Blockchain – ein Blick in den Kapitalmarkt von morgen

Eine neue Marktinfrastruktur entsteht

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Die Blockchain-Technologie läutet eine neue Evolutionsstufe des Internets ein. Viele Geschäftsmodelle kommen auf den Prüfstand – auch und gerade in der Finanzwirtschaft. Das neue digitale Ökosystem bietet große Chancen für den Standort Deutschland und Europa.

Blockchain ermöglicht ein neues digitales Ökosystem

Blockchain ermöglicht ein neues digitales Ökosystem für die Finanzwirtschaft und den Kapitalmarkt von morgen.

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Der technologische Fortschritt eröffnet neue Möglichkeiten und bringt gleichzeitig viele Herausforderungen mit sich. Manchmal vollzieht sich der Prozess langsam und stetig, in kleinen Schritten. Dann wiederum kann es zu sprunghaften Änderungen, sogar zu einem technologischen Paradigmenwechsel kommen. Innerhalb kürzester Zeit gelten etablierte Strukturen nicht mehr und ändern sich grundlegend.

Bestes Beispiel für eine umwälzende Veränderung war die Einführung und die darauf folgende Kommerzialisierung des Internets ab Mitte der 1990er-Jahre. Mit der zunehmenden Adaption der Blockchain-Technologie könnte jetzt ein neuer Paradigmenwechsel anstehen – insbesondere in der Finanzindustrie. Ein Vergleich der historischen Entwicklung der Anzahl von Internetnutzern mit der wachsenden Menge an Wallets zeigt, dass wir uns mit der Anzahl digitaler Geldbörsen in etwa auf dem Stand von Internet-Usern zu Beginn der 2000er-Jahre befinden und damit noch ein Großteil der Marktentwicklung und mithin Kommerzialisierung im Kontext der Distributed Ledger Technologie (DLT) vor uns liegen könnte.

Blockchain – mehr als nur Kryptowährung

Häufig wird die Blockchain mit Kryptowährungen wie Bitcoin gleichgesetzt. Darauf lässt sie sich keinesfalls reduzieren. Denn bei der Blockchain-Technologie und den damit verbundenen Digital-Assets-Ökosystemen geht es um Open-Source-Protokolle, die zahlreiche neue Use-Cases, völlig neue Geschäftsmodelle und effizientere sowie sicherere Abwicklungsmöglichkeiten bieten.

Die Blockchain-Technologie verspricht mit ihrer dezentralen Datenbankstruktur eine bessere Sicherheit und höhere Widerstandsfähigkeit. Auch lässt sich die Kontrolle über die eigenen Daten und Eigentumsverhältnisse erlangen, ohne auf eine zentrale Datensammelstelle angewiesen zu sein. Und das kann zur Herausforderung für Intermediäre werden, die solche Dienstleistungen anbieten. Ihr bisheriges Geschäftsmodell wird durch eine globale Abwicklungsstruktur, die rund um die Uhr verfügbar ist und Transaktionen in Echtzeit abwickelt, infrage gestellt. Da es aber oftmals insbesondere zu Beginn einer einsetzenden Kommerzialisierung von neuen Technologien auch zu einer Häufung von Betrugsvorfällen außerhalb regulierter Strukturen kommt, greifen professionelle Marktteilnehmer in der Adaption – insbesondere mit Blick auf die einhergehenden Financial Services – regelmäßig auf sogenannte „Trusted Partner“ zurück.

Im Aufbau – das neue digitale Ökosystem

Dieser technologische Paradigmenwechsel wird unseres Erachtens letztlich zu einem neuen digitalen Ökosystem unter anderem auch für die Finanzwirtschaft führen – aber wir stehen, wie bereits erläutert, noch am Anfang dieser Entwicklung. Um die Technologie in der Breite auszurollen, ist eine umfassende Marktinfrastruktur erforderlich, deren Institutionalisierung bereits in vollem Gange ist. Wir sehen, dass sich in Europa bereits viele wichtige Teilbereiche wie Puzzlestücke zusammenfügen:

Rechtssicherheit durch regulatorisches Rahmenwerk in Deutschland und der EU

Seit Verabschiedung der Blockchainstrategie der Bundesregierung im Jahr 2019 und des Digital Finance Packages durch die EU-Kommission im Jahr 2020 wurde ein regulatorisches Rahmenwerk entwickelt, um die Digitalisierung des Finanzwesens zu unterstützen. Mit diesem rechtlichen Rahmen sind digitale Assets stärker in den Fokus vieler institutioneller Anleger und Emittenten gerückt. Die Verabschiedung des elektronischen Wertpapiergesetzes (eWpG) im Juni 2021 in Deutschland sowie die Verordnung zur Regulierung von Krypto-Asset-Märkten (MiCAR; Markets in Crypto Assets Regulation) und weitere regulatorische Maßnahmen bzw. Initiativen der EU sorgen für die nötige Rechtssicherheit. Institutionelle Anleger, Finanzinstitute und Asset-Manager haben so die Möglichkeit, in einer regulierten (Pilot-)Infrastruktur erste echte Anwendungsbeispiele zu erproben.

Tokenisierung von Wertpapieren

Die entscheidenden Vorteile von digitalen zu herkömmlichen Assets liegen in der Struktur: Bei digital emittierten Wertpapieren entfällt die Verbriefung mittels einer papierhaften Urkunde; , die Emittenten sind somit nicht mehr zwangsläufig auf einen Zentralverwahrer angewiesen. Rein technisch lässt sich jedes existierende Wertpapier als Kryptowertpapier emittieren; regulatorisch wurden die Voraussetzungen für digitale Emissionen bereits für Inhaberschuldverschreibungen, Anteile an Sondervermögen und – im Zuge des Zukunftsfinanzierungsgesetzes – auch für Aktien geschaffen. Der entscheidende Unterschied liegt somit im Wechsel des Mediums, von der Urkunde zu einem programmierbaren, dematerialisierten Wertpapier, das sich auf einer effizienteren und innovativeren Marktinfrastruktur bewegt. Dies führt zu digitalen, schnelleren und kosteneffizienteren Prozessen mit vielfältigen möglichen Anwendungen. Gleichzeitig führen beispielsweise Delivery-versus-Payment-Transaktionen in Echtzeit auf einer DLT-Infrastruktur zu einer deutlichen Reduzierung bestehender Abwicklungsrisiken in der noch t+x dominierten Welt.

Der neu geschaffene regulatorische Rahmen sorgt dabei für ein weitgehendes „Level Playing Field“ zwischen den beiden Welten, während der technologischen Adaption in der institutionellen Welt noch die kritische Masse fehlt, um derzeit von einer raschen Verdrängung der alten Welt auszugehen.

Auf- und Ausbau der technischen Infrastruktur

Die neue Marktinfrastruktur ist im Aufbau befindlich und wird gerade erst institutionalisiert – auch in Deutschland. Hier haben sich in der Finanzindustrie Institute säulenübergreifend verbunden, um Plattformen für die Blockchain-Technologie zu erproben, Use-Cases zu konzipieren und zu testen sowie produktiv zu stellen.

Jüngstes Beispiel hierfür ist die erfolgreiche Emission der ersten syndizierten Blockchain-basierten Anleihe der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Anfang Juli 2024. Das Bookrunner-Konsortium bestand aus Deutscher Bank, DZ Bank, LBBW und dem Bankhaus Metzler, die gemeinsam mit der Emittentin eine möglichst breite institutionelle Beteiligung verfolgten. Diese innovative Kapitalmarkttransaktion eines namhaften deutschen Daueremittenten trägt dazu bei, den Markt für digitale Wertpapiere in Deutschland wie Europa weiterzuentwickeln und ist ein weiterer bedeutender Schritt zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des hiesigen Finanzmarktes.

Einführung von digitalem Zentralbankgeld

Die Europäische Zentralbank (EZB) startete im Mai 2024 zwei Projektphasen für die Einführung des digitalen Wholesale-Euro, der als Zentralbankgeld für den Einsatz im großvolumigen Bankgeschäft vorgesehen ist. Das Bankhaus Metzler begleitet beide Projektphasen. In der ersten Phase zahlte Metzler erstmals eine von der DekaBank begebene Anleihe mit digitalem Zentralbankgeld, die gemäß dem elektronischen Wertpapiergesetz auf der Blockchain emittiert wurde. Das digitale Geld wurde durch einen Zugang der Deutschen Bundesbank zur Verfügung gestellt.

Digitale Assets – Chance für Deutschland und Europa

In Echtzeit, rund um die Uhr und um den Globus, an 365 Tagen im Jahr: Unseres Erachtens werden sich so programmierbare Wrapper, wie Fondshüllen, sowie digitale Assets und Cash handeln lassen. Die gesteigerte Effizienz gepaart mit Geschäftsinnovationen, die durch die Blockchain-Technologie ermöglicht werden, können zu Kostenvorteilen führen und neue Ertragsquellen erschließen, was sowohl Wettbewerbsfähigkeit als auch Souveränität von Deutschland und Europa stärken dürfte.

Voraussetzung hierfür ist nicht zuletzt die Ausgestaltung und Implementierung der neuen Marktinfrastruktur. Hier sehen wir, dass bereits ein guter Weg eingeschlagen wurde, aber gleichzeitig noch viel Arbeit in der institutionellen Adaption vor uns liegt. Die beschriebenen Puzzleteile – der regulatorische Rahmen, die Tokenisierung von Wertpapieren, der Ausbau der Infrastruktur und das digitale Wholesale-Zentralbankgeld – beginnen sich zu einem großen Ganzen zusammenzufügen. Über alle Wirtschaftsbereiche hinweg lässt sich beobachten, dass Unternehmen aktiv am Ausbau des digitalen Ökosystems beteiligt sind. Der klare Rechtsrahmen dürfte perspektivisch zusammen mit den zuvor genannten Bausteinen und einer weiterhin proaktiven aufsichtlichen Begleitung und einem effizienten wie effektiven Verbraucherschutz zu einer breiten Akzeptanz digitaler Assets führen und eine Chance für den Standort Deutschland und Europa sein.

Über den Autor

Mario Mattera

Mario Mattera ist Mitglied des Vorstands des Bankhauses B. Metzler seel. Sohn & Co. AG und verantwortlich für das Geschäftsfeld Capital Markets und das konzernweite Digital Assets Office, das alle Themen rund um die Distributed-Ledger-Technologie der Bank koordiniert.

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