Bargeld: Schein-Heiligkeit beim Datenschutz?

Wie viel Wert legen Menschen auf Privatsphäre beim Bezahlen?

Abonnieren Sie den kostenlosen Bank Blog Newsletter

Datenschutz ist für viele Menschen in Deutschland wichtig und oft ein Argument für Bargeld. Trotzdem wird immer weniger bar gezahlt. Eine repräsentative Befragung der Bundesbank untersucht Datenschutzsensibilität und Bezahlverhalten an der Ladenkasse.

Bargeld, Datenschutz und Bezahlen

Datenschutz wird von vielen Menschen in Deutschland als besonders wichtig erachtet und ist ein häufig genanntes Argument für die Verwendung von Bargeld.

Partner des Bank Blogs

BehavioSec ist Partner des Bank Blogs

Viele Menschen sorgen sich sehr um Datenschutz, geben aber gleichzeitig bereitwillig persönliche Daten preis, etwa um in den Genuss von Bonuskartenvorteilen zu gelangen. Dieses Phänomen wird auch als Datenschutz-Paradoxon bezeichnet. Es legt nahe, dass Verbraucherinnen und Verbraucher oft der Bequemlichkeit und kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteilen den Vorzug vor dem Schutz ihrer Daten geben könnten.

Auch im Kontext des Bezahlens stellt sich die Frage, welche Bedeutung dem Datenschutz zugemessen wird. Verglichen mit Kartenzahlungen wird dem Bargeld besonders häufig bescheinigt, die Privatsphäre der Verbraucher besser zu schützen. Verwenden also Personen, denen Datenschutz besonders wichtig ist, häufiger Bargeld?

Diese Fragestellung wurde in einer Kooperation der Bundesbank mit Julia Pitters von der IU-Internationalen Hochschule untersucht. In diesem Rahmen wurden in einer forsa-Online-Umfrage rund 2.000 Personen repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren befragt. Gemessen wurden unter anderem die Einstellungen zu verschiedenen Bezahlverfahren und zum Thema Datenschutz.

Die Ergebnisse zeigten, dass besonders datenschutzsensible Befragte häufiger Bargeld bevorzugten und auch öfter bar bezahlten als Menschen mit geringen Datenschutzbedenken. Dennoch nutzten auch sie für Zahlungen an der Ladenkasse in einem erheblichen Umfang Karten oder mobile Bezahlverfahren.

Datenschutz hat große Bedeutung

Der überwiegenden Mehrheit der Befragten war Datenschutz wichtig. So wollten 89 Prozent der Befragten (eher) nicht, dass ihre Daten an Dritte weitergegeben werden. Nur rund ein Fünftel würde Daten weitergeben, um schneller an Informationen zu gelangen oder ein Produkt günstiger zu bekommen. Etwas weniger Zustimmung erhielt die Anonymität beim Einkaufen. Knapp drei von fünf Befragten waren (eher) dafür, dass niemand wissen soll, welche Produkte sie gekauft haben. Rund die Hälfte wollte (eher) nicht, dass ihre Daten bei Onlinehändlern gespeichert bleiben.

Präferenzen der Deutschen beim Thema Datenschutz

Der überwiegenden Mehrheit der Menschen in Deutschland ist der Schutz ihrer persönlichen Daten wichtig.

Gleichzeitig rangierten Zahlungsdaten bei der Frage, welche Kategorien von Daten die Befragten am meisten vor dem Zugriff von Unbekannten schützen wollen, auf Platz 1. Für 72 Prozent der Befragten gehörten sie zu den sensibelsten Daten, 29 Prozent sahen sie sogar ganz vorn. Es folgten Daten zu Vermögen und Schulden, Gesundheitsdaten und Adressdaten.

Daten, die am meisten geschützt werden sollen

Zahlungsdaten sind für die meisten Menschen die sensibelsten Daten, noch vor Angaben zu Vermögen und Gesundheitszustand.

Bargeld liegt bei Datenschutz vorn

Welche Zusammenhänge bestehen zwischen der Bedeutung, die dem Datenschutz beigemessen wird, und Einstellungen und Verhaltensweisen? Zur Analyse dieses Aspekts wurde ein Index der Datenschutzsensibilität gebildet, der für jeden Befragten den Mittelwert der sieben Statements aus Schaubild 1 widerspiegelt. Für 70 Prozent der Personen mit einer hohen Datenschutzsensibilität (Index > 5) war die Wahrung der Privatsphäre eine unverzichtbare Eigenschaft von Zahlungsmitteln. Von den Befragten, die dem Datenschutz eine geringe Bedeutung beigemessen hatten (Index <= 4), fand nur jeder Vierte die Wahrung der Privatsphäre bei Zahlungsmitteln unverzichtbar.

Doch welches Zahlungsmittel bot aus Sicht der Befragten das höchste Datenschutzniveau? Eine große Mehrheit von 83 Prozent war der Meinung, Bargeld schütze die Privatsphäre besser als unbare Zahlungsmittel (Karten- und mobile Zahlungen). Damit lag Bargeld, das anonym und ohne Beteiligung Dritter verwendet werden kann, in den Augen der meisten Befragten beim Schutz der Privatsphäre vorn. Gleichwohl können bargeldlose Zahlungsmittel – je nach Emittent und dessen Geschäftsmodell – ebenfalls ein hohes Datenschutzniveau bieten.

Zahlungsmittelpräferenzen nach Datenschutzsensibilität

Je höher die Datenschutzsensibilität, umso eher halten Befragten die Privatsphäre beim Bezahlen für unverzichtbar und umso eher bevorzugen sie Bargeld.

Auswirkungen auf das Bezahlverhalten

Angesichts des vielfach beschriebenen Datenschutz-Paradoxons stellt sich die Frage, ob die Wahrnehmung von Bargeld als Privatsphäre-freundliches Zahlungsmittel auch Auswirkungen auf die Verwendung im Alltag hat. In der Gruppe, die Datenschutz die größte Wichtigkeit zuschrieb, bezahlten 55 Prozent am liebsten mit Bargeld. Von den Befragten mit geringer Datenschutzsensibilität bevorzugten nur 24 Prozent Scheine und Münzen. In dieser Gruppe erfreuten sich dagegen mobile Bezahlverfahren überdurchschnittlich hoher Beliebtheit.

Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man auf das tatsächliche Bezahlverhalten schaut. Die Teilnehmer sollten aus dem Gedächtnis angeben, welche Zahlungsmittel sie für ihre letzten fünf Einkäufe in Geschäften des täglichen Bedarfs (z.B. Supermarkt, Bäcker, Drogerie) verwendet haben. Die Befragten, die den höchsten Wert auf Datenschutz legten, zahlten deutlich häufiger bar als wenig datenschutzsensible Teilnehmer.

Datenschutz nicht allein ausschlaggebend

Die Ergebnisse zeigen, dass es durchaus eine statistisch und ökonomisch relevante Korrelation zwischen den Einstellungen zum Datenschutz und der Zahlungsmittelwahl gab. Dennoch bezahlten auch besonders datenschutzorientierte Befragte in Geschäften einen großen Teil ihrer Einkäufe mit der Karte oder mobil. Ein Blick auf Schaubild 3 zeigt, dass nicht alle Befragten, denen Datenschutz abstrakt sehr wichtig war, auch großen Wert auf datensparsame Zahlungsmittel legten. Der Wunsch nach einem Zahlungsmittel, das die Privatsphäre wahrt, geht zudem nicht in jedem Fall mit einer Präferenz für Bargeld einher. Und selbst eine generelle Vorliebe für Bargeld bedeutet nicht automatisch, dass die Person ausschließlich bar bezahlt. Insofern widersprechen die Ergebnisse dem Datenschutz-Paradoxon nicht: Selbst sehr datenschutzsensible Befragte nutzten an der Ladenkasse neben Bargeld weitere, weniger datensparsame Zahlungsmittel.

Das legt nahe, dass weitere Eigenschaften von Zahlungsmitteln ausschlaggebend für deren Verwendung im Alltag sind. Die mit Abstand wichtigste Eigenschaft eines Zahlungsmittels war für die Befragten die Sicherheit vor finanziellem Verlust. Auch ein guter Überblick über die Ausgaben fand sich weit oben auf der Liste der Anforderungen an ein Zahlungsmittel. Ob diese Anforderungen besser von Bargeld oder unbaren Zahlungsmitteln erfüllt werden, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Bisherige Studien weisen darauf hin, dass es hier unterschiedliche Ansichten in der Bevölkerung gibt. Eigenschaften, die überwiegend unbaren Zahlungsmitteln zugeschrieben werden, wie z.B. Schnelligkeit, rangieren zwar weiter hinten, waren aber selbst in der Gruppe mit der höchsten Datenschutzsensibilität für 30 Prozent der Befragten unverzichtbar.

Option auf Privatsphäre erhalten

Die Wahl eines Zahlungsmittels dürfte zudem von den Umständen des Einkaufs wie z.B. dem Zahlungsbetrag und dem Zahlungsort abhängen. Denkbar ist, dass auch die Sensibilität der Situation oder der gekauften Waren eine Rolle spielt. So könnten manche Konsumentinnen und Konsumenten in bestimmten Situationen bewusst zu datensparsamen Zahlungsmitteln greifen, während bei anderen Gelegenheiten Aspekte wie Einfachheit oder Schnelligkeit der Zahlung den Ausschlag geben.

Die große Bedeutung, die dem Datenschutz gerade in Bezug auf Zahlungsdaten zugeschrieben wird, spricht dafür, die Möglichkeit zur Verwendung von Bargeld für Transaktionen flächendeckend zu erhalten. So wünscht sich eine deutliche Mehrheit von 80 Prozent der Befragten mit hoher Datenschutzsensibilität, dass sie auch in Zukunft unverändert mit Bargeld bezahlen können (siehe Schaubild 4). Selbst Personen, die dem Datenschutz eine geringere Bedeutung zumessen, plädieren mehrheitlich für den Erhalt des Bargelds.

Wünsche zur Zukunft des Bargelds nach Datenschutzsensibilität

Selbst Befragte mit geringer Datenschutzsensibilität wünschen sich mehrheitlich eine Zukunft mit Bargeld.

Doch eine Zukunft mit Bargeld ist kein Selbstläufer. Darauf deuten einige Beispiele anderer europäischer Länder und auch ein Studie der Deutschen Bundesbank zur Zukunft des Bargelds in Deutschland hin. Es gilt, die Bargeld-Infrastruktur zu erhalten und die Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine freie Wahl zwischen Bargeld und verschiedenen unbaren Zahlungsmitteln langfristig sicherstellen. Nur dann können die Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft entsprechend ihrer Präferenzen an der Ladenkasse bezahlen.

Doch das Bezahlen findet zunehmend digital statt. Es liegt nahe, dass sich der Wunsch nach Privatsphäre auch auf digitale Zahlungen übertragen lässt. Deshalb ist es wichtig, hier ebenfalls datensparsame Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund legt das Eurosystem bei der Entwicklung des digitalen Euro ein großes Augenmerk auf den Schutz der Privatsphäre der Zahler.


Prof. Dr. Julia Pitters - Professorin für Wirtschaftspsychologie

Prof. Dr. Julia Pitters

Prof. Dr. Julia Pitters ist Koautorin des Beitrags. Sie ist Professorin für Wirtschaftspsychologie an der IU-Internationalen Hochschule und ist Partnerin beim Trendforschungsinstitut Pitters Trendexpert in Wien. In Kooperation mit der Deutschen Bundesbank liegt ihr Forschungsschwerpunkt derzeit auf der Psychologie des Bargelds.

Über den Autor

Dr. Susann Sieber

Dr. Susann Sieber ist Zahlungsverkehrsexpertin bei der Deutschen Bundesbank. Ihr Arbeitsgebiet ist die Analyse des Zahlungsverhaltens und der Bargeldverwendung von Privatpersonen in Deutschland.

Vielen Dank fürs Teilen und Weiterempfehlen


Mit dem kostenlosen Bank Blog Newsletter immer informiert bleiben:

Anzeige

Get Abstract: Zusammenfassungen interessanter Businessbücher

Kommentare sind geschlossen

Bank Blog Newsletter abonnieren

Bank Blog Newsletter abonnieren