Hyperautomation verspricht Effizienz, Zeitersparnis und bessere Entscheidungen – doch in deutschen Banken ist sie noch fern. Woran liegt das, und was müssen Führungskräfte wissen, um den nötigen Wandel einzuleiten?

Hyperautomation dank Künstlicher Intelligenz verspricht Effizienzsteigerung, Zeitersparnis und Entscheidungsoptimierung.
Ohne KI wäre Hyperautomatisierung kaum denkbar – nur starre, regelbasierte Prozesse ließen sich ohne Künstliche Intelligenz automatisieren. Die umfassende Automatisierung möglichst vieler Geschäfts- und IT-Prozesse geht über klassische Prozessautomatisierung (z. B. Robotic Process Automation, RPA) deutlich hinaus: Automatisiert und KI-unterstützt werden auch komplexere, wissensintensive Aufgaben, mit dem Ziel der Effizienzsteigerung, Kostenreduktion, höheren Geschwindigkeit und besseren Entscheidungsfindung.
Hyperautomation bietet durch die intelligente Verknüpfung verschiedener Technologien wie Machine Learning (ML), Generativer KI, Robotic Process Automation (RPA), Optical Character Recognition (OCR) und vor allem Agentic AI das Potenzial, Geschäftsprozesse grundlegend zu revolutionieren. Zugleich birgt sie erhebliche Herausforderungen mit sich, etwa bezüglich regulatorischer Compliance oder bei der Integration in bestehende IT-Architekturen.
Prozessketten sind der Schlüssel zur Hyperautomation
In Deutschland steckt das Thema „Hyperautomation“ noch in den Kinderschuhen, der Fokus wird immer noch nicht auf die Optimierung gesamthafter Prozessketten gelegt – eine Grundlage für Hyperpersonalisierung. Vielmehr beschränken sich die meisten Firmen aktuell eher mit der Realisierung individueller KI-Anwendungsfälle in der Hoffnung auf Optimierungseffekte. Die Wertschöpfung aber – und das wissen eigentlich alle – passiert in genau diesen datengetriebenen Prozessketten, die sich durch das gesamte Business ziehen.
Die folgenden Schwerpunkte zeigen auf, wie sich der Weg zur Hyperpersonalisierung ebnen lässt:
Definition und Anwendungsbereiche der Hyperautomation durch KI
Hyperautomation bezeichnet den integrierten Einsatz verschiedener Automatisierungstechnologien zur End-to-End-Automatisierung komplexer Geschäftsprozesse. Sie ermöglicht – im Gegensatz zur einfachen Robotic-Process-Automation (RPA), die nur einzelne Aufgaben automatisiert – die strukturelle Automatisierung ganzer Prozesslandschaften durch eine intelligente Verknüpfung von digitalen Technologien.
In deutschen Banken findet Hyperautomation bereits in ersten Ansätzen und in verschiedenen Bereichen Anwendung. Dazu gehören das Kunden-Onboarding mit biometrischer Identifikation, die automatisierte Dokumentenverarbeitung oder die KI-basierte Betrugserkennung in Echtzeit. Auch im Bereich der regulatorischen Compliance werden zunehmend automatisierte Systeme auf der Basis von KI-Agenten eingesetzt, um die komplexen Anforderungen der Finanzaufsicht zu erfüllen.
Potentiale der Hyperautomation
Hyperautomation bietet vielfältige Chancen. Die wichtigsten befinden sich in den folgenden Bereichen:
- Effizienzsteigerung und Kostensenkung,
- Hyperpersonalisierung von Produkten,
- Risikomanagement und Compliance.
Effizienzsteigerung und Kostensenkung
Die größten Vorteile der Hyperautomation liegen in der messbaren Steigerung der operativen Effizienz. So können deutsche Banken durch den Einsatz von KI-gestützten Systemen etwa Transaktionszeiten von mehreren Tagen auf wenige Minuten reduzieren, wie etliche internationale Beispiele zeigen. Die Automatisierung von Routineaufgaben ermöglicht es, Personalressourcen für höherwertige Tätigkeiten freizusetzen und gleichzeitig Fehlerquoten zu minimieren. Mit KI-gestützten Anwendungen sparen internationale Banken schon heute Hunderttausende von Arbeitsstunden, z.B. durch Nutzung von Vertragsanalyseplattformen, die mühselige und stupende Arbeit dank KI zuverlässig in Sekunden erledigt.
Von verbesserten Kundenerfahrung zur Hyperpersonalisierung von Produkten
Bereits bestehende KI-Lösungen ermöglichen es deutschen Banken schon heute, ihren Kunden rund um die Uhr personalisierte Services anzubieten. KI-gestützte Chatbots und virtuelle Assistenten können eine Vielzahl von Kundenanfragen ohne menschliche Intervention bearbeiten, wie bspw. einfache Kontostands-Abfragen, und schaffen somit eine höhere Kundenzufriedenheit und stärkeren Kundenbindung.
Neben diesen offensichtlichen Verbesserungen der Interaktionserfahrung für die Bankkunden gehen die Möglichkeiten von Hyperautomation durch KI noch wesentlich weiter. Sind die Möglichkeiten KI-gestützter Geschäftsprozesse erst einmal erreicht, ist der Schritt zur Entwicklung und Bereitstellung hyperpersonalisierter Produkte und Leistungen für einzelne Kundengruppen oder sogar individuelle Kunden in greifbarer Nähe. Die Wettbewerbsdifferenzierung tritt damit in eine bisher nicht vorstellbare bzw. bisher unwirtschaftliche Detaillierung ein.
Risikomanagement und Compliance
Auch von KI-gestützten Systemen zur Betrugserkennung und Risikobewertung profitieren deutsche Banken schon heute. Diese Systeme können in Echtzeit verdächtige Transaktionsmuster identifizieren, die auf betrügerische Handlungen hindeuten. Darüber hinaus unterstützt KI bei der Einhaltung komplexer regulatorischer Anforderungen durch die Automatisierung von Compliance-Überwachungs- und Berichtsprozessen. Auf KI basierte Automatisierungen – bis hin zur Hyperautomatisierung durch sich autonom orchestrierende KI-Agenten – werden den Wirkungsgrad im Bereich von Betrugserkennung und Risikoanalyse noch weiter ausbauen.
Herausforderungen für Banken durch Hyperautomation
Mit dem Thema Hyperautomation sind auch Herausforderungen verbunden. Die wichtigsten sind:
- Regulatorik,
- Technische und operative Risiken,
- Datenschutz und Cybersicherheit.
Regulatorische Herausforderungen
Die deutsche Finanzaufsicht BaFin hat mehrfach explizit vor den Risiken des KI-Einsatzes in Banken hingewiesen. Besonders problematisch sind v.a. KI-Modelle, die auf Datenungleichgewichten oder Vorurteilen beruhen und zu diskriminierenden Entscheidungen führen können. Dies kann nicht nur zu Kundenbenachteiligung führen, sondern auch erhebliche Haftungs- und Reputationsrisiken für die Institute bedeuten.
Die Anforderungen zumindest sind gesetzt, doch sie sind nicht ganz einfach einzuhalten: Der EU AI Act, seit August 2024 in Kraft, sowie die DORA-Verordnung (seit Januar 2025) verschärfen die regulatorischen Anforderungen erheblich – deutsche Banken müssen nun umfassende Governance-Strukturen für KI-Systeme implementieren und deren Transparenz und Nachvollziehbarkeit sicherstellen.
Technische und operative Risiken
Ein zentrales Problem ist nach wie vor die mangelnde Transparenz vieler KI-Systeme, die als „Black Boxes“ funktionieren. Dies erschwert es deutschen Banken, KI-basierte Entscheidungen zu erklären und zu validieren, was sowohl regulatorische als auch geschäftliche Probleme verursacht. So können fehlerhafte KI-Modelle zu falschen Kreditentscheidungen, unerkannten Betrugsfällen oder systembedingten Ausfällen führen.
Die Entwicklung agentenbasierter KI-Lösungen stellt hierbei die nächste Stufe der Black-Box-Entwicklung dar. Voraussichtlich im Laufe des Jahres 2026 werden KI-Agenten in der Lage sein, ganze Geschäftsprozesse nicht nur in autonomer Form abzuwickeln, sondern auch die Durchführung nötiger Prozessschritte eigenständig zu orchestrieren. Die Nachvollziehbarkeit für fachkundige Mitarbeitende in die Verarbeitungsschritte, die zwischen Input und Output liegen, wird dadurch potenziell immer weiter zurückgehen.
Hinzu kommt: Die Abhängigkeit von wenigen großen KI- und Cloud-Anbietern wird zusätzliche Risiken schaffen. Eine starke Marktkonzentration bei Technologieanbietern kann zu Systemrisiken führen, wenn beispielsweise mehrere Banken gleichzeitig von Ausfällen oder Sicherheitsproblemen betroffen sind. Der temporäre Ausfall des Zahlungsdienstleisters PayPal und die Auswirkungen auf Banken in aller Welt war nur das jüngste Beispiel.
Datenschutz und Cybersicherheit
Um es klar zu sagen: Der Einsatz von KI-Systemen erhöht die Anforderungen an den Datenschutz erheblich. Deutsche Banken müssen sicherstellen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten den Anforderungen der DSGVO entspricht, während sie gleichzeitig die Vorteile von Big Data Analytics nutzen. Die Integration von KI-Systemen schafft neue Angriffsvektoren für Cyberkriminelle, die zunehmend KI-gestützte Angriffsmethoden einsetzen. Insbesondere die Produktivitätssteigerungen durch KI-Agenten in der Softwareentwicklung öffnen potenzielle Hintertüren für Cyberattacken, wenn die Qualitätssicherung in diesem Bereich der Entwicklungsgeschwindigkeit von Cyberkriminellen nicht gewachsen ist.
Umsetzung von Hyperautomation bei deutschen Banken
Bei der Umsetzung von Hyperautomation tun sich für deutsche Banken aktuell noch etliche Hürden auf. Die wichtigsten sind:
- Mangelnde strategische Herangehensweise,
- Technische Integration und Legacy-Systeme,
- Fachkräftemangel und Change-Management.
Mangelnde strategische Herangehensweise
Eine der größten Hürden für deutsche Banken ist die fehlende ganzheitliche Strategie bei der Implementierung von Hyperautomation durch KI. Viele Institute konzentrieren sich ausschließlich auf die Kundenkommunikation oder auf kleinteilige Effekte der Arbeitseffizienz und vernachlässigen dabei die gesamte Wertschöpfungskette. Dies führt zu suboptimalen Ergebnissen und verhindert die Realisierung des vollen Potenzials der Technologie.
Technische Integration und Legacy-Systeme
Die Realität ist: Deutsche Banken kämpfen nach wie vor mit fragmentierten IT-Landschaften und veralteten Legacy-Systemen, die eine nahtlose Integration moderner KI-Technologien erschweren. Diese antiquierten IT-Landschaften verhindern die notwendige IT-Architektur, um die Vorteile von Hyperautomation durch KI voll ausschöpfen zu können. Die komplexe IT-Architektur vieler deutscher Institute erfordert intensive manuelle Eingriffe und erhöht das Risiko menschlicher Fehler.
Kern der größten technologischen Hürde ist die veraltete und fragmentierte Systemarchitektur der meisten Institute, die sich auch auf die Verfügbarkeit und Qualität von Daten niederschlägt.
Eine daraus resultierende Entwicklung – die sogenannte Schatten-KI – ist aktuell bereits zu beobachten. Dabei handelt es sich um die ungesteuerte Nutzung von im Internet verfügbaren KI-Lösungen: Deren Möglichkeiten werden von Mitarbeitenden eingesetzt und die damit generierte Ergebnisse in den operativen Ablauf der Bank manuell eingespeist, ohne als solche erkennbar zu sein und ohne jegliche Validierung durch Fachleute.
Fachkräftemangel und Change-Management
Der Mangel an qualifizierten KI-Experten, in Kombination mit der Notwendigkeit umfassender Mitarbeiterschulungen, stellt deutsche Banken vor erhebliche Herausforderungen. Gleichzeitig müssen die Institute ihre Kulturwandel-Prozesse managen, um die Akzeptanz neuer Technologien bei Mitarbeitern und Kunden zu fördern. Hier ist zu beachten, dass die konsequente Implementierung von KI-Technologien hin zu einem hyperautomatisierten Geschäftsmodell eine erhebliche Veränderung des Kompetenzprofils der eigenen Belegschaft nach sich ziehen wird.
Deutsche Banken sollten eine ganzheitliche KI-Strategie entwickeln, die alle Geschäftsbereiche und Wertschöpfungsketten umfasst und nicht nur auf Kundenschnittstellen fokussiert. Die frühzeitige Einbindung regulatorischer Anforderungen in die Technologieentwicklung ist essenziell, um kostspielige Nachbesserungen und das Übersehen von technologieimmanenten Risiken zu vermeiden.
Es wird deutlich, dass sich Investitionen in erklärbare KI-Technologien und robuste Governance-Strukturen zunehmend zu Wettbewerbsvorteilen entwickeln. Institute, die heute die Grundlagen für transparente und ethische KI-Systeme legen, werden langfristig besser positioniert sein und können die Weiterentwicklung hin zur Hyperautomation meistern.
Dabei gibt es einiges zu beachten: Die Zusammenarbeit mit Technologiepartnern sollte unter dem Gesichtspunkt der digitalen Souveränität und Risikodiversifikation erfolgen. Deutsche Banken sind dringend aufgerufen, ihre Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern prüfen und nötigenfalls reduzieren und gleichzeitig die Integration von KI in existierende IT-Systeme konsequent ausbauen.
Fazit: Hyperautomation bietet Wettbewerbsvorteile
Hyperautomation durch KI bietet so deutschen Banken ein enormes Potenzial zur Effizienzsteigerung, Verbesserung der Kundenerfahrung und der Steigerung der unternehmenseigenen Anpassungsfähigkeit an Marktveränderungen. Gleichzeitig bringt sie erhebliche regulatorische, technische und operative Herausforderungen mit sich. Der Erfolg hängt maßgeblich von einer durchdachten strategischen Herangehensweise ab, die technische Innovation mit regulatorischer Compliance und Risikomanagement in Einklang bringt.
Deutsche Banken, die diese Balance meistern, werden in der zunehmend digitalisierten Finanzlandschaft einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil erlangen. Institute, die dieser Entwicklung eine geringere Priorität zuordnen, kein dediziertes Investitionsbudget in die Entwicklung von KI-Lösungen allokieren können oder sich allein auf die Leistungs- und Lieferfähigkeit externer IT-Dienstleister verlassen, dürften im Wettbewerb das Nachsehen haben und potenziell Teil einer absehbaren Fusionsbewegung sein.

Dr. Holger Dümler
Dr. Holger Dümler ist Koautor des Beitrags. Er ist Partner im Offering Portfolio Banking & Capital Markets Transformation und Talent Group Lead bei Deloitte und verfügt über langjährige Erfahrung in der strategischen Neuausrichtung, Digitalisierung und Transformation von Geschäfts- und Betriebsmodellen im Banken- und Versicherungssektor, die er mit den Chancen und Anwendungsmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz kombiniert.

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