Maschinen ersetzen Jobs – Künstliche Intelligenz füllt einen alten Konflikt mit neuer Brisanz. Führt technologischer Fortschritt zu mehr Wohlstand oder vertieft sie die soziale Kluft? Die Antwort könnte unsere Zukunft prägen.
Vor hundert Jahren hätte sich wohl niemand vorstellen können, dass Menschen eines Tages ihren Lebensunterhalt als Instagram-Influencer, Internet-Yoga-Lehrer, YouTube-Stars oder ethische Hacker verdienen würden. Doch solche und viele andere Berufe sind heute Realität.
Auf den ersten Blick scheint somit klar zu sein, dass neue Technologien vor allem neue Chancen eröffnen. Doch ein zweiter Blick lohnt sich.
Der Ludditen-Protest gegen die Maschinen
Im 19. Jahrhundert formierte sich eine Gruppe englischer Textilarbeiter unter der Führung von Ned Ludd, um sich gegen die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen im Zuge der industriellen Revolution zu wehren. Die „Ludditen“ protestierten insbesondere gegen die Einführung von Textilmaschinen, die es Fabriken ermöglichten, kostengünstigere Waren herzustellen und damit zahlreiche traditionelle Handwerksbetriebe aus dem Markt zu drängen.
Ein zentrales Mittel ihres Widerstands war die gezielte Zerstörung dieser Maschinen, um den Vormarsch der neuen Technologien aufzuhalten. Doch der Protest blieb erfolglos: Im Jahr 1814 wurde die Bewegung durch den Einsatz des Militärs gewaltsam niedergeschlagen. Heute wird der Begriff „Luddit“ häufig als abschätzige Bezeichnung für Menschen verwendet, die sich gegen den technologischen Fortschritt oder die Automatisierung stellen.
Wiederkehrende Ängste bei technischen Umbrüchen
Die Sorgen der Ludditen kehrten mit jeder großen industriellen Revolution wieder. Auch während der zweiten industriellen Revolution im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert gab es erhebliche Ängste vor dem Verlust von Arbeitsplätzen durch neue Maschinen und Produktionsverfahren.
Trotz der damit verbundenen Herausforderungen hat sich langfristig jedoch gezeigt, dass wirtschaftliche Umbrüche oft auch neue Chancen mit sich bringen. Im Jahr 1900 waren noch 41 Prozent der Arbeitskräfte in den USA in der Landwirtschaft tätig, doch bis zum Jahr 2000 sank dieser Anteil auf nur noch 2 Prozent. Die Einführung einer allgemeinen Schulpflicht und der Ausbau weiterführender Bildung sorgten dafür, dass viele Menschen neue Berufe ergreifen konnten.
Technologischer Wandel und soziale Ungleichheit
In der Vergangenheit zeigte die Geschichte, dass Innovationen regelmäßig neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnen konnten. Der Übergang in neue Beschäftigungsfelder war und ist allerdings für viele Menschen mühsam und mit Unsicherheiten verbunden.
Die Wirtschaftswissenschaftler Daron Acemoglu und Pasquale Restrepo stellten allerdings fest, dass zwischen 1960 und 1980 insbesondere gering qualifizierte Arbeitskräfte von der Automatisierung profitierten. Seit den 1980er Jahren jedoch haben vor allem hoch qualifizierte Arbeitnehmer Vorteile aus dieser Entwicklung gezogen – ein Faktor, der zur zunehmenden wirtschaftlichen Ungleichheit beiträgt.
Bleibt dieser Trend bestehen? Oder stehen wir diesmal vor einem grundlegenden Wandel? Diese Fragen beschäftigen Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen.
Mensch und Maschine: Kooperation statt Konkurrenz
Eines ist sicher: Ein Wettlauf gegen die Maschinen ist kaum zu gewinnen. Stattdessen sollten wir unsere Kreativität und kognitive Leistungsfähigkeit mit den Rechenfähigkeiten der künstlichen Intelligenz kombinieren. Wenn dies gelingt, könnten wirtschaftliche Produktivität und gesellschaftlicher Wohlstand weiter gesteigert werden.
Dennoch wird nicht jeder in der Lage sein, sich diesem Wandel anzupassen. Die Integration neuer Technologien erfordert Zeit, Ressourcen und Lernbereitschaft. Es besteht die Gefahr, dass sich die Gesellschaft in zwei Gruppen spaltet: diejenigen, die mit der technologischen Entwicklung Schritt halten können, und diejenigen, die versuchen, gegen die Maschinen anzutreten – jedoch scheitern.