Kurz erklärt: Chancen und Risiken im Bereich Embedded Financial Services

Beispiele und Erkenntnisse aus der Finanzbranche und der Wissenschaft

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Seit Jahren wird davon gesprochen, dass Banken in Zukunft nur noch Dienstleister im Hintergrund sind. PSD2 sollte diesen Trend noch weiter verstärken. Doch hätte eine solche Rolle nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile für die Banken?

Kunden erwarten einfache, bequeme und bedarfsgerechte Finanzprodukte

Kunden erwarten einfache, bequeme und bedarfsgerechte Finanzprodukte.

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Die klassische Kundenansprache vieler Banken folgt weiterhin einem alten Prinzip, bei dem große Teile der Werbebudgets für klassische Marketingkampagnen wie Fernsehspots, Sportsponsoring, Print- und Plakatwerbung verwendet wird. Zu häufig werden nach dem Gießkannenprinzip Produktbotschaften mit hohen Streuverlusten in die Welt gesendet.

Zudem liegt der Fokus der Banken hierbei zu sehr auf dem Vertrieb der eigenen Produkte und nicht auf dem Kontext, in dem das Produkt dem Kunden einen Mehrwert bietet. Der Kunde kommt dementsprechend nur dann zur Bank, wenn er das beworbene Produkt braucht und sich in diesem Moment an seine Bank als Anbieter erinnert. Oft genug kommt der Kunde aber aus verschiedenen Gründen gar nicht.

Pre-Scoring von Bestandskunden für alle Bankprodukte wird essenziell

Ein möglicher Grund dafür: In vielen Filialen ist weiterhin der Kundenberater vor Ort als zweiter Vertriebskanal für das Verständnis des Kontexts zuständig, in dem die Bankprodukte den größtmöglichen Kundenmehrwert liefern sollen. Im Idealfall soll der Kundenberater auf Basis eigener Erfahrungen und seiner Kenntnisse über die Lebenssituation der Kunden, die er seit Jahrzehnten begleitet, diesen unbürokratisch individuelle Angebote unterbreiten.

Häufig wird die Ansprache des Kundenberaters seitens des Kunden jedoch als zu vertrieblich und nicht auf ihre jeweilige Lebenssituation passend empfunden. Mögliche Ursache hierfür sind Faktoren wie die zu hohe Anzahl an zu betreuenden Kunden oder zu ambitionierten Abschlussvorgaben für den Kundenbetreuer. Dies führt dazu, dass in Augen des Kunden ein unpassendes Produkt angeboten wird und der Abschluss des Bankprodukts nicht erfolgt.

Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz gilt es daher, anhand der Kundentransaktionen die individuelle Lebenssituation des Kunden besser zu verstehen, ohne gegen Datenschutzauflagen zu verstoßen. Um der Komplexität dieser Aufgabe gerecht werden zu können, sind Kooperationen mit Technologieunternehmen vorteilhaft. Sie unterstützen dabei, auf die Individualität jedes Menschen eingehen zu können.

Auch die Öffnungszeiten der Banken sind möglicherweise ein Grund für den Misserfolg der Kampagne. Die meisten Kunden bringen nicht mehr ausreichend Zeit und Geduld für klassische Banköffnungszeiten mit, da sie anderes aus dem Internet gewohnt sind und nicht auf ein Produkt warten wollen. Dies verhindert den Bankproduktabschluss, obwohl die Marketingkampagne die richtige Lösung eines Kundenproblems zur richtigen Zeit adressiert hat. Dementsprechend ist es wichtig, dass einerseits der Kundenservice 24/7 erreichbar ist und andererseits die Produktabschlüsse jederzeit erfolgen können.

Die Bank hat hier den Vorteil, dass bei Bestandskunden bereits vorab ein umfangreiches Pre-Scoring für die eigenen Produkte betrieben werden kann. Zusätzliche Investitionen in die IT-Infrastruktur der Bank ermöglichen dem Kunden ein Erlebnis, welches er bereits aus anderen Branchen im Internet kennt.

Embedded Financial Services führen zu Disintermediation der Hausbanken

Marketingkampagnen können Kunden zwar auf das richtige Bankprodukt hinweisen, doch wenn im Checkout-Prozess des Online-Shops der Service eines anderen Anbieters integriert ist, zieht der Kunde den Abschluss eines Bankprodukts dieses Anbieters möglicherweise eher in Betracht als das seiner eigenen Bank. Dies stellt die Banken vor neue Herausforderungen. Historisch gesehen fand Banking immer in geschützten Räumen wie Bankfilialen, auf Online-Banking-Seiten oder inzwischen in Banking-Apps statt. Auch änderte der Aufstieg der FinTech-Unternehmen zunächst nichts daran, da diese mit eigenen Filialen, Webseiten oder Apps zumindest auf bestehenden Ebenen konkurrieren.

Bei Embedded Financial Services handelt es sich um Bankprodukte, die im Frontend von Nicht-Banken angeboten werden. Die Unternehmen im Hintergrund müssen nicht zwangsweise Banken, sondern können auch andere Finanzinstitute wie Payment-Unternehmen sein. Durch Embedded Financial Services im Rahmen des Kontext-Bankings stehen Banken nun jedoch vor einer neuen Herausforderung. Denn hierdurch werden immer mehr Banken von der Kreditvergabe an ihre Bestandskunden abgekoppelt.

Dies gilt insbesondere für Käufe im Internet, wo viele Händler inzwischen selbstverständlich auch Ratenkredite oder 0-Prozent-Finanzierungen im Check-Out-Prozess anbieten. Aber auch der Einzelhandel eifert inzwischen den Online-Shops nach und bietet mit Hilfe von Finanzpartnern oder eigenen Finanzinstituten attraktive Finanzierungsmöglichkeiten an. Je mehr wirtschaftliche Aktivitäten online oder bei solchen Einzelhändlern abgewickelt werden, desto größer wird die Disintermediation der jeweiligen Hausbank des Kunden.

Durch Embedded Financial Service kann jedes Unternehmen zum FinTech werden

Banken sollten deshalb sicherstellen, dass sie für die zukünftige API-Wirtschaft eine unverzichtbare Rolle einnehmen. Die durch die PSD2 angestoßenen Entwicklungen verlaufen jedoch schleppend, da PSD2 eher als eine regulatorische Pflicht wahrgenommen wird und die langfristigen Vorteile des Open-Banking-Ansatzes noch zu häufig übersehen werden.

Im Zuge des Open-Banking-Ansatzes gilt es, auch Embedded Financial Services als Umsatztreiber zu entdecken. Denn auch, wenn nicht alle Hausbanken von diesem Trend profitieren können, ist das Umsatzpotenzial dort immens. Denn immer mehr Unternehmen erkennen, dass Finanzprodukte auch zu ihrem eigenen Kernprodukt gehören. Grundsätzlich ist jedes Unternehmen betroffen, das eine Dienstleistung oder ein Produkt verkauft, da die Zahlung die Customer Journey abschließt: Erst mit erfolgreicher Bezahlung erhält das Unternehmen seinen Umsatz und einen zufriedenen Kunden. Die Unternehmen können zudem hierdurch auch den Customer Value ihrer Kunden erhöhen, indem z.B. bei Abschluss einer 0-Prozent-Finanzierung der Warenkorb der Kunden erhöht wird und die Unternehmen im besten Fall einen Zusatzertrag im Rahmen eines Affiliate-Programms erhalten.

Embedded Financial Services bedeuten, dass jedes digitale Unternehmen zum FinTech werden kann. Für FinTechs ist das eine gute und eine schlechte Nachricht zugleich. Die gute Nachricht ist, dass es für zukünftige Gründer einfacher wird, Geschäftsmodelle auf Basis einer Banken-Infrastruktur aufzubauen. Die schlechte Nachricht für bestehende FinTechs: Unternehmen aus sehr verschiedenen Branchen werden in Zukunft Finanzdienstleistungen anbieten, denn für die Einbindung einer 0-Prozent-Finanzierung im Checkout-Prozess braucht es weder Bank noch FinTech. Hierbei übernimmt das Kunden-Frontend die Nicht-Bank, während der Finanzdienstleister für Regulatorik und Abwicklung zuständig ist.

Dementsprechend müssen nicht nur Banken, sondern auch FinTechs ihre Aktivitäten noch weiter an Orte verlagern, an denen die tatsächlichen Kundenaktivitäten stattfinden. Für beide gilt es, sich somit als attraktiver Financial Embedded Service Anbieter für den Handel zu positionieren.

Embedded Financial Services führen zu Vorteilen für die Banken

Insbesondere die großen B2C-Banken müssen hierfür massiv in die eigene IT-Infrastruktur investieren, um anderen Unternehmen Embedded Financial Services anbieten zu können. Denn allgemein ist hierfür eine moderne Bankeninfrastruktur mit entsprechenden Schnittstellen notwendig.

Im Wettbewerb stehen sie Banking-as-a-Service Anbietern gegenüber, die sich auf die Nische spezialisiert haben, wie bspw. die Solarisbank. Die bisherigen Umsatzzahlen und Millionenbewertungen von der Solarisbank sind ein Indiz dafür, dass – entgegen vieler Ängste von Gegnern der Embedded Financial Services – diese eine profitable Sparte darstellen.

Der Vorteil in diesem Fall ist, dass die Unternehmen als potenzielle B2B2C- bzw. B2B2B-Kunden wieder den zuvor angesprochenen geschützten Raum der Finanzdienstleister betreten, in dem die Finanzdienstleister ausschließlich unter sich konkurrieren. Hierdurch gibt es ein deutlich geringeres Angebot, was sich positiv auf die potenzielle Gewinnmarge auswirkt. So verliert die Bank ihre Exklusivität beim Endkunden, stärkt diese aber im Bereich der Intermediäre. So ist der Verlust der Exklusivität beim Endkunden auch eine Chance.

Durch eine steigende Anzahl der Intermediäre, die die Embedded Financial Service-Plattform nutzen, steigen auch die Skalierungsmöglichkeiten exponentiell. So lassen sich deutlich mehr Kunden als bisher mit den eigenen Finanzprodukten erreichen. Im Idealfall können hierbei sogar bereits erhobene Kundendaten wiederverwertet werden. Hinzu kommt, dass Banken ihre neue Infrastruktur und entwickelte API-Architektur nutzen können, um signifikant schneller eigene Produkte auf dem Markt zu bringen. Zusätzlich kann die API in die andere Richtung genutzt werden, um externe Dienstleistungen in die Bank zu holen, um diese wiederum für die Bestandskunden der Bank einzusetzen.

Embedded Financial Services sind deutlich näher am Kerngeschäft der Banken

Die Frage ist nun, welche Auswirkungen Embedded Financial Services auf die Banken haben werden. Zunächst sollten die Banken sich diesem Trend nicht grundsätzlich verschließen, da sie im verschärften Wettbewerb mit den großen Digitalkonzernen und Neobanken bestehen müssen. Das Angebot von Embedded Financial Services ist wiederum deutlich näher am Kerngeschäft als der vermeintliche Aufbau einer eigenen Lifestyle-Plattform, was für viele Banken – zumindest in der Theorie – das Patentrezept ist, um eine große Anzahl an Neukunden zu gewinnen.

Der Traum von der Kombination aus Bankprodukten und Lifestyle-Plattform hat sich jedoch keineswegs ausgeträumt, sondern sollte nur mit dem Fokus auf Embedded Financial Services neu geträumt werden. Denn anstatt eigene Lifestyle-Plattformen zu entwickeln, sollte man sich besser passende Partner suchen, die bereits erfolgreich aufgebaute Lifestyle-Plattformen besitzen und sich in deren Check-Out-Prozesse zu integrieren. Der Vorteil: Jedes Unternehmen, das Embedded Financial Services einführt, besitzt bereits ein bestehendes Kernprodukt. Dies ist für den Kundenstamm und die Lifestyle-Elemente der Bank bereits ein wichtiger Schritt. Entscheidend für den Erfolg ist es, Partner auszuwählen, die nah an den Lebensumständen und Geschäftszusammenhängen ihrer Kunden sind.

Dennoch müssen Banken nicht zu reinen Commodity-Anbietern werden. Denn bei Zahlungsprozessen ist Vertrauen entscheidend. In diesem Zusammenhang spielen Markenkraft und Bekanntheit also weiterhin eine wesentliche Rolle. Eine Wandlung der Banken zu Plattformen, gepaart mit einem geschickten Marketing, kann dazu führen, dass Banken mit Fokus auf Embedded Financial Services eine ähnlich starke Marktstellung wie bisher behalten, obwohl diese von der Öffentlichkeit zunächst nicht wahrgenommen werden. In der Praxis ist zu beobachten, dass den Partnern auch für das eigene Marketing die Markenstärke der Bank im Hintergrund wichtig ist. Aus diesem Grund ist comdirect Partner für Embedded Financial Services für die Fußballvereine HSV und Borussia Dortmund sowie für den  Telekommunikationsanbieter o2/Telefónica Deutschland.

Denn selbst „Digital Natives“ haben andere Anforderungen an ihre Banken als an ihr soziales Netzwerk oder ihren Streaming-Dienst. Deshalb wird es nie gleichgültig sein, welche Bank als Embedded Financial Service Partner agiert: Am besten eine Bank, die sowohl für Innovation als auch für Verlässlichkeit steht. Möglicherweise heißt dieser Anbieter dann deshalb comdirect.

Über den Autor

Pidder Seidl

Pidder Seidl ist Head of comdirect Startup Garage und arbeitet bei der comdirect bank im Innovationmanagement und Business Development. Vor seiner Zeit bei der comdirect bank hatte er sein eigenes Startup gegründet und war als selbstständiger Unternehmensberater tätig

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