Krisen kommen und gehen – doch die Unsicherheit bleibt. Warum alte Führungsrezepte nicht mehr greifen und welche Prinzipien heute Orientierung und Stabilität bieten, wenn alles in Bewegung ist.
In der Vergangenheit galten Wirtschaftskrisen stets als etwas Vorübergehendes. „Auf Regen folgt Sonnenschein“ lautet eine alte Volksweisheit. In Zeiten des Klimawandels hoffen heutzutage viele eher, dass auf Sonnenschein wieder Regen folgt – jedoch bitte nicht zu viel.
In den anhaltenden Zeiten der parallelen Multikrisen scheinen alte Weisheiten an Gültigkeit eingebüßt zu haben. Brexit, Corona, Klimawandel, Ukrainekrieg, Zölle und vieles mehr lassen grüßen.
Krisen gehen vorüber – Unsicherheit bleibt
Auch diese Krisen werden vorübergehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Unsicherheit vergeht, sondern nur, dass eine bestimmte Situation oder ein bestimmter Moment der Unsicherheit vorübergeht. Der IWF hat eine Metrik namens World Uncertainty Index entwickelt, die das Klima der Unsicherheit von 2008 bis heute verfolgt. Die einzige Konstante sind konstante Ausschläge und eine steigende Trendlinie.
Das bedeutet, dass die Bewältigung der Unsicherheit auch ein ständiger Bestandteil der Unternehmensführung ist. Und eine Chance für Führungskräfte und Unternehmen, für Ruhe im Chaos zu sorgen. Das Schlimmste, was man in einer Zeit des Chaos tun kann, ist, es noch zu vergrößern.
8 Merkmale guter Unternehmensführung in unsicheren Zeiten
Gute Unternehmensführung in Zeiten der Unsicherheit erfordert angepasste Prioritäten und besondere Führungsqualitäten. Zu den zentralen Merkmalen zählen:
1. Klarer Purpose und Werteorientierung
Unternehmen mit einer klar definierten Mission und starken Werten bieten Orientierung – nach innen wie außen – auch bei unvorhersehbaren Entwicklungen.
2. Agilität und Anpassungsfähigkeit
Die Fähigkeit, schnell auf Veränderungen zu reagieren, Prozesse anzupassen und Entscheidungen zu revidieren, ist essenziell. Das schließt auch iterative Planungs- und Entscheidungsprozesse ein.
3. Transparente und offene Kommunikation
Führungskräfte müssen ehrlich und regelmäßig kommunizieren – über Risiken, Chancen und Entscheidungen. Dies stärkt Vertrauen und reduziert Unsicherheit bei Mitarbeitenden.
4. Dezentrale Entscheidungsbefugnisse
In unsicheren Zeiten ist es vorteilhaft, Verantwortung auf mehreren Ebenen zu verteilen, um Geschwindigkeit und Reaktionsfähigkeit zu erhöhen.
5. Resilienzorientiertes Risikomanagement
Es braucht robuste, aber flexible Strukturen, die externe Schocks abfedern können, z. B. durch Szenarioplanung, Stress-Tests oder diversifizierte Lieferketten.
6. Innovations- und Lernfähigkeit
Gute Unternehmensführung schafft Räume für Innovation, fördert Experimente und toleriert Scheitern als Lernquelle – essenziell für die Zukunftssicherung.
7. Stakeholder-Orientierung
Neben der finanziellen Performance werden Auswirkungen auf Mitarbeiter, Kunden, Gesellschaft und Umwelt in Entscheidungen eingebunden – Stichwort: nachhaltige Governance.
8. Führung mit Empathie und Stabilität
Gerade in Krisenlagen ist emotionale Intelligenz gefragt. Mitarbeiter brauchen Halt, Sinnstiftung und psychologische Sicherheit.
Orientierung geben, wo Gewissheit fehlt
Die Welt befindet sich auch weiterhin in einem dauerhaften Zustand erhöhter Unsicherheit – geprägt durch aufeinanderfolgende und miteinander verwobene Krisen. Alte Gewissheiten und Routinen greifen nicht mehr; statt auf das Ende einzelner Krisen zu hoffen, müssen Unternehmen lernen, in einem Klima beständiger Unvorhersehbarkeit zu bestehen. Unsicherheit ist keine Ausnahme mehr, sondern ein Dauerzustand, der konsequente Anpassung und Weiterentwicklung der Unternehmensführung verlangt.
Gute Führung in dieser neuen Realität bedeutet vor allem, Stabilität im Wandel zu schaffen – durch klare Werte, offene Kommunikation, resiliente Strukturen und die Bereitschaft zur Veränderung. Unternehmen, die auf dezentrale Verantwortung setzen, lernbereit bleiben und ihre Stakeholder ernst nehmen, können nicht nur bestehen, sondern gestärkt aus der Unsicherheit hervorgehen.
Die Zukunft gehört denjenigen, die Orientierung geben, ohne Kontrolle zu versprechen – und im Chaos die Chance zur Erneuerung erkennen.