Was Future Bullshit und Kundenservice miteinander zu tun haben

Digital und Analog im gegenläufigen Trend

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Das Leben wird immer digitaler und die aktuelle Corona-Pandemie verstärkt diesen Effekt noch. Doch wie viele Trends, ruft auch dieser eine Gegenentwicklung hervor. Viele Menschen gehen ganz bewusst offline – und genießen es.

Analoger und digitaler Kundenservice müssen sich ergänzen

Guter Kundenservice ist sowohl analog als auch digital.

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Immer mehr Menschen kommunizieren per Messenger und Video-Telefonie, streamen Filme und Musik übers Internet, kaufen online ein, steuern Licht und Heizung per Smartphone-App und Autos sind heute Rechenzentren auf Rädern.

Das macht unser Leben an vielen Stellen einfacher und komfortabel. Einerseits. Andererseits verstärkt das allgegenwärtig Digitale unsere Lust am Analogen. Zumindest geht’s mir so: Ich genieße es, mal offline zu sein, mit meinem Rennrad durchs Saarland zu fahren, meine alten Beatles-Schallplatten anzuhören oder in Ruhe ein gutes Buch zu lesen.

Geht es Ihnen auch so? Können Sie das nachempfinden? Dann müssen Sie keine Angst haben, dass Sie aus der Zeit gefallen sind oder dass sie den Anschluss verpasst haben. Das geht vielen Menschen so und lässt sich leicht erklären: Jeder Trend erzeugt nämlich auch einen Gegentrend. Das ist quasi ein Naturgesetz, weil alle Systeme auf der Welt danach streben, sich auszubalancieren, ins Gleichgewicht zu bringen.

Wir beschäftigen uns gern mit der Zukunft

Das zumindest sagt Zukunftsforscher Matthias Horx in seinem aktuellen Buch „15 ½ Regeln für die Zukunft – Anleitung zum visionären Leben“. Es handelt davon, wie die Zukunft in unseren Köpfen entsteht – und dadurch wiederum ihren Weg in die Realität findet. Und wie wir konstruktiv mit unserem Lieblingsthema, der Zukunft, umgehen können. Laut Horx beschäftigen wir uns nämlich 40 Prozent des Tages damit, was passieren wird oder geschehen könnte. Diese Eigenschaft ist von der Evolution geprägt: Mit unserem übergroßen Hirn sind wir homo prospectus, der vorausschauende Mensch.

Was das Buch so spannend macht, sind die vielen, verschiedenen Perspektiven auf die Zukunft, die Kurven, die Umleitungen. Denn normalerweise stellen wir uns unter Zukunft ja meistens vor, dass sich die großen Trends, die Megatrends, einfach linear weiterentwickeln. Horx setzt dieser Vorstellung aber ein dialektisches und zyklisches Bild entgegen: Eine seiner wichtigsten Zukunftsregeln lautet eben „Jeder Trend erzeugt einen Gegentrend“.

„Eine Zukunftswelt, in der sich die Megatrends radikal durchsetzen würden, wäre eine seltsam flache, eindimensionale Welt“, so Horx. Megatrends wie Urbanisierung, Globalisierung oder Mobilität würden langsam aber sicher an ihre Sättigungsgrenzen stoßen. Und weiter: „Wenn alle mobil sind, stehen alle im Stau, und wenn alles globalisiert ist und in jeder Stadt alle Läden gleich sind, dann fühlen sich die Menschen nicht mehr wohl“.

Das Alte kommt wieder und erneuert sich selbst

Eine weitere Zukunftsregel besagt: „Das Alte kommt immer wieder – und erneuert sich dabei selbst“. Unsere Gesellschaft werde nun einmal immer komplexer und das bremse lineare Entwicklungen. Manche Dinge würden zwar immer schneller. Aber andere dadurch auch wieder langsamer. „Auf diese Weise sind Beschleunigung und Entschleunigung miteinander verbunden. Das erklärt das Gefühl des rasenden Stillstands oder auch den „Fortschritts-Schwindel“, der uns bisweilen befällt: Es geht voran – aber immer auch zurück“, meint der Zukunftsforscher.

So sei etwa die Anzahl jährlich zugelassener Medikamente weltweit gesunken, obwohl den Pharmafirmen immer mehr Daten zur Verfügung stehen. Und das liege nicht daran, dass Fehler leichter entdeckt werden. Vielmehr sei die Improvisations- und Experimentierfreude gesunken, weil sich die Forscher eben nur noch auf ihre Daten verlassen. Zufallsfunde wie das Penicillin würden so erschwert.

Gegenbild zur gradlinigen Zukunft

Der Wahl-Wiener zeichnet ein spannendes Gegenbild zur stringent gradlinig verlaufenden Zukunft. Er sagt dazu: „Die Zukunft entsteht nicht in geraden Linien, sondern in Schleifen und Spiralen. … Alle erwarteten Zukünfte kommen später, als man denkt.“ So würden die Autos zwar immer leistungsfähiger, schneller ans Ziel kommen wir trotzdem nicht. „Der Autoverkehr in fast allen Ballungsgebieten der Welt fließt heute deutlich langsamer. Oft fließt gar nichts mehr. In den Großstädten liegt die durchschnittliche Geschwindigkeit unter zehn Stundenkilometer.“

Was mir neben diesen schon allgemein sehr interessanten Thesen gefallen hat, ist, dass sich viele davon mit unserem Credo im Telekom Service decken. So lautete eine unserer wichtigsten Maximen: Digitale Technologien sind im Service unverzichtbar, um die Kundenerwartungen – etwa an eine 24/7-Beratung – zu erfüllen. Aber am Ende des Tages macht der Mensch mit seiner Erfahrung und Empathie den Unterschied aus. Keine KI, keine Maschine kann unseren Kundenberatern hier das Wasser reichen. Sie sind die Superkraft für tadellosen Service.

Natürliche und künstliche Intelligenz

Horx‘ vierte Zukunftsregel lautet: „Vertraue auf natürliche Intelligenz (NI), anstatt Dich vor künstlicher Intelligenz (KI) zu fürchten.“ Und er sagt dann in diesem Kapitel viele Dinge, die ich genauso sehe: „Was wir im Intelligenzvergleich zwischen Mensch und Maschine unterschätzen – und kleinreden –, ist unsere originär menschliche Fähigkeit zur Emotion. Emotionen sind Abkürzungen, die uns in die Lage versetzen, sehr schnell und unmittelbar auf komplexe Umweltlagen zu reagieren.“

„Im Grunde genommen ist es ganz einfach: Die künstliche Intelligenz treibt uns die Treppe des Menschlichen hinauf. Sie übt einen Evolutionsdruck auf unsere genuin menschlichen Fähigkeiten aus, indem sie uns neben den mechanischen nun auch Teile der analytischen Routinen abnimmt. Aber sie nimmt uns nicht das Kognitive ab. Im Gegenteil: Sie fordert es zu einem Sprung auf die nächsthöhere Stufe der NI, der natürlichen Intelligenz, heraus“, betont Horx.

Für Routinetätigkeiten die Maschine, für persönliche Beratung den Menschen

So verstehen wir das Zusammenspiel von Mensch und Maschine auch bei uns im Service: Die Bots sind wichtig, um Mengen aus dem System zu nehmen und den Beratern Zeit für komplexere Anliegen zu verschaffen. Darum haben wir viele monotone Routinetätigkeiten, wie Kundendaten kopieren oder SMS versenden, automatisiert. Das können Softwareroboter 24 Stunden am Tag, ohne müde zu werden und ohne Fehler zu machen. Was sie nicht können, ist unsere Kunden in schwierigen Fällen individuell zu beraten, mit viel Gespür für die Situation und Empathie für den Kunden. Solche anspruchsvollen Aufgaben können nur unsere menschlichen Berater mit ihrer natürlichen Intelligenz erfüllen.

„Begreife die wahre Co-Evolution von Technik und Mensch“, lautet Zukunftsregel 5. Hier wirbt Horx für die Entwicklung und den Einsatz von „Wise Tech“ statt „Smart Tech“. Wir bräuchten Technologien, die uns neue Fähigkeiten verleihen, statt Kompetenzen abzunehmen. Wer hat von Ihnen noch die Telefonnummern seiner Freunde im Kopf oder orientiert sich bei langen Reisen an Karten und Verkehrsschildern? Wir haben doch unser Smartphone und unser schlaues Navi. Bei dieser „Smart-Utopie“ gehe es um Störungsfreiheit, so Horx. „Das Haus wohnt sich selbst. Das Auto fährt sich selbst. Die Gesundheit gesundet sich selbst. Das Leben aber besteht aus Störungen, Reaktionen, Ungleichgewichten, die wir bewältigen – und daraus beziehen wir unseren Lebenssinn.“

Technik soll den Menschen unterstützen, nicht ersetzen

Auch das versuchen wir bei uns im Service: Die Technik soll unsere Mitarbeiter nicht ersetzen oder entmündigen, sondern zu einem noch besseren Kundenservice befähigen. Sie soll unseren Kollegen dabei helfen, ihre menschliche Kompetenz voll ausspielen zu können. Nehmen wir nur unsere Robotic Desktop Automation (RDA): Wir setzen diese KI-Systeme nicht ein, um unsere Berater an der Hotline im Dialog mit dem Kunden überflüssig machen, sondern um sie dabei zu unterstützen. Zum Beispiel, indem sie relevante Informationen zu einem Tarif bereitstellen oder den passenden Router raussuchen. So werden unsere Berater als Kuratoren aufgewertet, die einen individuellen Service von Mensch zu Mensch erbringen – ohne selbst perfekt sein zu müssen.

„Würdevolle Technologie ist jene Technik, in der wir als nichtperfekte Wesen vorkommen. Die nicht verspricht, was sie nicht halten kann. Durch die ein Nettogewinn hinsichtlich der humanen Entwicklung entsteht.“ Matthias Horx

Nicht jeden Hype mitmachen

Über Trends, die Gegentrends erzeugen – die zweite Horx‘che Zukunftsregel – habe ich ja eingangs schon geschrieben. Da finde ich aber nicht nur mich selbst wieder, sondern auch unsere Kunden. Die wollen gerade in Zeiten der Digitalisierung nicht auf persönliche Beratung verzichten. So nützlich Self-Services Apps auch sind, viele Kunden sehnen sich jetzt erst recht nach dem zwischenmenschlichen Austausch. Darum setzten wir die Digitalisierung immer mit Augenmaß ein. Digital denken, empathisch lenken, sagen wir dazu.

Ich bin der festen Überzeugung, man muss nicht jeden Hype mitmachen und jede neue Technologie einführen. Wir haben bei uns im Service schon viele Dinge ausprobiert und sehr schnell wieder verworfen. Da, wo sie keinen Mehrwert für unsere Kunden oder Mitarbeiter erbracht haben, haben wir schnell wieder den Stecker gezogen. Leider wird uns heutzutage sehr Vieles als das nächste große Ding verkauft. Doch da darf man nicht blauäugig sein und alles für bare Münze nehmen.

Hüte Dich vor Future Bullshit!

Nicht umsonst lautet die erste Zukunftsregel von Matthias Horx: „Hüte Dich vor Future Bullshit!“ Er hat in den vergangenen 30 Jahren etliche Trends und Megatrends kommen und gehen sehen. Viele davon hat er selbst ausgerufen, längst nicht alle davon haben sich auch bewahrheitet. Darum kann man diese Regel durchaus ein Stück weit als Selbstkritik verstehen. Heute rät Horx dazu, sich vom „Zukunftszwang“ zu befreien. Wir müssen nicht jeden Trend mitmachen, wir dürfen die Dinge ruhig kritisch hinterfragen. Und auch mal „Future Bullshit“ rufen, wenn man uns die nächste „Super-Technologie“ verkaufen will.

Auch in Regel 6 habe ich unseren Service wiedergefunden: „Erkenne den wahren Sinn von Visionen“, lautete sie. Visionen würden das Großartige in kleinen Schritten finden, lustvoll mit Provisorien arbeiten. Sie seien ein Prozess, kein Ergebnis und sie würden die Welt wieder frisch machen, so Horx. Wir haben die Vision, unseren Kunden den besten, einen tadellosen Service zu bieten. Aber uns ist völlig bewusst, dass das kein Sprint ist, sondern ein Marathon. Wir können uns diesem Ziel nur schrittweise nähern und versuchen jeden Tag ein bisschen besser zu werden.

Service ist eine endlose Spirale

Dafür improvisieren wir viel und machen die Dinge einfach anders: Indem wir in Zeiten von Corona aus 16.000 Homeoffices arbeiten, statt aus 50 Servicecentern. Indem wir Regiocenter eröffnen, in denen die Berater den Dialekt des Kunden sprechen. Indem wir auf die Erstlösungsquote schauen, statt auf die Call Handling Time. Und trotzdem kann es sein, dass wir unser Ziel nie erreichen, weil die Kundenerwartungen permanent wachsen. Tadelloser Service ist darum nie fertig, man kann immer noch ein bisschen besser werden. Oder frei nach Horx: Der Service ist wie die Zukunft eine endlose Spirale. Die Komplexität nimmt stetig zu, so dass man immer wieder einen neuen Anlauf nehmen muss, um ein Stückchen voranzukommen.

Über den Autor

Dr. Ferri Abolhassan

Dr. Ferri Abolhassan ist Mitglied der Geschäftsführung der Telekom Deutschland GmbH und Vorsitzender Geschäftsführer der Deutsche Telekom Service GmbH und der Privatkunden Vertriebsgesellschaft mbH. Zuvor war der promovierte Informatiker für T-Systems, Siemens, SAP, IBM und IDS Scheer tätig.

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