Seit Jahren wird die Digitalisierung der Finanzbranche gefordert. Und ja, es wurden Fortschritte gemacht. Diese reichen aber bei weitem nicht aus, sondern sind erst der Anfang. Die Zukunft wird noch ganz anders aussehen.

Bankstrategie im Jahr 2025.
Noch immer scheint nicht allen Bankmitarbeitern klar zu sein, dass sie in einem informationsverarbeitenden Unternehmen arbeiten. Wenn selbst die Automobilbranche feststellt, dass ihre Autos softwarebasiert sein müssen, was bedeutet das dann für das Verständnis des Bankgeschäfts? Wir haben dort weder Blech noch Kabel – das gesamte Geschäft mit sämtlichen Produkten und Services ist softwarebasiert. Banken sind mehr oder weniger Technologieunternehmen. Damit wird die enorme Bedeutung von Informationssystemen und der Digitalisierung von Bankprozessen deutlich.
Die „Digitalen Dimensionen“ – also die Grundpfeiler der gerade stattfindenden digitalen Transformation – lassen sich sicherlich unterschiedlich definieren. Im Folgenden soll die Relevanz der Digitalisierung für die Finanzbranche anhand der drei Dimensionen „Resilienz“, „Intelligenz“ und „Simplicity“ gezeigt werden.
Schaffung von Resilienz – die Grundvoraussetzung
Diese Dimension war schon immer wichtig für die Kreditwirtschaft, gewinnt aber zukünftig noch mehr an Bedeutung. Dabei geht es um den Aufbau von Widerstandsfähigkeit in mehreren Bereichen.
So muss die Robustheit der Geschäftsmodelle vor dem Hintergrund der digitalen Transformation immer wieder hinterfragt und verbessert werden (dazu zählen u.a. Fragen nach dem Sinn von Geschäftsstellen, Tresorräumen, Back-Office-Bereichen in City-Lagen in Zeiten des digitalen Wandels).
Von extremer Wichtigkeit ist die Bekämpfung von Cyber-Kriminalität. Dieses Thema umfasst sowohl den Schutz vor dem Eindringen in die IT-Systeme der Banken (einschließlich der kundennahen Systeme wie Apps, Websites usw.) als auch das Verhindern krimineller Finanztransaktionen. Insbesondere angesichts kriegerischer Auseinandersetzungen spielt Cyber-Sicherheit eine immens große Rolle. Und sie wird immer größer.
Zur Resilienz gehört auch die Berücksichtigung von Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Sozialfragen bei der Unternehmensführung von Banken. Die bestehenden und kommenden Vorschriften europäischer Aufsichtsbehörden wie der EBA, der BaFin und der EZB verpflichten die Institute dazu, ihre Widerstandsfähigkeit in Bezug auf ESG-Anforderungen sicherzustellen. Die angedrohten Strafen können durchaus existenzgefährdend sein. Abgesehen davon sollte die Umsetzung von ESG-Zielen mit Blick auf die Zukunft sowieso selbstverständlich sein. Die Umsetzung wird auch für die Werbung um Talente notwendig sein. Ohne umfassende Digitalisierung, im konkreten Fall Datenidentifikation, -bereinigung, -zusammenführung und -auswertung, wird die Umsetzung von ESG-Zielen nicht gelingen.
Einsatz von Künstlicher Intelligenz – überall
Es ist völlig klar, dass KI in praktisch alle Geschäftsprozesse Eingang finden und das Bankgeschäft damit fundamental verändern wird. Natürlich sind etwaige Risiken zu beachten; entscheidend für das Geschäft wird aber die Nutzung der neuen Möglichkeiten sein, die sich durch den Einsatz von KI-Agenten ergeben.
Dies wird vielen Instituten die Chance eines Technologiesprungs geben. Wenn selbst die ING als größte Direktbank in Deutschland aktuell erst 75 Prozent ihrer Prozesse digitalisiert hat (und zwar ohne KI-Verwendung), wird es in vielen klassischen Instituten erheblich schlechter aussehen. Mit der Nutzung von KI kann nun ein großer Sprung in Richtung digitalisierter, KI-basierter Prozesse erfolgen.
Das stellt hohe Anforderungen an die Softwareentwicklung, u.a. bei den zentralen Softwareprovidern der Verbundorganisationen wie Finanz Informatik und Atruvia, aber auch bei den privaten Banken. Der Einsatz von KI wird nicht nur dabei helfen, Bankleistungen zu verbessern, sondern überhaupt ein Mindestmaß an Qualität in der Beratung, Durchführung von Bankgeschäften und Verwaltung von Banken sicherzustellen. Das sich abzeichnende Problem des quantitativen und qualitativen Personalmangels aufgrund der demografischen Entwicklung ist ohne konsequenten KI-Einsatz gar nicht zu bewältigen.
Simplicity – Vereinfachung auf allen Ebenen
Immer wieder treten neue Vorstände mit der Ankündigung an “Ich will dieses Unternehmen vereinfachen!“. Der Erfolg ist meist übersichtlich. Dabei ist es so wichtig, die über die Zeit gewachsenen organisatorischen Strukturen radikal zurückzuschneiden, Hierarchiestufen zu eliminieren, Prozesse zu vereinfachen, Produktpaletten auszudünnen und IT-Landschaften auszuharken.
Aber Simplicity ist auch aus Kundensicht wichtig, denn damit steigt die Benutzerfreundlichkeit, oder umfassender das „Benutzererlebnis“ (User Experience, UX). Als leuchtendes Beispiel wird immer wieder Apple angeführt, dessen Erfolg sich im Wesentlichen auf intuitive Bedienung und übersichtliches (ja, und cooles) Design gründet.
Was bedeutet das nun für Banken? Die Digitalisierung bietet großartige Möglichkeiten, Prozesse und Produkte zu vereinfachen. Das zeigen u.a. Neobroker und Neobanken, von denen die traditionellen Häuser viel lernen können. Es ist wichtig, dass der Einsatz neuer Technologien explizit dazu genutzt wird, die teilweise haarsträubende Komplexität in den Banken zu reduzieren.
Kombination von Resilienz, Intelligenz und Simplicity
Natürlich gibt es in der Finanzbranche viele Themen, bei denen zwei oder gar drei der oben skizzierten Digitalen Dimensionen zusammentreffen. Beispiele: Eine Prozessautomatisierung ohne Berücksichtigung von KI macht heutzutage nicht mehr viel Sinn. Die Hyperpersonalisierung, die für ein verbessertes Benutzererlebnis (und mehr Ertrag …) sorgen soll, erfordert Einfachheit und ebenfalls die Verwendung von KI. Digitale Zahlungen vereinfachen Kaufvorgänge, müssen aber extrem sicher gestaltet werden, um widerstandsfähig bezüglich Betrugsversuchen und Geldwäsche zu sein.
Digitalisierung ist ein komplexes Gebiet, für das jede/r Bankmitarbeiter/in ein ausgeprägtes Verständnis mitbringen muss. Das ist heute nicht der Fall. Selbst bei Bankkaufleuten endet das Interesse für IT meist an der Benutzeroberfläche ihrer Systeme. Daher muss die Ausbildung hinsichtlich Bankinformatik massiv verstärkt werden. Außerdem ist die Schulung von Digitalisierungsthemen auf allen Ebenen der Banken (aber auch in den Verbänden) und in allen Fachbereichen deutlich auszubauen. Und es reicht auch nicht die Schulung in KI – schließlich werden technologische Wellen wie Quantencomputing, Internet of Things, Distributed Ledger Technologies, Metaversum u.ä. erst noch kommen!
Die folkloristische Vorstellung von der klassischen Beraterbank ist längst tot. Es geht um die Digitalisierung in allen Bereichen der Institute. Dazu müssen in vielen Häusern die IT-Budgets deutlich erhöht werden. Genauso wie die Awareness auf Geschäftsleitungsebene. Schließlich sind Banken informationsverarbeitende Unternehmen. Sie basieren auf Software. Die umfassende und konsequente Digitalisierung ist zwingend für die Existenz von Banken.
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