Gemeinsam gegen die Corona-Krise

Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie in Realwirtschaft und Finanzsektor

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Aktuell steht die unmittelbare Bewältigung der Corona-Pandemie im Fokus von Politik und Wirtschaft. Um die wirtschaftlichen Folgen der Krise zu bewältigen, ist in erster Linie die Fiskalpolitik gefordert. Gleichzeitig leistet auch die Geldpolitik ihren Beitrag.

Gemeinsamer Kampf gegen die Auswirkungen der Corona-Pandemie

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen gemeinsam gegen die Auswirkungen der Corona-Pandemie kämpfen.

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Die Corona-Pandemie fordert alle Menschen in unserem Land. Und dies nicht nur im beruflichen, sondern auch im persönlichen Umfeld. Neben den dramatischen Auswirkungen auf das Leben und die Gesundheit vieler Menschen hat die Krise erhebliche realwirtschaftliche Auswirkungen. Sie hat weltweit einen beispiellosen kombinierten Angebots- und Nachfrageschock ausgelöst:

  • Auf der Angebotsseite schlagen vor allem die nötigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu Buche: Angeordnete Betriebsschließungen und andere Einschränkungen verhindern, dass die Kapazitäten voll ausgelastet werden können. Außerdem kam und kommt es zu Produktionsausfällen, weil die internationalen Wertschöpfungsketten gestört sind und teilweise wichtige Vorleistungen fehlen.
  • Gleichzeitig ist die globale Nachfrage rapide gefallen. Angesichts der Gesundheitsrisiken, aus Sorge um die Sicherheit von Arbeitsplätzen, aber auch aufgrund von Einkommensverlusten schränken private Haushalte ihre Konsumausgaben ein. Die Unsicherheiten über die weitere Entwicklung führen dazu, dass Unternehmen Investitionen zurückhalten.

Einbruch der weltweiten Wirtschaftsleistung

Der Welthandel brach dramatisch ein. Als offene Volkswirtschaft wurde Deutschland auch von den Auswirkungen der Krise in unseren Partnerländern in Europa und anderen großen Wirtschaftsregionen getroffen. Die deutschen Exporte sind im April mit 31 Prozent so stark gegenüber dem Vorjahresmonat zurückgegangen, wie noch nie zuvor seit Beginn der Außenhandelsstatistik im Jahr 1950.

Insgesamt sank die Wirtschaftsleistung in Deutschland bereits im 1. Quartal kräftig, das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) fiel um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die pandemiebedingten Einschränkungen erst Mitte März in Kraft traten. Das heißt, die Auswirkungen der Eindämmungsmaßnahmen werden wir in den Daten für das 2. Quartal noch deutlicher sehen. Wir rechnen zurzeit damit, dass die Wirtschaftsleistung beinahe um ein Zehntel gegenüber dem Vorquartal zurückging.

Durch den Einbruch der Wirtschaftsleistung steht der Arbeitsmarkt stark unter Druck. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote ist im Juni auf 6,4 Prozent angestiegen (im März hatte sie noch 5,0 Prozent betragen) – und dies trotz der massiven Nutzung der Kurzarbeit. Hier liegen wir bereits weit über den beobachteten Werten während der Finanzkrise 2008/2009.

Wirtschaftliche Erholung beginnt bereits

Die gute Nachricht ist: Die deutsche Wirtschaft hat den Tiefpunkt mittlerweile wohl hinter sich gelassen. Dies spiegelt sich in den Stimmungsindikatoren wider. Beispielsweise konnte sich der ifo-Geschäftsklimaindex von seinem historischen Tiefstand im April wieder deutlich lösen. Er stieg im Juni auf 86,2 von 74,3 Punkten im April.

Mit der Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen dürfte eine wirtschaftliche Erholung eingesetzt haben. Sie wird aber wohl – gemessen an der Schärfe des Einbruchs – eher langsam vorankommen. Denn Einschränkungen im öffentlichen Leben bestehen fort. Nach Bundesbank-Projektionen könnte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um etwa 7 Prozent schrumpfen bzw. um etwa 6 Prozent unter Berücksichtigung des Konjunkturprogramms der Bundesregierung. Ihr Vorkrisenniveau könnte die deutsche Wirtschaft Ende 2022 wieder erreichen.

Die Entwicklung ist unsicher. Eine moderate Erholung bedingt, dass die Infektionszahlen unter Kontrolle gehalten werden können. Bei einem Exportanteil am BIP von 47 Prozent kommt es zudem maßgeblich darauf an, dass sich auch unsere Handelspartner in Europa, Asien und den USA erholen.

Bedeutung fiskalpolitische Maßnahmen zur Krisenbekämpfung

Von ganz wesentlicher Bedeutung sind auch die fiskalpolitischen Maßnahmen, um das Gesundheitssystem zu stärken, die ökonomischen Folgen der Krise zu mildern und möglichst zu verhindern, dass die Wirtschaft auf Dauer geschädigt wird.

Ein solch dauerhafter Schaden könnte insbesondere dann entstehen, wenn eigentlich gesunde Unternehmen in großer Zahl zusammenbrächen und so die Arbeitslosigkeit für lange Zeit erhöht würde. Deshalb ist es wichtig, dass aus vorübergehenden Liquiditätsproblemen der Unternehmen keine Solvenzprobleme werden. Mit Blick auf die bereits erfolgten Herabstufungen der Ratingagenturen bleibt die Entwicklung des 4. Quartals 2020 bzw. des 1. Quartals 2021 abzuwarten.

Schnelle und umfassende Reaktion der Politik

Die Bundesregierung hat schnell und umfassend reagiert. Ergänzt werden die Maßnahmen noch durch die der Länder. Der Staat stundet den Unternehmen Steuern und Sozialbeiträge, zahlt Zuschüsse, garantiert Kredite und beteiligt sich sogar mit Kapital. Auch die Einkommenseinbußen privater Haushalte werden abgefedert, insbesondere durch die Ausweitung der Kurzarbeiterregelung.

Im Wesentlichen übernimmt der Staat Risiken, die er in dieser außergewöhnlichen Situation besser stemmen kann als der Privatsektor. Dabei hat sich auch gezeigt, wie wichtig solide öffentliche Finanzen sind, die Handlungsspielräume für Krisenzeiten schaffen. Dies ist ein Aspekt, auf den die Bundesbank immer hingewiesen hat. Es ist aus Sicht der Bundesbank auch richtig, dass die Bundesregierung nun die wirtschaftliche Erholung mit einem umfangreichen Konjunkturpaket anschiebt.

Nach einer ersten Schätzung unserer Experten könnte damit die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um ca. 1 Prozent höher ausfallen als projiziert, also nur um 6 Prozent statt um 7 Prozent fallen. 2021 könnte sie durch das Konjunkturpaket noch um ein halbes Prozent gesteigert werden, also um 3½ Prozent statt 3 Prozent wachsen.

Deutschland ist keine Insel

Wir sollten allerdings nicht vergessen, dass Deutschland keine autarke Insel ist. Die verschiedenen fiskalischen Maßnahmen auf EU-Ebene sind von großer Bedeutung, um die Auswirkungen der Krise abzudämpfen und die Wirtschaft in den EU-Mitgliedstaaten anzukurbeln. Sie sind letztlich im eigenen Interesse Deutschlands als exportorientierte Wirtschaft. 2019 flossen 59 Prozent des deutschen Exports in andere EU-Mitgliedstaaten.

Die massiven fiskalischen Maßnahmen in den Mitgliedsländern der Währungsunion und auch in Deutschland sorgten insgesamt für ein positives Echo an den Finanzmärkten. Gleichzeitig müssen wir aber die Balance von Handeln und Haften und Anreize für eine solide Haushaltführung bewahren.

Krise der Realwirtschaft darf nicht zur Finanzkrise werden

Neben den Auswirkungen auf die Realwirtschaft gilt es, die geldpolitischen Maßnahmen zur Krisenbewältigung näher zu beleuchten und auf die bedeutende Rolle der Banken und des Kapitalmarkts einzugehen.

Die aktuelle Krise ist eine Krise der Realwirtschaft. Anders als 2008/2009 hat sie ihren Ursprung nicht im Finanzsystem. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Probleme aus der Realwirtschaft auf das Finanzsystem überschwappen. Das könnte den Wirtschaftseinbruch noch verschärfen, insbesondere wenn die Kreditversorgung beeinträchtigt würde.

Die Finanzkrise hat uns gelehrt, dass solche negativen Rückkopplungseffekte die Preisstabilität auf mittlere Sicht ernsthaft gefährden können. Damit die Wirtschaft wieder in Fahrt kommt, ist es daher wichtig, dass Unternehmen mit Krediten versorgt werden und die Finanzierungsbedingungen günstig bleiben.

Auch die Geldpolitik hat gehandelt

Nun gewinnt auch an Bedeutung, dass die Krise die künftige Preisentwicklung dämpft. Dies zeigt sich in den jüngsten Projektionen des Eurosystems. Deshalb war es wichtig, dass auch die Geldpolitik gehandelt hat. Dazu gehört, dass die Bundesbank und die anderen nationalen Zentralbanken des Eurosystems die Banken aktuell zu sehr günstigen Bedingungen mit Liquidität versorgen, u.a. mittels längerfristigen Refinanzierungsgeschäften.

Im günstigsten Fall können die Banken für den Zeitraum Juni 2020 bis Juli 2021 eine Prämie erhalten, der Zinssatz kann bis zu -1,0 Prozent betragen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Banken im Gegenzug ihre Kreditvergabe aufrechterhalten.

Das Interesse ist in jedem Fall groß: Vor 2 Wochen erhielten mehr als 700 Banken – der Großteil aus Deutschland – über 1,3 Billionen EUR in diesem langfristigen Refinanzierungsgeschäft. So können wir Zentralbanken dazu beitragen, dass der Finanzsektor seine Funktion erfüllt: die Wirtschaft mit Krediten versorgen und so die Erholung unterstützen.

Wichtige Rolle der Banken

Die Fremdfinanzierung ist bei Unternehmen in Deutschland und im Euroraum zu rund 80 Prozent bankbasiert und zu 20 Prozent kapitalmarktbasiert. Dies zeigt die hohe Bedeutung der Banken bei der Finanzierung der Realwirtschaft.

Erfreulich ist daher, dass aus der Finanzkrise wichtige Lehren gezogen wurden. Das europäische Bankensystem ist durch die strengeren regulatorischen und aufsichtlichen Anforderungen der letzten Jahre besser aufgestellt und widerstandsfähiger geworden. Die Banken im Euroraum sind insgesamt besser kapitalisiert und verfügen über Kapitalpuffer.

Vor diesem Hintergrund spielen sie in der aktuellen Krise eine bedeutende stabilisierende Rolle. Denn viele Firmen haben einen erhöhten externen Finanzierungsbedarf, weil Einnahmen ausfallen. Die Banken erfüllen ihre Aufgabe, die Wirtschaft und Privathaushalte mit Krediten zu versorgen und übernehmen damit eine entscheidende Rolle, um die Krise zu bewältigen. Sie haben ihre Kredite an Unternehmen deutlich ausgeweitet. Im Mai reichten die Banken 7,3 Prozent mehr Darlehen an Firmen aus als im Vorjahr, nach einem kräftigen Plus von 6,6 Prozent im April.

Finanzierung der Wirtschaft muss auf breitere Füße gestellt werden

Die Finanzierung der Wirtschaft muss aber auf breitere Füße gestellt werden. Daher ist auch der Kapitalmarkt eine wichtige Finanzierungsquelle und muss weiterentwickelt werden. Damit werden Risiken auf mehrere Schultern verteilt und letztlich auch der Bankensektor in der Krise entlastet. Daher ist es wichtig, dass wir – gerade auch im Zuge des Brexit – mit mehr Nachdruck an einer funktionierenden europäischen Kapitalmarktunion arbeiten.

Zuletzt hat sich der Ausblick an den Kapitalmärkten aufgehellt, so dass neben Banken auch viele kapitalmarktaktive Unternehmen ein relativ günstiges Umfeld zur Begebung von Anleihen nutzen konnten. Darunter waren auch zahlreiche deutsche Unternehmen mit hohen Emissionsvolumina.

Gleichwohl gilt: Die künftige Entwicklung hängt maßgeblich vom weiteren Verlauf der Pandemie ab, Risiken bleiben bestehen. Es besteht daher kein Grund für Euphorie – auch nicht an den Kapitalmärkten. Damit einher gehen die aktuellen Markterwartungen, die von sinkenden Unternehmensgewinnen in den nächsten 12 Monaten geprägt sind.

Die Pandemie ist noch nicht überstanden

Deutschland hat in dieser beispiellosen Situation richtig gehandelt: Schnell und entschlossen wurden massive Fiskalmaßnahmen auf dem Weg gebracht. Hier hat sich gezeigt, wie wichtig eine solide Haushaltsführung in guten Zeiten ist, die Handlungsspielräume in Krisenzeiten schafft.

Die Talsohle ist durchschritten, eine Erholung hat eingesetzt. Die Geldpolitik hat ihren Beitrag geleistet. In dieser Krise war jedoch in erster Linie die Fiskalpolitik gefordert. Sie hat umfassend und schnell reagiert. Auch auf europäischer Ebene wurden wichtige fiskalische Maßnahmen zur Unterstützung bereits beschlossen. Weitere werden diskutiert. Ein gemeinschaftliches Handeln der Mitgliedstaaten entlastet auch die Geldpolitik.

Deutschland übernimmt im Juli die Ratspräsidentschaft der EU. Die Bundesregierung stellt sie unter das Motto: „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ Darauf kommt es jetzt an.

Über den Autor

Dr. Sabine Mauderer

Dr. Sabine Mauderer ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zuständig für die Bereiche Märkte und Personal.

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