Eine Finanzwende?!

Öffentlicher Druck als Rezept gegen die Alternativlosigkeit

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Es ist 5 vor 12. Elf Jahre nach dem Fall von Lehman Brothers sind die entscheidenden politischen Schritte immer noch nicht gegangen. Nur durch öffentlichen Druck können wir eine Veränderung an den Finanzmärkten erzwingen.

Wohin steuert der Finanzmarkt in der Zukunft?

Wohin steuern die Finanzmärkte, über elf Jahre nach der Finanzkrise?

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Die Wende: Im Duden definiert als einschneidende Veränderung. In Deutschland spätestens seit der Wiedervereinigung ein feststehender Begriff im politischen Jargon. Energiewende, Agrarwende, Verkehrswende und jetzt auch noch Finanzwende? Brauchen wir so etwas?

Was alle „Wenden“ eint ist der gesellschaftliche Antrieb, dass eine Veränderung notwendig ist. Der Finanzmarktbereich hat dabei bislang nur eine untergeordnete Rolle gespielt, obwohl er im Geflecht der sozialen Marktwirtschaft eine übergeordnete Rolle spielt. Nach dem Fall von Lehman ist eine Wende ausgeblieben. Das gilt es jetzt zu ändern.

Die Finanzmärkte stehen für Kontrollverlust

Gehen wir zurück in die Krisenjahre 2008/09. Wer erinnert sich nicht an den Fall von Lehman und die daraus resultierenden Bankenrettungen. 68 Milliarden Euro hat der deutsche Staat bislang in die Rettung von kriselnden Banken gesteckt. Und was war eigentlich die Konsequenz?

Die parlamentarische Aufarbeitung hat gezeigt, dass sich der Staat erpressbar gemacht hat. Er hat Geschäftsmodelle und Risiken in einem System zugelassen, welches eigentlich eine dienende Funktion für die Realwirtschaft haben sollte. Das Wort „alternativlos“ machte folgerichtig im Zusammenhang mit finanzpolitischen Entscheidungen Karriere. Alternativlosigkeit ist die Abwesenheit von Entscheidungsmöglichkeit – ein Kontrollverlust. Aber wer traut eigentlich noch dem Staat, wenn er das Gefühl hat, dass der Staat die Kontrolle verliert?

Zwei Versprechen für einen Neuanfang

Als finanzpolitischer Sprecher der Grünen war ich damals direkt an der Aufarbeitung der einzelnen politischen Entscheidungen beteiligt. Im Wesentlichen wurden zwei Versprechen an die Bürgerinnen und Bürger gegeben:

  1. Kein Steuergeld mehr für Bankenrettung sowie
  2. Keine „too big to fail“ Institute mehr.

Das war das Rezept gegen den zukünftigen Kontrollverlust gegenüber der Finanzwirtschaft, ein Stück weit Wiedergutmachung für besorgte Bürgerinnen und Bürger. Niemand soll schließlich das Gefühl haben, dass für den Banker andere Regeln gelten als für den Mittelständler, die Opelaner oder die Schlecker-Frauen dieser Welt im Angesicht der drohenden Insolvenz.

Zwei aktuelle Beispiele verdeutlichen die Notwendigkeit des Handelns

Doch mit Versprechungen ist es so eine Sache, sie haben einen schlimmen Feind: die Realität. Derzeit wird vorbereitet, die NordLB mit etwa 3,5 Mrd. Euro zu stützen, davon 2,4 Mrd. Euro aus Niedersachen und aus Sachsen-Anhalt. Diese sind Anteilseigner der krisengeplagten Landesbank. Schon wieder Steuergeld weg. Und wozu stützen wir eine NordLB, wenn der deutsche Bankensektor laut Experten sowieso als „overbanked“ gilt?

Auch die neueste Idee der Bundesregierung lässt aufhorchen. Ein nationaler „Champion“ im Bankensektor soll durch Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank entstehen. Hier ist die herrschende Meinung der Experten: Zwei kranke Unternehmen ergeben kein Gesundes. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) die Deutsche Bank für sich allein bereits 2016 als größtes Risiko im Finanzmarktbereich bezeichnet hat. Wie war das nochmal den „too big to fail“ Instituten? Sollte dieses Problem nicht überwunden werden?

Nur öffentlicher Druck kann Veränderung erzeugen

Wir sind also gerade dabei, dieselben Fehler von damals zu wiederholen. Der Unterschied ist dabei, dass wir uns einen zweiten Fall von Lehman nicht erlauben können. Bereits heute ist die globale Verschuldung höher als vor Beginn der Krise von damals. Und auch in vielen europäischen Ländern sind die Nachwirkungen in Form von hoher Arbeitslosigkeit und zunehmender Perspektivlosigkeit greifbar. Schlussendlich steht auch die Frage, ob unsere Gesellschaft einen weiteren Kontrollverlust wie damals verkraften kann.

Ich erinnere mich noch gut an die Forderung an eine Finanztransaktionssteuer bis tief hinein in alle politischen Milieus. Beinah wäre es gelungen, zumindest an diesem einen Punkt eine tiefgreifende Veränderung zu bewirken. Der Hebel war ganz einfach: Öffentlicher Druck aus der Zivilgesellschaft auf Entscheidungsträger. Doch bald ging es wieder um vermeintlich faule Griechen anstatt um die wirklichen Probleme unseres Finanzsystems. Wirkliche Reformen sind daraus nicht entstanden.

Die Wut der Bürgerinnen und Bürger über diesen Kontrollverlust bekam damals mit der „Occupy“ Bewegung ein erstes Gesicht. Mit dem Start der Bürgerbewegung Finanzwende, bekommt sie nun eine Richtung – gegen die Alternativlosigkeit.

Die ersten Vorzeichen für eine weitere Verschärfung der Finanzkrise mehren sich bereits. Die Volatilität in den Märkten, die geopolitische Großwetterlage und die ersten Anzeichen einer drohenden Rezession. Höchste Zeit also für eine Wende.

Über den Autor

Gerhard Schick

Gerhard Schick ist geschäftsführender Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende. Von 2005 bis 2018 war er Mitglied des deutschen Bundestags und zuletzt finanzpolitischer Sprecher für die Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen.

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