteht insbesondere darin, dass diese einen einfachen Zugang zu individuellen und attraktiven Produkten haben.

Thomas von Hohenhau: Dieser einfache Zugang, gepaart mit einer erhöhten Transparenz und breiteren Auswahlmöglichkeiten, befähigen den Kunden zusätzlich und eröffnen ihm neue Möglichkeiten. So erlaubt es unsere Open Banking Plattform dem Kunden zum ersten Mal seine Spareinlagen mit wenigen Clicks über Banken, Länder und Währungen hinweg zu diversifizieren. Ein solcher Portfolioansatz war vorher aufgrund mühseliger Kontoeröffnungsprozesse undenkbar.

Im Prinzip funktioniert Open Banking überall

Der Bank Blog: Welche Bereiche der Finanzdienstleistungs-Services sind besonders prädestiniert für Open Banking?

Thomas von Hohenhau: In mehreren Produktkategorien wie Investmentfonds oder Hypothekarkrediten ist das Anbieten von Drittprodukten für Banken bereits seit Jahrzehnten eine gängige Praxis. Diese Logik gilt auch für das Einlagengeschäft, eines der am weitest verbreiteten Produkte bei Bankkunden und eine wichtige Finanzierungsquelle für Banken.

Deposit Solutions ermöglicht diesen Transfermechanismus erstmalig und wir sehen riesiges Potenzial in dieser Produktkategorie. Im Prinzip ist Open Banking jedoch genauso auf jegliche andere Kategorie anwendbar.

Der Bank Blog: Wie sehen Sie die aktuelle Positionierung der Institute bei diesem Thema?

David Pade: Viele etablierte Finanzinstitute sowie neue Marktteilnehmer haben sich bereits der „offenen Revolution“ angeschlossen. Die Anwendungsbereiche reichen von einem Mindestansatz, der den Zugriff Dritter über Schnittstellen (APIs) ausschließlich auf ausgewählte Daten ermöglicht, bis hin zu einer maximalen Implementierung, die die Integration verschiedener Funktionalitäten in Form einer Banking-as-a-Service Plattform ermöglicht.

Deposit Solutions bietet eine Plattform fürs Sparen

Der Bank Blog: Deposit Solutions hat eine Plattform für Privatkundeneinlagen entwickelt. Was ist die Kernidee?

Thomas von Hohenhau: Heute erhält ein Kunde nur die Zinsen seiner Bank. Für andere Produktkategorien wie zum Beispiel Investmentfonds, Hypotheken oder strukturierte Produkte gibt es hingegen überall offene Lösungen. Egal, bei welcher Bank man ist, kann man auf die Produkte anderer Banken zugreifen. Bei der wichtigsten Produktekategorie, den Sparprodukten, war dies noch nicht möglich. Unser Ziel ist es, den Sparer zu ermächtigen, damit er Transparenz über die Sparprodukte verschiedener Banken hat.

Wir wollen den Banken aber auch ermöglichen, ihren Kunden Alternativen zu bieten, ohne dass sie die Kundenbeziehung verlieren. Um die Bedeutung des Marktes zu verdeutlichen: In Deutschland haben 30 Millionen Menschen Sparprodukte und nur drei Millionen Aktien. Das sind insgesamt über 2.200 Milliarden Euro Spareinlagen!

Der Bank Blog: Wie nehmen Banken das Angebot an?

Thomas von Hohenhau: Sehr gut, mittlerweile haben wir über 70 Banken an unsere Plattform angebunden und betreiben mit ZINSPILOT und SAVEDO Endkunden-Plattformen in Deutschland, den Niederlanden, Österreich und stehen in der Schweiz kurz vor dem Launch.

Viele Banken verstehen, dass die Zukunft in einem umfassenderen Service liegt: Als Bank stellt man die Infrastruktur und arbeitet mit möglichst allen Beteiligten zusammen, um dem Kunden die besten Dienstleistungen bieten zu können. Die Kundenbindung ist natürlich sehr viel Wert, das entspricht auch der klassischen Rolle der Bank. Gleichzeitig muss die Bank dieses Vertrauen dem Kunden zurückgeben, indem sie diesem wirklich den besten Service bietet. Sowohl von der FinTech-Seite wie auch von der Bankenseite her gibt es immer mehr Bereiche für Kooperationen.

Ungenutztes Kapital wird in genutztes Kapital verwandelt

Der Bank Blog: Was wird sich durch die Aktivierung des Spareinlagenmarkts verändern?

Thomas von Hohenhau: Unser Produkt hat das Potenzial, das Bankensystem wieder auf seinen ursprünglichen Zweck zurückführen: Ungenutztes Kapital in genutztes Kapital zu verwandeln. Geld, das der Bank geliehen wird, wird auf der anderen Seite als Kredit zu genutztem Kapital.

Produktbanken haben ihre Kernkompetenz möglicherweise eher im Aktivgeschäft oder möchten ihre Finanzierungsquellen über verschiedene Märkte hinweg diversifizieren. Den Bereich des Spareinlagengeschäfts können sie somit ganz oder teilweise uns überlassen. Über uns kann eine Bank in Frankreich in ganz Europa ungenutztes Kapital, das zum Beispiel beim deutschen Sparer liegt einsammeln. Dadurch erhält ein deutscher Kunde einen besseren Zins und das Kapital kommt dorthin, wo das Aktivgeschäft betrieben wird. Das Kapital kann in die lokale Wirtschaft fließen und kommt in der Realwirtschaft an.

Schließlich gibt es Banken, die über sehr viel Kapital verfügen und ihren Kunden daher keine attraktiven Zinsen bieten können. Mit dem Anschluss an unsere Plattform können diese ihre Produktpalette erweitern und auch ihre eigene Liquidität steuern. Indem wir einen Transfermechanismus für Spareinlagen bieten, unterstützen wir nicht nur den Sparer und die Banken, sondern letzten Endes die gesamte Volkswirtschaft.

Echtes Open Banking berührt den Kern von Finanzdienstleistern

Der Bank Blog: Welche zukünftigen Veränderungen im Finanzmarkt sehen Sie durch Open Banking?

David Pade: Echtes Open Banking, das über den Informationsaustausch hinausgeht, erfordert Lösungen, die den Kern von Finanzdienstleistern berühren und sich auf etablierte Prozesse und bestehende Kernbanksysteme auswirken. Gleichzeitig bergen solche Lösungen ein hohes Potenzial – Sie ermöglichen die Verbindung von Akteuren mit unterschiedlichen Bedürfnissen, was verschiedenen Arten von Banken und der Finanzindustrie im weiteren Sinne zugutekommt.

Wir glauben, dass diese Entwicklungen die Transformation der Finanzbranche maßgeblich mitbestimmen wird.

Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.

Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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