Die Rolle kleiner und mittlerer Genobanken im Jahr 2035

Regionalbanken im Spannungsfeld

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Die enormen Fortschritte im Bereich der KI, der Fachkräftemangel und Fusionswellen sorgen dafür, dass die Anzahl der Genossenschaftsbanken weiter zurückgeht. Braucht es in 10 Jahren überhaupt noch kleine und mittlere Genossenschaftsbanken?

Kleine und mittlere Genossenschaftsbanken im Jahr 2035

Viele Vertreter aus der genossenschaftlichen Gruppe sind der Meinung, dass durch den persönlichen Kontakt insbesondere regionale, kleinere Banken auch in Jahren noch ein begehrter Finanzdienstleister sein werden.

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Um die Rolle von kleineren und mittleren Genobanken in 10 Jahren einschätzen zu können muss man sich zunächst die aktuelle Situation der Genossenschaftsbanken ansehen.

Im Jahr 2024 hatten alle 697 Genossenschaftsbanken in Deutschland zusammen einen Marktanteil nach Geschäftsvolumen von 13,5 Prozent. Betrachtet man aber den Marktanteil nach Einlagen im deutschen Privatkundenmarkt, so können die Genossen mit 27 Prozent aufwarten. Im Geschäft mit Handwerkern, Mittelständlern, Einzelhändlern und Landwirten in den jeweiligen Regionen sind die VR-Banken ebenso ein unerlässlicher Partner.

Die Spannbreite zwischen den vielen kleinen VR-Banken und wenigen großen in der Genossenschaftlichen Finanzgruppe ist bereits heute schon sehr groß. Folgende Zahlen machen dies deutlich: Von den 697 Genossenschaftsbanken in Deutschland machen die 19 größten Genossenschaftsbanken rund 24 Prozent der kumulierten Bilanzsumme der VR-Banken aus. Dies entspricht der kumulierten Bilanzsumme der 473 kleinsten Banken in Deutschland (24 Prozent). Mit über 50 Mrd. Euro BS ist die Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG die größte Genossenschaftsbank in Deutschland und die Raiffeisenbank Maitis eG mit 34 Mio. Euro die kleinste.

Auftrag an die Genossenschaftliche Finanzgruppe selbst

Ich sehe mehrere Herausforderungen im genossenschaftlichen Finanzverbund für kleinere und mittlere Banken in den nächsten Jahren. Wenn es darum geht, die Genossenschaftliche Finanzgruppe in den nächsten 10 Jahren weiterzuentwickeln, werde viele Projekte und Lösungen aufgesetzt und entwickelt. Dabei liegt die Herausforderung darin, dass bei allen Konzepten, Produkten, Angeboten, Lösungen, Preisen und Leistungen alle Bankengrößen sich wieder finden müssen.

Diese Herausforderung ist zwar keine neue, denn es gab schon immer die Spreizung der Bankengröße in unserer Gruppe. Jedoch war die Spannbreite noch nie so groß und die Entwicklungsgeschwindigkeit sowie Menge an Veränderungsprojekten noch nie so hoch. Aus diesem Grund ist meine Botschaft an die gesamte Genossenschaftliche Gruppe, bei der Entwicklung der Zukunftsfähigkeit der Volksbanken und Raiffeisenbanken mehr denn je alle Bankengrößen zu berücksichtigen und mit einzubeziehen. Ich halte es künftig für notwendig für eine Herausforderung mehr denn je adressatengerecht in mehreren Lösungsmöglichkeiten zu denken.

Regionalität und von Mensch zu Mensch auch noch in 10 Jahren gefragt

Beim Thema Regionalität müsse man Unterscheidungen machen: Leistungen wie zum Beispiel der Zahlungsverkehr brauche fast keine Regionalität mehr. Ich bin aber davon überzeugt, dass in der Kundenberatung zu komplexen und/oder vertrauensvollen Themen auch in 10 oder 20 Jahren weiterhin Menschen sich gegenübersitzen werden.

Genau hier haben meiner Ansicht nach kleinere Häuser im ländlichen Raum die besten Möglichkeiten, die Kunden zu erreichen. Immer wieder beobachte ich, dass nach Fusionen von großen Genossenschaftsbanken die Kundennähe und die Identifikation mit dem genossenschaftlichen Gedanken Stück für Stück verloren geht. Ebenso ist das Erhalten oder Ausbau von Loyalität und Verbundenheit der Mitarbeitenden um ein Vielfaches schwieriger als in mittleren und kleineren Volksbanken und Raiffeisenbanken.

KI wird einen Teil der Beratungsleistung übernehmen

Klar ist, dass die künstliche Intelligenz und die technologischen Fortschritte einen beachtlichen Teil der Beratungs- und vor allem Servicetätigkeiten übernehmen werden. Bereits heute beschäftigen wir uns mit KI im Bereich der Baufinanzierung oder der Altersvorsorge. Die Entwicklung wird hier in 10 Jahren noch sehr viel weiter vorangeschritten sein.

Trotzdem wird hier der zwischenmenschliche Kontakt nicht komplett ersetzt werden können. Überall dort, wo es für Menschen um wesentliche finanzielle Entscheidungen des eigenen Lebens geht, wird Vertrauen zu einem Bankberater weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

Die selbsterfüllende Prophezeiung

Im Rahmen unserer letztjährigen Mitgliederversammlung fand genau zum Thema der Rolle der kleinen und mittlere Genossenschaftsbanken in der genossenschaftlichen Finanzgruppe im Jahr 2035 eine Paneldiskussion statt. Mit besonderen Vertretern aus der Genossenschaftlichen Finanzgruppe und Vorständen von Genossenschaftsbanken aller Bankengröße entstand eine spannende Diskussion über die Zukunft der Primärbanken.

Dabei stellte sich aus meiner Sicht schon die Frage, ob wir uns im Sinne der kleinen und mittleren Genossenschaftsbanken selbst abschaffen, da wir bzw. Teile der Genossenschaftlichen Gruppe nicht an unsere Zukunft und Überlebensfähigkeit glauben und deswegen bereits heute die Weichen so gestellt werden, dass es so kommen muss – somit also eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Gregor Mersmann (Vorstand der Dortmunder Volksbank) glaubt, dass kleinere Banken auch in 10 Jahren noch eine Relevanz haben, aber die Herausforderungen in den Bereichen Regulatorik, Demografie und Fachkräfte sehr groß sein werden.

Es sei wichtig den Spagat von der lokalen Welt auf die digitale Welt zu schaffen, meinte Johann Kramer, Vorstand der Raiffeisen-Volksbank Aurich.

Unser DZ-Bank Vorstand Johannes Koch ist zuversichtlich, dass die kleinen und mittleren Genobanken in allen Regionen Deutschlands auch in 10 Jahren eine zentrale Rolle spielen. Ebenso glaubt er daran, dass KI niemanden vor die Türe setzen wird. „Genossenschaft ist Vielfalt; egal ob klein oder groß.“ So Koch.

Der Verbandsdirektor des Genossenschaftsverbandes Weser-Ems, Johannes Freundlieb, glaubt an die Zukunftsfähigkeit von kleineren Instituten. Für den Kunden sei es enorm wichtig regional und dezentral aufgestellt zu bleiben.

Prof. Dr. Thorsten Wiesel ist Direktor des Institutes für Genossenschaftswesen an der Universität Münster und schnitt den Themenkomplex „Regionalität versus Effizienz“ an. Er fragte, welche Rolle Regionalität in unserer digitalen Welt noch spielt. Ebenso beschäftige ihn das Thema des demografischen Wandels in Deutschland, da Genossenschaftsbanken tendenziell eher ältere Kunden beraten. Er erkenne keinen Sinn, wenn zwei Banken mit älter Kundschaft fusionieren. „Zweimal alt ist immer noch alt.“

Union Investment Vorstand Hans Joachim Reinke schlug in diesem Zusammenhang den Genossenschaften auch im Namen eine Verjüngungskur vor: „(K)Coop findet er mega. Genossenschaftsbank dagegen klingt sperrig.“ Mit Augenzwinkern meinte er: „Im Altersheim sei manchmal mehr los als auf den Mitgliederversammlungen so mancher Raiffeisenbank.“

Er legte aber den Finger in die richtige Wunde. Genossenschaftsbanken müssen auch für junge Kundinnen und Kunden, Mitglieder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter relevant sein. Das Alleinstellungsmerkmal Mitgliedschaft müsse mehr in das Bewusstsein gerückt werden.

Genossenschaften stärken regionales Miteinander und Vertrauen

Genossenschaften steigern das Zusammengehörigkeitsgefühl. Wir erleben im Moment, dass immer mehr regionale Kooperationen und kleine Energie- und Dorfgenossenschaften (auch außerhalb des Bankensektors) entstehen. Die Menschen möchten gemeinsam in ihrer Region etwas bewegen. Insbesondere bei den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen wünscht sich ein großer Teil der Bevölkerung Stabilität und greifbare Partner.

Dies trifft auch auf die Abdeckung der finanziellen Dienstleistungen zu. Heute und auch im Jahr 2035. Damit dies erfolgreich funktioniert, gilt es mit Mut und Überzeugung die Weichen so zu stellen, dass die Wege für alle Bankengrößen geebnet werden und am Ende die Kunden entscheiden, welcher Bank, mit welchem Geschäftsmodell und welchem Image sie ihr Geld, Konto und Vertrauen schenken.

Über den Autor

Hendrik Freund

Hendrik Freund ist Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenbank im Grabfeld eG und Bundessprecher der Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken e.V., die ca. 300 Mitglieder umfasst.

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