Obwohl die Grenzen zwischen physischer und virtueller Welt verschwimmen und digitale Kanäle wie Beratungscenter wachsen, bleiben Filialen für stationäre Banken ein wichtiges Differenzierungsmerkmal. Erforderlich ist jedoch mehr Konsequenz beim Umbau des Netzes.

Eine höhere Produktivität und Effizienz von Bankfilialen ist möglich, wenn die Institute die Umgestaltung deren forcieren und die Grenzen zwischen analogen und digitalen Kanälen überwinden.
Im Jahr 2000 gab es in Deutschland rund 42.000 Bankfilialen, mittlerweile sind es nicht einmal mehr halb so viele. Die Tendenz ist – ähnlich wie in vielen anderen Industrie- und Schwellenländern – weiter sinkend. Die Kreditinstitute minimieren Bargeldgeschäfte, reduzieren Öffnungszeiten und automatisieren Serviceleistungen. Lange geschah dies vor allem mit Blick auf die Kosten.
Doch nun rücken andere Argumente in den Fokus: allen voran die rückläufige Kundenfrequenz sowie die Herausforderung, einen stabilen Betrieb der verbleibenden Zweigstellen sicherzustellen. Und das in einer Zeit, in der sich Öffnungs- und Beratungszeiten entkoppeln, selbst wenn dies längst noch nicht in den Köpfen der Kundschaft verankert ist.
Bankgeschäft bleibt „People’s business“
Gerade aus drei Gründen sollten Banken dennoch am Vertriebskanal Filiale festhalten.
- Erstens bleibt das höherwertige, margenstärkere Bankgeschäft ein „People’s Business“. Viele Privatleute und Unternehmen werden bei komplexen Transaktionen nicht auf persönliche Beratung verzichten wollen, und obwohl es inzwischen vielerorts gute Remote-Angebote gibt, bleibt das Bedürfnis nach dem Gespräch vor Ort.
- Zweitens können sich stationäre Institute auch bei der Betreuung ihrer Kundschaft durch eine Präsenz vor allem an stärker frequentierten Orten von rein digital aufgestellten Direkt- und Neobanken absetzen.
- Und drittens haben insbesondere Flagship-Filialen in populären Lauflagen einen nicht zu unterschätzenden Wert für die Markenbildung und -bekanntheit, den automatisierte Servicestellen und Geldautomaten nicht vollständig ersetzen können.
Diese drei Gründe weisen die Richtung, in die sich das Filialnetz der Banken entwickeln sollte. Im Mittelpunkt stehen attraktiv gestaltete Zweigstellen an leicht zu erreichenden Standorten, die Beratungs- und Betreuungskompetenz bündeln und zum Verweilen einladen. Genau diesen Weg verfolgen branchenweit bekannte Vorbilder wie beispielsweise der sogenannte Lifestyle Space der DBS in Singpaur, das imaginCafé der spanischen CaixaBank oder die Virgin Money Lounges seit Jahren.
Kundschaft kritisiert Mängel im bestehenden Filialnetz
Auch in Deutschland haben viele Kreditinstitute derartige Konzepte angedacht und inzwischen insbesondere Flagship-Filialen umgerüstet. Doch in der Fläche ist die Filiale der Zukunft längst noch nicht überall umgesetzt. Verzögerungen gibt es ebenfalls beim kanalübergreifenden Ausbau qualitativ hochwertiger Beratung und wenn es darum geht, Kundenreisen zu verzahnen. All dies trägt dazu bei, dass sich in Bain-Befragungen unter tausenden Retail-Kundinnen und -Kunden bis heute ein hohes Maß an Unzufriedenheit mit dem Filialangebot manifestiert. Kritisiert werden unter anderem eine unzureichende Servicementalität und Friktionen beim Wechsel von der digitalen in die analoge Welt.
Für Banken ist dies ein Weckruf, sich stärker als bislang mit dem für einen messbaren Kundenerfolg nicht unbedingt kostenintensiven Umbau von Filialen – und weniger mit deren Abbau – zu beschäftigen. Und das im Zusammenspiel mit anderen Kanälen. Es ergibt keinen Sinn mehr, einerseits mit viel Mühe zusätzliche Fachleute für die Kontaktcenter zu rekrutieren und andererseits kompetentes Personal in den Filialen nicht optimal zu nutzen.
Filialen der Zukunft: Hochautomatisiert mit persönlichem Touch
Doch wie sieht das Filialnetz der Zukunft aus? Um die Flagship-Niederlassungen werden sich wie in einem Rad – auf Basis einer detaillierten Kosten-Nutzen-Analyse der einzelnen Standorte – größere Filialen und weitgehend automatisierte Satelliten gruppieren. Die Filialen bestehen im Wesentlichen aus fünf Zonen:
- Automaten zur Selbstbedienung, wo die meisten Interaktionen stattfinden,
- Informationsbereiche, um Kundinnen und Kunden den Zugang zu digitalen und Selbstbedienungsangeboten zu erleichtern,
- Beratungsflächen mit Monitoren, um bei Bedarf weitere Expertinnen und Experten zuzuschalten,
- Abgetrennte Räume für persönliche Gespräche über komplexe und hochwertige Transaktionen,
- Partnerzonen, wo sich Institutionen und Unternehmen präsentieren und die Finanzierungskompetenz der Bank mit ihren Lösungen ergänzen.
Solche Filialen der Zukunft verändern bekanntermaßen das Anforderungsprofil der Belegschaft. Statt spezialisierten Bankern sind nun eher breit aufgestellte Vertriebsprofis gefragt. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht, die Kundenbeziehung zu pflegen und bei der Nutzung digitaler Angebote zu unterstützen. Wenn es um komplexe Fragestellungen geht, werden Fachleute per Tablet oder Monitor zugeschaltet – das Kundenerlebnis vor Ort und in der virtuellen Welt verschmelzen.
20 Prozent mehr Umsatz pro Filiale sind möglich
Ein Bankvertrieb, der die Grenzen zwischen den Kanälen überwindet und die Vorteile der lokalen Präsenz konsequent nutzt, kann Produktivität und Effizienz massiv steigern. Nach Bain-Erfahrungen ist es möglich, den Umsatz pro Filiale um rund 20 Prozent bei einem um 20 Prozent geringeren Mitarbeitereinsatz zu erhöhen. Der Schlüssel für einen solchen Sprung nach vorn liegt darin, die wichtigste Ressource der Banken optimal zu nutzen: ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Je besser diese geschult sind und je motivierter sie ihrer Kundschaft begegnen, desto größer sind mögliche Produktivitäts- und Effizienzgewinne. Auch an dieser Stelle können viele Institute noch nachlegen, wie die Bain-Befragungen nahelegen.
Ohne Frage wird die Schließung vor allem kleinerer Zweigstellen weitergehen. Doch es wäre fatal, wenn die Banken sich bei ihren Anstrengungen allein darauf fokussieren würden, das Filialnetz zurückzubauen. Vielmehr sollten sie die Chancen der Modernisierung und des vermehrten Einsatzes neuer Technologien wie künstlicher Intelligenz nutzen. Zudem gilt es, noch bestehende Barrieren zwischen analogen und digitalen Kanälen zu beseitigen. Richtig aufgestellt und integriert, hat die Bankfiliale durchaus Zukunft.
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Bislang sind folgende Beiträge in der Serie erschienen:
- It’s a match: Bankfiliale im digitalen Zeitalter - Better Banking bei der BBBank
- Weniger ist nicht immer mehr - Ein etwas anderer Blick auf das Filialnetz von Regionalbanken
- Der Spagat zwischen Verbundenheit und Fortschritt - Die Integration von Digitalisierung ohne Ankerverlust
- Die Bankfiliale muss sich neu erfinden -Unverzichtbarer Touchpoint im digitalen Zeitalter
- Hören wir unseren Kunden noch zu? - Warum der Rückzug aus dem Präsenz-Geschäft ein Fehler ist
- Klassische Beratung im modernen Raum - Auflösung der Grenzen von analoger und digitaler Welt
- Orte des Dialogs, der Vernetzung und der Problemlösung - Die Omnikanal-Strategie der Berliner Volksbank
- Kunden sind die neuen Architekte - Postbank und Deutsche Bank realisieren neue Filialformate
- Die Bankfiliale der Zukunft: Mehr Menschlichkeit im Banking - Digital vernetzt, persönlich beraten
- Volksbank Köln Bonn setzt auf ErlebnisCenter - Persönliche Beratung, Digitalisierung und Ort der Begegnung
- Die Bankfiliale als Treffpunkt für die Menschen aus der Nachbarschaft - Digitale Lösungen mit persönlicher Nähe
- Die Filiale ist tot – es lebe die Filiale - Neue Rolle in der Omnichannel-Welt
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- Wir bleiben vor Ort, aber anders als bisher - Das neue Filialkonzept der Sparkasse KölnBonn
- Wie das Filialnetz zum digitalen Kraftwerk wird - Kampf gegen Kundenschwund und Beratungsdiebstahl
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- Drei Thesen zur Zukunft der Bankfiliale - Steht die Bankfiliale vor einem Comeback?
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