Der digitale Euro: Innovation oder Stabilitätsrisiko?

Zukunft des Geldes - Zukunft der Finanzwirtschaft

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Geld und Zahlungsverkehr verändern sich mit den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen. Die EZB hat beschlossen, die Einführung eines digitalen Euro zu prüfen. Dabei sind zahlreiche wichtige Fragen zu klären.

Chancen und Risiken eines digitalen Euro

Der digitale Euro hat Auswirkungen auf die Zukunft des Geldes und der gesamten Finanzwirtschaft.

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Die Industrie 4.0 wird zunehmend Realität. Komplexe, digital integrierte Wertschöpfungsketten entstehen, Geschäftsprozesse laufen vollständig automatisiert und synchron ab und im Internet der Dinge können Maschinen eigenständig miteinander kommunizieren. Als finales Puzzleteil wird zur Abwicklung jedoch noch ein sicheres, effizientes und digitales Zahlungsmittel benötigt, welches sich in ebenjene Prozesse integrieren lässt.

Die Frage nach digitalem Zentralbankgeld gehört gegenwärtig zu den wichtigsten und spannendsten im Finanzsektor. Im Kern geht es dabei um nicht weniger als die Zukunft des Geldes und damit um die Zukunft der Finanzwirtschaft. Wichtige Fragen drängen sich auf:

  • Was genau ist digitales Geld im Unterschied zu Bargeld oder Buchgeld?
  • Warum benötigen wir möglicherweise eine zusätzliche Geldform?
  • Welche Eigenschaften sollte der digitale Euro haben?
  • Welche Chancen bieten sich, welchen Risiken müssen wir begegnen?
  • Wie sollte die künftige Arbeitsteilung zwischen Zentralbank und Geschäftsbanken aussehen?

Noch können wir nicht alle Fragen hinreichend sicher beantworten. Zudem stellen sich fast täglich neue. Technik und Markt, mit FinTechs und BigTechs, entwickeln sich schnell weiter.

Was ist digitales Zentralbankgeld?

Bislang nutzen die Unternehmen und Privathaushalte vor allem zwei Formen des Geldes: Bargeld, das physisch weitergereicht wird, und Geld auf Konten bei Geschäftsbanken, welches mit Hilfe von modernen Zahlungssystemen bewegt wird. Mit dem digitalen Euro käme eine weitere Form hinzu, die Bargeld durch eine digitale Form staatlichen Geldes ergänzen würde.

Entwickelt hat sich die Idee des digitalen Zentralbankgeldes aus der Blockchain-Community. Die dort verwendeten Krypto-Token – oder etwas anschaulicher: digitale Wertmarken – weisen allerdings eine äußerst volatile Wertentwicklung auf und haben daher den Charakter eines Spekulationsmittels. Sie eignen sich nicht als allgemeines Zahlungsmittel.

Als nächste Stufe wurden sogenannte Stablecoins geschaffen. Das sind in der Regel Krypto-Token, die häufig wertmäßig an eine echte Währung gebunden sind und mit derselben hinterlegt sind. Stablecoins leihen sich ihre Stabilität praktisch von Zentralbankgeld. Sie bleiben aber dennoch mit Risiken behaftet, zum Beispiel im Hinblick auf den Emittenten oder auf das für die wertmäßige Absicherung verbundene Regelwerk.

Zentralbankgeld als digitaler Token

So kam die Idee auf, Zentralbankgeld künftig auch in Form digitaler Token auf dezentralen, virtuellen Netzen verwenden zu können. Die Zentralbank würde dann eine weitere Form des Geldes emittieren, eines, das die Möglichkeiten der Blockchain-Technologie nutzt.

Dieses digitale Zentralbankgeld könnte auch in dezentralen Netzen direkt ohne Intermediäre übertragen werden. Diese Eigenschaft gilt als wichtige Errungenschaft der Blockchain-Technologie. Damit würde es sich wesentlich von kontogebundenen Forderungen unterscheiden. Eine weitere Stufe wäre schließlich die Eignung für programmierbare Zahlungen; etwa zur eigenständigen Begleichung von Rechnungen zwischen zwei Maschinen im Zeitalter des Internets der Dinge.

Digitale Zahlungsmittel für die digitale Welt

In einer zunehmend digital vernetzten Welt wünschen sich Verbraucherinnen und Verbraucher ebenso schnelle, sichere, globale und kostengünstige Zahlungsmöglichkeiten. Und zwar 24 Stunden, sieben Tage die Woche, überall, on- oder offline, mit oder ohne Mobiltelefon und möglichst bequem und nutzerfreundlich. Dabei spielt auch der trendmäßige Rückgang der Bargeldnutzung eine Rolle. In einer Welt, in der digitaler Zahlungsverkehr immer wichtiger wird, muss man darüber nachdenken, ob nicht auch die Verbraucherinnen und Verbraucher in einem digitalen Umfeld die Möglichkeit haben sollten, in sicherem Zentralbankgeld – aber eben digital – zahlen zu können.

Aus einer öffentlichen Konsultation des Eurosystems wissen wir, dass den Europäern einige Dinge dabei besonders wichtig sind:

  • Der Schutz der personenbezogenen Daten,
  • die Sicherheit des Zahlungsmittels,
  • die Verfügbarkeit innerhalb des gesamten Euroraums und
  • die Vermeidung von Zusatzkosten.

Neue Anbieter, vor allem FinTechs und die großen außereuropäischen BigTechs, haben diese Marktlücke erkannt und drängen mit innovativen, einfachen und kundenfreundlichen Dienstleistungen in diesen Markt. Dabei geht es häufig auch darum, die Kunden an Plattformen zu binden, die für praktisch alle Facetten des alltäglichen Lebens eine maßgeschneiderte Lösung bieten.

In engem Zusammenhang steht auch die Emission von Stablecoins, also von digitalen Zahlungsmitteln, die an den Euro oder Dollar gebunden sind und zum Bezahlen innerhalb der Plattform-Ökosysteme genutzt werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass beispielsweise ein Stablecoin eines global agierenden Technologiekonzerns eine weite Verbreitung im Euroraum finden könnte. Oder, dass digitales Zentralbankgeld einer anderen Währung auch im Euroraum genutzt würde.

Die Diskussion um digitales Zentralbankgeld ist deshalb nicht nur eine Diskussion über ein neues Zahlungsmittel, sondern auch über die Frage, wie sich dieses Zahlungsmittel in die neue, digitale Welt nahtlos einfügen lässt. Ein digitaler Euro wäre rein europäisch gesteuert und würde das Streben nach europäischer Souveränität bei strategischen Infrastrukturen unterstützen. Zudem böte er etwa im Unterschied zu privaten Stablecoins den gebotenen Schutz vor der Ausbeutung sensibler Zahlungsdaten.

Chancen eines digitalen Euro

Mit Blick auf die Digitalisierung bieten sich vielfältige Chancen. So könnte der digitale Euro den Weg zur Smart Economy oder Volkswirtschaft 4.0 unterstützen, wenn er programmierbare Zahlungen ermöglicht und die Abwicklung über moderne Technologien wie die Distributed Ledger Technologie geldseitig unterstützten würde.

Die Vision wäre dabei eine vollständig automatisierte Synchronität von Leistungs- und Geldflüssen. Davon könnte die Finanzwirtschaft ebenso profitieren wie unsere stark arbeitsteilige Realwirtschaft.

Diese Eigenschaft der Programmierbarkeit ermöglichte eine neue Dimension der Zahlprozesse. Auch das könnte wichtig sein für ein solches Projekt. Denn der digitale Euro muss letztlich einen Zusatznutzen über Bargeld oder private Zahlungslösungen hinaus bieten.

Risiken eines digitalen Euro

Ein digitaler Euro birgt aber auch Risiken, etwa für die Stabilität des Finanzsystems, für den Zahlungsverkehr und für die Umsetzung der Geldpolitik.

Die größten Risiken resultieren voraussichtlich aus der Gefahr einer Substitution der Sichteinlagen bei Banken durch digitales Zentralbankgeld. Würden die privaten Haushalte und Unternehmen nur einen Teil ihres Bargeldbestandes in einen digitalen Euro umtauschen, wären die Effekte gering. Sollten sie den digitalen Euro jedoch als Ersatz für ihre Einlagen bei Geschäftsbanken ansehen und diese Einlagen in großem Umfang in digitales Zentralbankgeld umwandeln, könnte dies zunächst erhebliche Folgen für die bisherigen Geschäftsmodelle der Banken haben.

Die Passivseite der Bankbilanz könnte sich stark verändern mit entsprechend höheren Zinskosten. Auch wären Auswirkungen auf die Kreditvergabe nicht auszuschließen.

Natürlich ergäben sich auch erhebliche Veränderungen im Zahlungsverkehrsmarkt der Banken und Finanzdienstleister. Wichtiger noch, wir müssten Folgen für die Finanzstabilität und die Umsetzung der Geldpolitik erwarten.

Es gibt auch ordnungspolitische Risiken. Der Zahlungsverkehr ist eine Koproduktion von Zentralbanken und privaten Anbietern. Die Zentralbanken bieten mehr Sicherheit. Die Geschäftsbanken und Finanzdienstleister sind aber innovativer, kundenfreundlicher und erfahrener im Umgang mit privaten Risiken.

Es ist wichtig, dass diese Rollenverteilung bestehen bleibt. Die öffentliche Hand darf nicht den Zahlungsverkehr dominieren und die Privaten verdrängen. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf die Risiken in der Zentralbankbilanz.

Das heißt, dass die Kreditwirtschaft aktiv in den Prozess der Begebung des digitalen Euro eingebunden werden muss. Der Zahlungsverkehr soll weiterhin eine öffentlich-private Koproduktion bleiben. Die privaten Zahlungsdienstleister sollten das „Gesicht“ zum Kunden bleiben, also ähnlich wie beim Bargeld sollte eine Form der Zweistufigkeit bestehen bleiben.

Perspektiven eines digitalen Euros

Der digitale Euro ist ein komplexes Thema und wir sind weit davon entfernt, für alle Fragen bereits belastbare Antworten zu haben. Klar ist: Der digitale Euro kann nur erfolgreich sein, wenn er die Bedürfnisse und Erwartungen der Wirtschaft und der Bürgerinnen und Bürger Europas erfüllt. Insofern gibt es noch viele Ausgestaltungsfragen zum digitalen Euro, die beantwortet werden wollen.

Die Bundesbank bringt sich aktiv in die Debatte ein. Das tun wir im engen Austausch mit der Finanzindustrie, mit anderen Zentralbanken, mit Technologieunternehmen und mit Forschungseinrichtungen.

Wir sind aufgeschlossen für Neues. Allerdings dürfen neue Lösungen nicht zu Lasten der Stabilität gehen. Wir unterstützen neue Technologien oder neue Geldformen, wenn sie uns weiterbringen und wenn wir die damit verbundenen Risiken beherrschen können.

Wichtig ist auch: Es geht beim digitalen Euro nicht um einen Ersatz für Bargeld. Es geht um ein komplementäres Angebot. Solange Bargeld nachgefragt wird, werden wir Bargeld auch anbieten.

Kommt der digitale Euro?

Das Eurosystem hat sich noch nicht festgelegt, ob der digitale Euro eingeführt werden soll. Die High Level Task Force der EZB zum digitalen Euro hat im vergangenen Oktober eine Reihe von Szenarien beschrieben, in denen die Emission des digitalen Euro sinnvoll erscheinen könnte, etwa zur Unterstützung der Digitalisierung der Wirtschaft oder dem bereits erwähnten Stärken der europäischen Souveränität.

Der EZB-Rat hat vergangene Woche nun darüber entschieden, eine Untersuchungsphase zu einem Projekt digitaler Euro zu starten. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen war die positive Entscheidung keine wirkliche Überraschung.

Nun liegt noch viel Arbeit vor uns. Es geht zunächst darum, vorbereitet zu sein. Wenn wir den Schritt in Richtung digitaler Euro gehen wollen, dann müssen wir ihn auch gehen können.

Falls es zu einem digitalen Euro kommt, dann ist dies eines der wichtigsten Projekte seit Bestehen des Eurosystems. Die Zentralbanken betreten dabei technisches und ökonomisches Neuland. Bisweilen wird die Einführung von digitalem Zentralbankgeld in seiner historischen Dimension mit der Einführung des Papiergeldes oder der Abschaffung der Golddeckung verglichen.

Über den Autor

Burkhard Balz

Burkhard Balz ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zuständig für die Bereiche Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme sowie Ökonomische Bildung, Hochschule und Internationaler Zentralbankdialog. Der gelernte Bankkaufmann und Jurist war lange Zeit im Firmenkundengeschäft der Commerzbank tätig und von 2009 bis 2018 Mitglied des Europäischen Parlaments.

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