Die Anforderungen an Unternehmen werden immer vielfältiger und komplexer. Denken „Outside the Box“ lautet die Zauberformel, die helfen soll, kreative Antworten auf die Herausforderungen zu finden. Doch stimmt das wirklich?
Der Volksmund sagt zwar, Kreativität entstehe erst dann, wenn man über den Tellerrand hinausschaut. „Outside-the-box“-Denken gilt daher vielen als ideales Mittel Kreativität freizusetzen und so anstehende Probleme und Herausforderungen in den Griff zu bekommen.
Der „9-Punkte-Test“
Das Konzept des „Outside-the-Box“- Denkens entstand in den 70er Jahren mit dem Psychologen namens J.P. Guilford und seinem berühmten Neun-Punkte-Gehirntest.
Guilford zeichnete neun Punkte in Form eines Quadrats und forderte die Versuchspersonen auf, sie alle mit vier geraden Linien zu verbinden, ohne den Stift zu heben. Die Antwort (die nur 20 Prozent herausfanden) verlangte, die Linien über die künstliche Begrenzung des Quadrats hinaus zu zeichnen – also „Outside-the-Box“ zu denken.
J.P. machte aus dieser Denksportaufgabe eine weitreichende Theorie über Kreativität und Problemlösung im Allgemeinen. Seine Theorie wurde von einer ganzen Armee von Kreativitätsberatern in den Zeitgeist übernommen. Seitdem ist das Denken außerhalb der Box Teil der Art und Weise, wie wir über Innovation sprechen. Allerdings wurde die Theorie inzwischen durch Folgestudien widerlegt.
Vorteile des „Outside-the-box“-Denkens
Zu den Vorteilen des „Outside-the-box“-Denkens zählen
- Kreativität und Innovation: Unkonventionelles Denken eröffnet neue Möglichkeiten und innovative Lösungen. Probleme können auf neue Arten gelöst werden, die anderen nicht eingefallen wären.
- Wettbewerbsvorteil: Unternehmen oder Personen, die kreative Ansätze verfolgen, heben sich von der Masse ab und können sich so einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern verschaffen.
- Anpassungsfähigkeit: „Outside-the-box“-Denken hilft, sich schnell an Veränderungen und neue Herausforderungen anzupassen, indem man die gewohnten Denkweisen hinterfragt.
- Persönliche Entwicklung: Es fördert das kritische Denken und die Flexibilität, was dazu beiträgt, die eigene Komfortzone zu erweitern und persönliche Stärken auszubauen.
Nachteile des „Outside-the-box“-Denkens
Doch es gibt auch Nachteile:
- Risiko von Ablehnung: Unkonventionelle Ideen stoßen oft auf Skepsis oder Widerstand, vor allem in konservativen Umfeldern oder Organisationen mit festgelegten Strukturen.
- Zeitaufwand: „Outside-the-box“-Lösungen zu finden kann mehr Zeit und Ressourcen beanspruchen, was in bestimmten Situationen oder bei engen Deadlines hinderlich sein kann.
- Unpraktische Lösungen: Kreative Ideen sind nicht immer umsetzbar oder wirtschaftlich sinnvoll, weshalb sie gelegentlich mehr Aufwand als Nutzen bringen.
- Verlust von Fokus: Wer ständig nach unkonventionellen Wegen sucht, läuft Gefahr, das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren oder die Effizienz zu senken.
Die Box kann helfen, kreativ zu sein
„Outside-the-box“-Denken kann also wertvoll sein, wenn man bereit ist, damit verbundene Nachteile und Risiken zu akzeptieren. Insbesondere in stark regulierten oder traditionellen Bereichen kann es jedoch zu Konflikten führen.
In einem HBR-Artikel untersuchten Forscher 145 empirische Studien über die Auswirkungen von Einschränkungen auf Kreativität und Innovation und kamen zu dem Ergebnis, dass „Einschränkungen“ durchaus hilfreich sind und Kreativität und Innovation nur dann leiden, wenn diese zu hoch werden.
So lautet z. B. einer der Innovationsgrundsätze von Google: „Kreativität liebt Zwänge“. Und Amazongründer Jeff Bazos meinte dazu „Ich glaube, dass Genügsamkeit Innovationen genauso antreibt wie andere Zwänge. Einer der besten Wege, aus einer engen Kiste herauszukommen, ist, den Weg hinaus zu erfinden.“