ESG im Kreditgeschäft der Banken

Erste Erfahrungen aus Prüfungen nach § 44 KWG

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ESG-Risiken stehen zunehmend im Fokus der Bankenaufsicht. Die Analyse der kundenbezogenen ESG-Risiken bei der Kreditvergabe steht bei aktuellen Prüfungen im Mittelpunkt und hat zu einer Reihe von Feststellungen geführt, die sich auf alle Institute auswirken.

ESG-Prüfungen nach § 44 KWG

Erste Erfahrungen aus Prüfungen nach § 44 KWG zur Beachtung von ESG im Kreditgeschäft der Banken.

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ESG-Risiken stehen bei Prüfungen der BaFin zunehmend im Fokus. Insbesondere im Kreditprozess gibt es dabei einiges zu beachten, was bei mehreren Prüfungen im Jahr 2024 von der Bundesbank auch geprüft wurde. Die Prüfer der Bundesbank legen dabei den Finger in die Wunde, wenn die Strategien nicht klar definiert sind und die Kreditprozesse insbesondere bei der Analyse der Kapitaldienstfähigkeit, der Ermittlung eines sachgerechten ESG-Scores und bei der Sicherheitenbewertung Schwächen aufweisen.

ESG-Risiken als Element des Risikomanagements

Die 7. Novelle der MaRisk für die Banken wurde 2023 von der BaFin veröffentlicht und muss von den Instituten folglich seit 1.Januar 2024 umgesetzt sein. In der MaRisk-Novelle wurde an verschiedensten Stellen auf ESG-Risiken verwiesen, die zukünftig genauer betrachtet und im Risikomanagement der Institute berücksichtig werden müssen. Die folgenden Überlegungen greifen die Anforderungen der MaRisk an die Kreditprozesse, insbesondere die Kreditvergabe und Votierung, die Risikoklassifizierung („Rating“) und die Sicherheitenbewertung auf.

Bei Baufinanzierungen liegt der Fokus vor allem auf der aktuellen und zukünftigen Werthaltigkeit der Immobilien-Sicherheit. Im gewerblichen Bereich ist der Fokus deutlich breiter, da sowohl die vom Unternehmen hergestellten Produkte und Dienstleistungen und möglicherweise damit einhergehende ESG-Risiken analysiert werden müssen als auch die vom Unternehmen gestellten Sicherheiten. Darüber hinaus geht die Bundesbank gewissermaßen hierarchisch vor, indem sie vor der Prüfung der konkreten Prozesse die Strategie-Dokumente des Instituts würdigt.

Wie läuft eine Prüfung nach §44 KWG bei einem Institut ab?

Die Bundesbank hat im Jahr 2024 bundesweit mehrere Prüfungen nach §44 KWG durchgeführt, die sich im Schwerpunkt die ESG-Risiken der Institute vorgenommen haben. Dabei wurde der Fokus von der BaFin und der Bundesbank auf die ESG-Risiken gelegt, die sich aus dem gewerblichen Kreditgeschäft ergeben.

Hierzu erhält das Institut ca. vier Wochen vor Prüfungsbeginn eine Anforderungsliste von Unterlagen, die das Institut vor Beginn der Prüfung dem Prüferteam bereitzustellen hat. Zu den abgefragten Unterlagen zählen allgemeine Unterlagen, wie Strategien und Risikoberichte. Es werden aber auch sehr konkrete Prozessbeschreibungen zum Umgang mit ESG-Risiken im gewerblichen Kreditgeschäft verlangt, insbesondere im Bereich der quantitativen Unternehmensanalyse und dem sich hieraus ergebenen Rating und dem Bereich der Sicherheitenbewertung.

Wo liegen die Schwerpunkte der Prüfer?

Im Folgenden wollen wir uns etwas genauer ansehen, was die Prüfer der Bundesbank sich ansehen und welche möglichen Feststellungen hier drohen können.

Geschäfts- und Risikostrategie in Bezug auf ESG

Startpunkt für die Prüfung durch die Bundesbank sind meist die Strategie-Dokumente des Instituts. Nach AT 4.2 der MaRisk sind die Institute gefordert, für alle wichtigen Geschäftsbereiche und wesentliche Risiken strategische Aussagen zu treffen, mit der MaRisk-Novelle auch zu ESG. Aus diesen Dokumenten ergibt sich folglich eine erste Analyse über die Betroffenheit des Instituts zu ESG-Risiken und das eigene Ambitionsniveau in Bezug auf ESG.

Beispielsweise haben viele Institute Selbstverpflichtungen unterschrieben zur zukünftigen Einhaltung von ESG-Standards oder zur Reduzierung von CO2 im eigenen Betrieb. Diese Selbstverpflichtungen greifen zwar meist erst in einigen Jahren. Die Prüfer stellen aber bereits heute die Frage, welche Schritte konkret unternommen werden, um diese Ziele auch erreichen zu können. Die Messbarkeit der Strategieziele hat dabei eine besondere Bedeutung, da nur messbare Ziele wirklich nachgehalten und überprüft werden können.

In Bezug auf ESG stehen derzeit vor allem Ziele zur Bereitstellung der benötigten Daten im Vordergrund, beispielsweise eine möglichst vollständige Übersicht der Energieausweise der finanzierten (Wohn-)Immobilien oder die Abfrage von CO2-Verbräuchen der gewerblichen Kunden (zumeist ab einer gewissen Größenordnung des Kundenengagements).

Häufig finden sich in den Strategien auch Vorgaben für Ausschlüsse von Kunden oder Branchen. Insbesondere Unternehmen, die Tabak-Waren und kontroverse Waffen herstellen, werden von vielen Instituten nicht mehr finanziert, weder im Kreditportfolio noch im Eigenbestand.

Auswirkungen von ESG-Faktoren auf das Kapitaldienstfähigkeit

Zentraler Punkt für die Kreditvergabe (bereits seit der 6. KWG-Novelle 1998) ist die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers und seine (erwartete) Zahlungsfähigkeit während der Kreditvergabe. Dies ist bei den Instituten seit vielen Jahren in Form einer Überprüfung der Fähigkeit des Kunden, seinen Kapitaldienst über die Kreditlaufzeit störungsfrei erbringen zu können, umgesetzt. Praktisch werden hierzu die aktuellen Bilanzen und Planungsrechnungen der Unternehmen analysiert und bewertet.

In kritischeren Fällen können Institute auch Szenario-Rechnungen unter verschlechterten Bedingungen oder Sensitivitäten (z.B. die Auswirkungen eines definierten Umsatzrückgangs) berechnen. An dieser Stelle können nun auch ESG-Fragestellungen einbezogen werden, konkret die Auswirkungen steigender CO2-Zeritifikate-Preise, die die Unternehmen aktuell oder zukünftig erwerben müssen. Denn diese Kosten werden nicht in jedem Fall durch höhere Umsätze kompensiert werden können und können daher einen zusätzlichen Belastungsfaktor für Kreditkunden darstellen.

Die Erwartung der Prüfer der Bundesbank bei ESG-Prüfungen ist nun, diese Belastungsfaktoren für (im Sinne des Kapitaldienstes) schwache Kunden zu analysieren und die Ergebnisse bei der Kreditvergabe zu berücksichtigen, beispielsweise durch höhere Zinskonditionen oder ggf. sogar die Ablehnung eines Kreditantrags.

Auswirkungen von ESG-Faktoren auf das Rating bzw. Scoring

Die Analyse der Kapitaldienstfähigkeit mündet in ein von der Bank oder Sparkasse vergebenes Rating. In diesem Rating werden Bilanzkennzahlen ebenso verarbeitet, wie qualitative Einschätzungen des Institutes zu verschiedenen Aspekten des Unternehmens. Einer dieser Aspekte aus ESG-Sicht kann die Lage in einem möglichen Überschwemmungsgebiet ohne entsprechende Absicherung sein. Folglich werden durch die Prüfer auch die Auswirkungen von ESG-Faktoren auf das vergebene Rating hinterfragt.

Neben dem seit vielen Jahren etablierten Rating haben Banken und Sparkassen ein separates Instrument zur Messung von ESG-Risiken etabliert, meist bezeichnet als „ESG-Score“. Hier werden Daten für verschiedene Kriterien vom Unternehmenskunden erfragt, z.B. CO2-Fußabdruck, Wasserverbrauch oder der Anfall von Problemstoffen im Rahmen der Produktion. Diese Daten werden ergänzt und ggf. abgeglichen mit Branchen-Durchschnittswerten. Die verschiedenen Faktoren werden nach „E“, „S“ und „G“ gewichtet und ein Gesamt-Score gebildet. Bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken entsteht dadurch ein „ESG“-Durchschnitts-Wert, der im besten Fall einen Score-Wert von 0 und im schlechtesten Fall einen Wert von 100 ergibt.

Im Rahmen der Prüfung haben die Prüfer dieses Verfahren sehr detailliert unter die Lupe genommen und die konkrete Umsetzung an einigen Stellen bemängelt. Dabei ging es insbesondere um die noch mangelhafte Umsetzung individualisierter Informationen, d.h. der Berücksichtigung von Informationen der Unternehmen anstelle der Informationen im Branchendurchschnitt, insbesondere was den CO2-Fußabdruck der Kreditkunden angeht (und damit die Betroffenheit des Kreditkunden bei steigenden CO2-Zertifikate-Preisen). Auch haben die Prüfer die Mittelung der „E“, „S“ und „G“-Werte in einem Durchschnitts-ESG-Score kritisch gesehen, da sehr schlechte Einstufungen in „E“ (v.a. infolge hoher CO2-Verbräuche) durch sehr gute „S“ und/oder „G“-Einstufungen kompensiert wurden. Aus Sicht der Prüfer sollten insbesondere schlechte „E“-Scores transparenter werden, zumal nur der ermittelte ESG-Gesamt-Score im Rahmen des Kreditantrags in den Instituten zu würdigen war und damit schlechte „E“-Score-Werte nicht gewürdigt wurden.

Sicherheitenbewertung mit Blick auf ESG

Für vom Kreditkunden an das Institut übertragene Sicherheiten erstellen die Institute regelmäßig Wertgutachten über die Höhe des Wertes der Sicherheit. Hierfür sind verschiedene Verfahren im Einsatz, die entweder Vergleiche mit ähnlichen Sicherheiten anstellen, deren Wert bekannt ist oder es werden zukünftig erzielbare Erträge, z.B. in Form von Mietzahlungen einer Immobilie, und entstehende Kosten, z.B. für die Instandhaltung der Immobilie, nach mathematischen Verfahren zu einem Wert verdichtet. Diese Bewertungen werden von bei den Instituten angestellten oder externen Gutachtern im Auftrag der Bank oder Sparkasse erstellt.

Bei diesen Gutachten werden idealerweise sowohl physische Risiken beleuchtet und dokumentiert, also Hochwasser, Starkregen oder andere Naturgefahren. Es werden aber auch transitorische Risiken, wiederum in Form der bereits mehrfach angesprochenen CO2-Zertifikate, adressiert, speziell bei der Frage, inwieweit Immobilienbesitzer die Kosten für die Zertifikate auf die Mieter umlegen können oder nicht, was davon abhängt, was die Immobilie für eine Energieeffizienz aufweist. Ein höherer Sicherheitenwert führt dabei zu einem geringeren Blankoanteil des auszureichenden oder ausgereichten Kredits und damit zu niedrigeren Konditionen für den Kreditkunden und zu einem niedrigeren Risikoausweis des Kredits.

Die Prüfer der Bundesbank legen großen Wert darauf, dass die Gutachten sowohl transitorische wie auch physische Risiken adressieren und möglichst gut und nachvollziehbar quantifizieren.

Prüfungen konzentrieren sich auf das „E“ bei ESG

Die Umsetzung der MaRisk-Novelle im Bereich der ESG-Risiken im Kreditgeschäft stellt primär auf die Frage ab, ob ESG-Risiken existieren, die während der Kreditlaufzeit zu Problemen in der Rückzahlung des Kredites führen können. Die Prüfungen haben sich dabei sehr auf „E“-Risiken fokussiert, da diese Risiken, insbesondere der CO2-Fußabdruck und die damit verbundenen Kosten, monetär gut greifbar und aufgrund gesetzlicher Vorgaben zum Einsatz der CO2-Zertifikate zwingend sind. Demgegenüber sind Soziale „S“ und Governance „G“-Fragestellungen für die Kreditvergabe nicht relevant oder bei den qualitativen Faktoren der klassischen Ratings bereits etabliert.

In der Praxis gilt es folglich, die angesprochenen Prozesse zur Identifikation möglicher ESG-Risiken im Hinblick auf die Rückzahlungsfähigkeit der Kreditkunden kritisch zu beleuchten, die wesentlichen Punkte für den Kapitaldienst, das Rating/Scoring und für die Sicherheitenbewertung herauszuarbeiten und im Rahmen der Kreditentscheidung zu dokumentieren. Dann steht einem guten Prüfungsergebnis bei einer ggf. anstehenden Prüfung nach §44 KWG zu ESG-Risiken im Kreditgeschäft nicht viel im Weg.

Über den Autor

Markus Heinrich

Markus Heinrich ist Geschäftsführer bei der Roland Eller Consulting GmbH und berät Banken und Sparkassen bei Fragestellungen rund um die Themen Banksteuerung, Risikomanagement, gelebte Aufsichtspraxis und neue Trends. Zuvor war der Wirtschaftsmathematiker Stellv. Abteilungsdirektor bei der HypoVereinsbank/UniCredit.

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